«Wir sind einfach zu finden», sagt Marie-Theres Widmer am Telefon, «man muss einfach dem Wegweiser zu den Erratischen Blöcken folgen, die neben unserem Hof liegen.» Die Findlinge sind stumme Zeugen aus der Eiszeit, vor über 10'000 Jahren hierhergeführt auf dem Rücken des Rhonegletschers und Attraktion für Erdwissenschaftler, Schulklassen, Kletterer und Wanderer.


Auf die Frage, ob es nicht mühsam sei, neben dieser «Sensation» zu wohnen, welche Wissbegierige aus der ganzen Welt anlocke, meint sie: «Ganz im Gegenteil! Wir lernen interessante Leute kennen, ich kann meine Sprachkenntnisse, die leider am Rosten sind, anwenden.» Zudem gäben ihr Begegnungen oft Gelegenheit, bäuerliche und politische Anliegen darzulegen.

Ausgebildet als Heilpädagogin


Marie-Theres Widmer ist nichtbäuerlicher Herkunft. Sie wuchs in einer Grossfamilie in Laufen BL auf. Ihren Eltern war das Engagement für soziale und christliche Werte wichtig. Das prägte sie. Nach der Schule absolvierte sie die Wirtschaftsmatur und später die vierjährige Ausbildung zur Klinischen Heilpädagogin an der Universität Freiburg. Nach ihrer Ausbildung war sie tätig als Heilpädagogin für geistig behinderte Erwachsene in Basel. Während dieser Zeit engagierte sie sich im Vorstand der Arche Hochwald SO, einem ökumenisch geführten Heim für geistig behinderte Menschen.

«Meinem Mann Franz-Sepp begegnete ich zum ersten Mal als 20-Jährige, bei seinen Eltern im Landdienst.» Beide gingen dann ihren Weg und trafen sich nach fünf Jahren an der Hochzeit einer Bekannten. «Von da an waren wir ein Paar», erzählt sie. Da sie wenig Ahnung hatte von der Landwirtschaft, absolvierte sie die Bäuerinnenausbildung am Kloster Fahr. Diese habe ihr den Einstieg in ihr neues Leben zweifellos erleichtert.

Als frisch verheiratete Frau kam sie mit 30 auf den Hof. Schon bald bildeten die Kinder Regina (21) und Matthias (19) den Mittelpunkt der Familie. Sie arbeitete noch einige Jahre Teilzeit auswärts und engagierte sich im Kirchenchor Aeschi, der neben Auftritten in der Kirche mit Aufführungen von bekannten Operetten brillierte. Strahlend erinnert sie sich: «Wir waren erfolgreich, boten in fünf Wochen 22 Aufführungen, die uns über 10 00 Zuschauer bescherten.» Ihren Schwiegereltern Frieda und Josef Widmer verdankt sie es, dass sie weiterhin arbeiten und zusätzlich ihren Hobbys frönen konnte.

Hofnachfolge ist gesichert


Tochter Regina wohnt noch daheim; sie studiert Medizin an der Universität Bern. Matthias ist im 3. Lehrjahr der Ausbildung als Landwirt im Bucheggberg. Die ersten zwei Jahre absolvierte er in der Romandie. Er will dereinst den Hof übernehmen. «Das ist für uns Eltern eine grosse Freude und eine Entlastung», sagt die Bäuerin.


Während der Schulzeit und heute noch sind Sohn und Tochter stark engagiert bei den Pfadfindern. Die Mutter ist überzeugt, dass in dieser Bewegung junge Menschen gefördert werden, in der Gesellschaft Verantwortung zu übernehmen. Es sei ihr deshalb nie zu viel gewesen, die Kinder an Anlässe zu fahren.

Zusammen mit einem Lehrling betreibt Franz-Sepp Widmer Milchwirtschaft, Viehzucht und Ackerbau. Die Bäuerin springt ein in Spitzenzeiten und wenn der Lehrling abwesend ist. Seit zwei Jahren ist sie Mitglied des Kantonsrats. In ihrer Herkunftsfamilie seien sie abstimmen und wählen gegangen. Dann habe sie in die alteingesessene Politikerfamilie Widmer eingeheiratet – ihr Schwieger-vater war Ammann und Kantonsrat – und sich rasch für Politik interessiert. Viele Jahre war sie Mitglied der Rechnungsprüfungskommission Steinhof und Bürgergemeindeschreiberin.


Als sie vor sieben Jahren von der Katholischen Bauernvereinigung des Kantons Solothurn angefragt wurde, ob sie auf der CVP-Liste für den Kantonsrat kandidieren wolle, sei sie noch nicht bereit gewesen. Doch anlässlich der letzten Wahlen habe sie sich aufstellen lassen. «Ich habe nämlich eingesehen», sagt sie, «dass wir Bauernfamilien vertreten sein müssen. Denn wir Bauern und Bäuerinnen können oft eine Sache oder eine Situation (er)klären, von denen nichtbäuerliche Parlamentarier häufig wenig Ahnung haben.»


Benildis Bentolila