«Warum müssen die Kälber in diesen Hütten leben und können nicht bei ihrer Mutter sein?» Das ist eine Frage, die auf Milchviehbetrieben zuweilen für rote Köpfe sorgt. Dabei ist man sich in Züchterkreisen einig: Die Haltung von Kälbern in Einzeliglus hat die Kälbergesundheit massiv verbessert. Die isolierte Haltung verringert die Ansteckungsgefahr unter den Tieren. Dadurch fällt auch der Medikamenteneinsatz tiefer aus, was wiederum die Kosten senkt. Und das ist auch wichtig, denn der Wert eines männlichen Kalbes aus Milchrassengenetik vermag in den abkalbereichen Wintermonaten meist nicht einmal die Kosten einer einzelnen Medizinierung zu decken.

Keimfreie Umgebung

Tierärzte raten gar dazu, das Kalb nach der Geburt zwar zu trocknen, es aber dann möglichst rasch in ein frisch desinfiziertes Einzeliglu zu verfrachten und dort sofort mit vier Litern frischer Biestmilch zu versorgen. Das Idyll von den ersten gemeinsamen Stunden oder gar Tagen von Mutter und Kalb wird von Tierärztinnen und Tierärzten nicht verklärt. Denn die keimreiche Umgebung bei der Mutter bietet dem Neugeborenen nur einen zusätzlichen Infektionsherd. Also weg damit, in eine möglichst keimfreie Umgebung.

Kein Einzelgänger

Die Kritik der Konsumenten lässt nicht lange auf sich warten. Und auch der Schweizer Tierschutz möchte das Kalb nicht länger als ein paar Tage in dieser Haltungsform sehen. Zu gross seien die Einbussen, die das Tier aus verhaltenstechnischen Überlegungen hinnehmen müsse. Es ist nämlich weder ein Höhlenbewohner noch ein Einzelgänger. Stattdessen ist es ein Steppentier, das in freier Wildbahn in Gruppen im hohen Gras liegt. Und hier kommt auch gleich das nächste Problem: der Gewässerschutz. 2015 kam es zu einem Bundesgerichtsurteil, das als «Ursprung» für die aktuell geltenden Vorschriften im Zusammenhang mit Kälberiglus bezeichnet werden kann.

Streitfall in St. Gallen

Ein St. Galler Landwirt hatte Kälberiglus auf einer Wiese platziert, was zu einem gerichtlichen Streitfall führte. Diese streitige Kälberhaltung in Iglus ist in den Vollzugshilfen nicht geregelt. Das Gewässerschutzgesetz schreibt zwar vor, dass Hofdünger umweltverträglich und entsprechend dem Stand der Technik verwertet wird. Das Versickern von tierischen Ausscheidungen sei insoweit zulässig, als die Natur noch in der Lage ist, die Stoffmenge selber abzubauen. Ein richtiger Gummiartikel. Wann ist der Boden nun nicht mehr in der Lage, die Stoffmenge abzubauen? Tierhalter wissen, Kälber sind noch gesünder, stehen die Iglus auf naturbelassenen Böden, insbesondere dann, wenn zwischen den Umtrieben Ruhezeiten liegen oder die Iglus ab und an umplatziert werden. Doch diese Praxis gehört der Vergangenheit an. Das Kälberiglus gelten als Stallbaute beim Hof und müssen zwingend über einen abgedichteten Boden verfügen und an eine Güllegrube angeschlossen sein. Kontrolliert wird das, wie es sich für das föderalistische System der Schweiz gehört, ganz unterschiedlich. Während im Osten schon seit mehreren Jahren streng darauf geachtet werde, lässt sich der Agrarkanton Bern da etwas länger bitten. Ab 2022 soll es aber auch hier ernst gelten und beim Gewässerschutz etwas genauer hingeschaut werden.

Kein Verbot in Sicht

Die Herausforderungen für die Halterinnen und Halter von Kälbern in Iglus haben zugenommen. Dass es aufgrund dessen aber bald zu einem Verbot dieser Haltungsform kommen könnte, verneint das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) auf Anfrage der BauernZeitung. Das BLV ist sich der Problematik bewusst. Denn die Tierschutzverordnung fordert in Art. 38 Abs. 3 für Kälber bis vier Monate grundsätzlich Gruppenhaltung. Im Sinne einer Ausnahme ist gemäss demselben Artikel aber die Haltung von einzelnen Kälbern in Hütten (Iglus) mit dauerndem Zugang zu einem Gehege im Freien gestattet. Bei der Einzelhaltung in Hütten würden den Kälbern direkte Kontakte zu Artgenossen allerdings vorenthalten. Als Kompensation müsse die Haltung in Hütten daher möglichst «optimal» gestaltet werden, indem den Kälbern Sichtkontakt zu Artgenossen sowie jederzeit Zugang zu frischer Luft, Aussenklima- und Umweltreizen geboten werden, wie das BLV ausführt.

Besonnung im Winter wünschenswert

«Teilweise werden Hütten mit einzeln gehaltenen Kälbern angetroffen, die unter Dächern oder sogar in Unterständen oder Gebäuden platziert sind. In vielen dieser Fälle kann nicht oder kaum noch von dem in Art. 38 Abs. 3 geforderten Gehege im Freien gesprochen werden», heisst es beim BLV. Andererseits konstatiert das Bundesamt, dass es in der Praxis schwierig sei, Hütten so zu platzieren, dass sie den darin gehaltenen Kälbern unter allen Gesichtspunkten eine optimale Unterbringung gewähren. «So ist im Sommer zur Vermeidung von Hitzestress Schatten erforderlich, während im Winter die Besonnung von Hütte und Auslauf wünschenswert ist», so das BLV. Verboten wird das Einzeliglu vorerst nicht, aber die Platzierung dürfte aus Gewässerschutz- und Tierschutz-technischen Gründen zunehmend zur Knacknuss werden.