Wenn sich schuppig-krustige Hautveränderungen am Kopf- und Halsbereich des Kalbes bilden, sollte dies schon ein Warnsignal für den Landwirt sein. Hierbei kann es sich um die sogenannte «Kälberflechte» bzw. «Rinderflechte» handeln. Als typische Jungtiererkrankung kommt sie vor allem bei Kälbern und Jungrindern im ersten Lebensjahr vor. Bei einem starken Befall können sich die kreisförmigen, felllosen Stellen auf den gesamten Rücken ausbreiten und für Hautschäden sorgen. «Das Kälberfell ist das teuerste Gut. Wenn man dort Vernarbungen hat, lässt sich das Leder nicht mehr gut verkaufen und man hat mit Hautschadenabzügen von 115 Franken pro Kälberhaut zu rechnen», weiss Samuel Graber, Servicetechniker Kälber und Rindermast bei Granovit und ehemaliger Berufskälbermäster.

Durch verbesserte Haltungsbedingungen lässt sich das Entstehen der Kälber- bzw. Rinderflechte verhindern. Hat sich die Flechte bereits ausgebreitet, muss diese mit äusserlich anzuwendenden Mitteln behandelt werden.

Parasiten sind oft Auslöser

Die Kälberflechte, oder auch Rinderflechte genannt, ist eine entzündliche Pilzerkrankung der Haut, die vom Pilz Trichophyton verrucosum ausgelöst wird. Kälber oder Jungrinder mit stabilem Immunsystem erkranken kaum an dieser Flechte. Tiere mit einem geschwächten Immunsystem und bereits vorhandenem Ektoparasitenbefall wie Läuse, Räudemilben oder Haarlingen sind eher von dieser Pilzkrankheit betroffen. Denn die durch die Parasiten vorgeschädigte Haut bietet eine optimale Eintrittspforte für den Pilz. Einmal infiziert, leiden die Kälber durch den Juckreiz an starkem Stress und Gewichtsabnahme. Im Kampf gegen die Rinderflechte ist eine Behandlung gegen Ektoparasiten deshalb wichtig.

Verschiedene Einflüsse begünstigen den Pilz

Die Erkrankung an Kälberflechte kann durch verschiedene Einflüsse zusätzlich begünstigt werden. Gemäss Kälbergesund-heitsdienst (KGD) kommt sie am ­häufigsten bei einer hohen Belegungsdichte und feucht-warmem Stallklima vor. Zudem begünstigen ihr Auftreten

  • eine hohe Luftfeuchtigkeit,
  • unausgewogene Fütterung,
  • ein strubbeliges Haarkleid,
  • und ein geschwächtes Immunsystem.

Eine BTS- (besonders tierfreundliche Stallhaltung) oder RAUS- (regelmässiger Auslauf) Haltung können das Infektionsrisiko minimieren. Der KGD empfiehlt deshalb:

  • viel Platz pro Tier zu schaffen.
  • eine Haltung in möglichst kleinen Gruppen.
  • den Stall mehrere Tage leer stehen zu lassen («Stall-brache»).
  • Vermeidung von Stress jeglicher Art.

Zusätzlich helfen regelmässige Hygienemassnahmen wie das Ausmisten und Desinfizieren des Stalls, um den Infektionsdruck zu reduzieren, sowie ein für den Pilz ungünstiges Stallklima zu schaffen, z. B. mit reichlich Einstreu, Licht und Ventilatoren, die die feuchte Luft aus dem Stall abtransportieren. Eine intensive Fütterung der Tränker sowie eine gute Versorgung mit Mineralstoffen, Spurenelementen und Vitaminen kann die Anfälligkeit für Flechten herabsetzen.

Grundimmunisierung für gesamte Herde nötig

Vorbeugend können die Kälber auch gegen Flechten geimpft werden. «Unter optimalen Bedingungen entwickeln Tiere auch ohne Impfung eine Immunität», so Corinne Bähler, Nutztierärztin und Kälberspezialistin. Durch das Impfen wird jedoch ein wirksamer Schutz aufgebaut. Sie empfiehlt daher, die Kälber bereits ab der vierten Lebenswoche zweimal im Abstand von 14 Tagen impfen zu lassen. Um die Pilzerkrankung flächendeckend zu beseitigen, ist eine Grundimmunisierung aller Tiere möglichst über mehrere Jahre nötig.

Äussere Behandlungen mit UV-C-Lampen

Werden aber einmal Flechten festgestellt, ist eine äussere Behandlung am Kalb nötig. Gemäss KGD sollten wiederholt lokale Waschbehandlungen z. B. mit dem Pilzmittel Imaverol durchgeführt werden. Das Präparat wird im Abstand von drei bis fünf Tagen mit einem Schwamm oder der Rückenspritze aufgetragen und ist unbedenklich.

Eine relativ gute Wirkung erzielen UV-C-Lampen gegen die Infektion. Sie werden am besten in 2,5 m Höhe über die Liegefläche aufgehängt. Pro 20 m2 ist eine Lampe nötig. Täglich – möglichst nachts – sollte das Tier vier bis sechs Stunden mit UV-C-Licht bestrahlt werden, zur reinen Vorbeugung reichen zwei bis vier Stunden täglich. «Das kann gut mit einer Schaltzeituhr geregelt werden», empfiehlt Samuel Graber. Gemäss KGD ist die Reinigung der Leuchtstoffröhren mindestens einmal pro Woche mit einem feuchten Lampen notwendig. So können Strahlungsverluste durch anhaftenden Staub reduziert werden. Aber Achtung: Die direkte Bestrahlung auf das menschliche Auge sollte vermieden werden (Gefahr der Schweissblende).

Effektive Hausmittel

Aber auch Hausmittel zeigen ihre Wirkung, stellt Samuel Graber fest. «Viele Bauern haben gute Erfahrungen mit Friteusenöl oder Lusolin-Öl gemacht. Die Flechten werden damit bepinselt und ersticken darunter.» Auch Zitronenwasser oder aufgehängte Berberitze kommen häufig zum Einsatz. «Eine Bäuerin hat mir erst kürzlich erzählt, dass sie eine gute Wirkung mit angefaulten Äpfeln erreicht hat. Auf die Flechte aufgetragen, erstickt diese darunter, wie es beim Öl der Fall ist», so Graber. In der Homöopathie wird als Mittel der Wahl Bacillinum aufgeführt, gefolgt von Psorinum und Sulphur, ergänzt Corinne Bähler. Bei hochgradiger bzw. anhaltender Flechtenerkrankung könne in Absprache mit dem Tierarzt die Impfung therapeutisch angewendet werden.

Die Kälberflechte kann nicht nur von Rind zu Rind übertragen werden, auch der Mensch kann sich mit der Flechte anstecken (siehe Kasten). Bei der Behandlung der Rinderflechte ist deshalb der eigene Schutz unbedingt mit Handschuhen und anschliessender Desinfektion der Hände zu gewährleisten.

 

Übertragung vom Rind auf den Menschen

Der Hautpilz Trichophyton verrucosum gehört zu den Zoonose-Erregern und ruft die Infektionskrankheit Rinderflechte hervor. Der Pilz befällt primär Rinder, kann aber auch andere Tiere und Menschen infizieren. Auch die Übertragung von Mensch zu Mensch ist möglich. Kleine Hautverletzungen dienen unter anderem als Eintrittspforte für den Pilz. Dabei sind Kinder besonders gefährdet, wie der Hautfacharzt Reinhard Höpfl gegenüber dem Online-Magazin «Landwirtschaftskammer Tirol» festhält. «Die Kopfhaut eines Kindes ist empfänglich und die Behandlung mit Tabletten bei Befall der Haare kann sehr langwierig sein», warnt der Hautfacharzt.

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Kommt man mit der Rinderflechte in Kontakt, kann es zu solchen Hautinfekten kommen. Auch bei Kindern.(Bild D@tderm)

Komplikation beim Mensch

Die entzündliche Hautinfektion kann auch zu Komplikationen beim Mensch führen. So können beispielsweise sekundäre bakterielle Infektionen, systemische Pilzinfektionen mit Fieber, Lymphknotenschwellungen und weitere Allgemeinsymptome sowie Haarausfall Folgeerkrankungen der Rinderflechte sein. 

Oftmals mit anderen Hautkrankheiten verwechselt 

Da die Rinderflechte bei den Menschen zu den seltenen Hauterkrankungen gehört,
wird der Hautpilz auch gern mit Ekzemen, Furunkeln oder der Schuppenflechte verwechselt.  

Medikamentöse Behandlung

Menschen, die sich über Kontakt mit infizierten Tieren angesteckt haben, können unter anderem mit Antimyotika behandelt werden. sjh