«Alle zwei Jahre haben wir einen grösseren Tierschutzfall in den Medien», sagt Werner Siegenthaler von der Proviande. Er weiss, dass solche Schlagzeilen der gesamten Branche grossen Schaden zufügen. «Man kann alles schlecht darstellen und es ist möglich auf jedem Betrieb dazu passende Aufnahmen zu machen», erklärt er. Und das, obschon gar kein Verstoss gegen das Tierschutzgesetz vorliege. Aber die Fälle, die es zu verhindern gilt, seien nicht einfach im gewöhnlichen Alltag zu finden.

Die Branchenorganisation Proviande hat daher vor rund einem Jahr ein Instrument eingeführt – die Ombudsstelle Tierwohl. Hier können Fachpersonen, Landwirtinnen, aber auch Tierschutzaktivisten vermutete Verstösse gegen Tierschutzvorschriften melden. Proviande übernimmt dann die Koordination mit den verantwortlichen Instanzen, ohne dass der öffentlich-rechtliche Tierschutz eingeschaltet wird. Die Mitglieder von Proviande, unter anderen der Schweizer Bauernverband, hätten das explizit gewünscht und so habe man in der Branchenorganisation gehandelt.

Nicht wöchentlich

Die Meldungen kommen zwar rein, wie Werner Siegenthaler bestätigt, es könnten aber mehr sein. «Wir haben nicht jede Woche einen Fall, der gemeldet wird», sagt er. Kommt eine Meldung rein, wird sofort überprüft, unter welchen Labels der betroffene Betrieb produziert. Dann wird mit den entsprechenden Organisationen Kontakt aufgenommen (Bsp. IP-Suisse). Und diese seien sehr entscheidend. «Die Kontrollstellen gehen hernach auf die Betriebe zu und klären ab, ob diese Meldung, die eingegangen ist, korrekt ist.» Diese Kontrollstellen würden die Betriebe kennen und das sei meist besser akzeptiert, als wenn «Unbekannte» erscheinen. «Es ist nicht Proviande, welche diese Fälle löst. Wir haben hier lediglich die Anlaufstelle geschaffen», sagt Siegenthaler.

Entscheidendes Ziel dieses Angebots ist, dass Personen, die eine Beobachtung machen, bei der das Tierwohl nicht mehr sichergestellt ist, eine Anlaufstelle haben – quasi etwas zwischen Schweigen und Anzeigen. «Wenn etwas nicht gut ist, muss man es beheben», ist Werner Siegenthaler sicher. Und immer sei das in der Anfangsphase einfacher, als wenn bereits heftige Verstösse vorliegen würden. «Meist wissen die Beobachter oder Beobachterinnen nicht, was sie tun sollen, wenn sie einen Verstoss orten. Direkt ansprechen? Schweigen? Oder doch melden? Wenn ja, wo?», fasst Siegenthaler zusammen.

Bestehende Abhängigkeiten

Die Meldung bei Proviande können auch anonym gemacht werden, was vielen Personen wichtig sei – niederschwellig auf der Website mittels Formular oder auch per E-Mail oder Telefon. Denn nicht selten bestehe zwischen den betroffenen Personen eine Abhängigkeit oder gar ein Angestelltenverhältnis – Tierarzt und Landwirtin, Bauer und Viehhändlerin, Pächterin und Verpächter oder eben Auszubildende auf einem Hof oder Angestellte in einer Metzgerei. «Man hat es in der ganzen Kette nicht einfach nur mit Tieren zu tun, es wird auch ein Lebensmittel produziert», sagt Siegenthaler. Er weiss, dass sich hier gesellschaftlich viel bewegt hat. «Wie mit den Tieren umgegangen wird, ist von grossem Interesse», ergänzt er.

Kontrollintervalle sind lang

Die entscheidende Herausforderung für die ganze Branche sei, dass Tierwohl schliesslich nicht messbar ist. «Das macht es schwierig», weiss der Leiter Qualität und Nachhaltigkeit bei der Branchenorganisation. Es gebe zwar viele Kontrollen, aber die Intervalle seien teilweise sehr lange. Da mache es eben Sinn, dass hingeschaut wird, bevor eine veränderte Situation zu einem Eklat führe. Mit dem Angebot von Proviande sollen bestehende Strukturen genutzt werden und nicht etwa etwas Neues geschaffen werden. Neu sei aber, dass es branchenintern eine Anlaufstelle gibt, die allen Beteiligten des Tiersektors die Möglichkeit bietet, etwaige Verstösse zu melden, und dadurch die Verantwortung abgeben zu können. Das Ziel dieser brancheninternen Ombudsstelle Tierwohl sei, dass Tierschutzverstösse «persönlicher gelöst werden können».

Weitere Informationen: www.proviande.ch