Viele alte Gemüse-, Acker- und Zierpflanzensorten sind im Laufe der Jahre verschwunden. Um bedrohte Pflanzensorten zu erhalten, müssen diese angebaut und Saatgut davon gewonnen werden. Die Stiftung Pro Specie Rara trägt zur ­Erhaltung der Sortenvielfalt bei. Sie kann auf Sortenbetreuer zählen, die in ihren Privatgärten seltene und fast vergessene Sorten anbauen, vermehren und das frisch geerntete Saatgut an die Samenbibliothek zurückschicken, wo über 1600 Sorten lagern. Am Tag der offenen Samengärten konnten sich Interessierte über das Handwerk der Saatgutvermehrung informieren.

Es blüht und summt

Wer den Samengarten in Nunningen SO besucht, sieht sofort, dass es sich um einen aussergewöhnlichen Garten handelt. In die Höhe geschossene Salate mit unzähligen Blütenständen, Baumspinat, Tomaten in diversen Grössen, Formen und Farben, Gurken, die aussehen wie Zitronen und vieles mehr wächst hier. Die Pflanzen stehen nicht in Reih und Glied und schön angeordnete Beete findet man keine. Der farbenfrohe, wilde Garten ist ein Paradies für Insekten. Es blüht und summt sogar beim Gemüse. Nicht nur seltene Gemüse-, Obst- und Beerensorten werden angebaut. Neben dem Samengarten befindet sich auch ein grosses Gehege mit Fehkaninchen und Appenzeller Spitzhaubenhühnern. Es ist das Reich von Nicole Egloff und Philippe Ammann. Sie gehören zum Netzwerk der rund 650 Sortenerhalter, die für Pro Specie Rara traditionelle ­Gemüse- und Zierpflanzensorten anbauen und sie so für die Zukunft erhalten. Um selektionieren zu können, pflanzen die Hobbygärtner pro Sorte mindestens zehn Setzlinge. «Nur die kräftigsten und schönsten Pflanzen werden zur Samengewinnung stehengelassen, der Rest dient der Selbstversorgung», erklärt Egloff auf dem Rundgang.

Viele Sorten sind verschwunden

Früher sei die Sortenvielfalt viel grösser gewesen und jeder habe sein Saatgut selbst hergestellt, so Egloff weiter. Heute ist ein grosser Teil der Garten- und Ackerpflanzen verschwunden. Die meisten modernen Sorten sind Hybriden, aus welchen sich keine Samen gewinnen lassen. Das Saatgut muss deshalb jedes Jahr gekauft werden. Weltweit werden 60 Prozent des Saatguts durch drei Konzerne kontrolliert. «Diese bestimmen letztlich, was wir essen, denn alles fängt beim Saatgut an», erklärt Egloff, der es darum wichtig ist, zumindest einen Teil des Saatguts selbst herzustellen: «Dann weiss ich, was ich habe». Doch nicht alles lässt sich problemlos vermehren. Bei Bohnen oder Tomaten gelingt dies relativ einfach und Salat versamt häufig von selbst. Anspruchsvoller ist die Vermehrung von Fremdbefruchtern wie Zucchetti oder Gurken. Und fast un­möglich ist die qualitativ gute Vermehrung von Rüebli oder Kohlarten. Das Inzuchtrisiko bei Kohlsorten ist zu gross. Rüebli, welche erst im zweiten Jahr Samen bilden, verkreuzen sich oft mit wilden Rüebli.

Wer zum Überleben von Raritäten beitragen möchte, erhält bei Pro Specie Rara ein Probierset mit drei einfachen Sorten. Um die Verantwortung für eine Sorte zu übernehmen, ist der Besuch eines Samenbaukurs Voraussetzung.

Weitere Informationen: www.prospecierara.ch