Nach dem kühlen April ist für viele das Bedürfnis, das Thema Frost für diesen Frühling endlich abhaken zu können, gross. Doch mit den Eisheiligen vom 11. bis 15. Mai stehen nächste Woche nochmals Kalendertage an, die berüchtigt für Kälteeinbrüche und Frostnächte sind.

Meteorologischer Sonderfall

Als «Eisheilige» werden im deutschen Sprachraum die Tage vom 11. bis 15. Mai bezeichnet. Es sind die Namenstage von Mamertus, Pankratius, Servatius, Bonifatius und Sophie, die auf die Namen von christlichen Märtyrern und Bischöfen im 4. und 5. Jahrhundert zurückgehen. In Mitteleuropa sind die Eisheiligen eine sogenannte meteorologische Singularität, womit sie in die gleiche Kategorie fallen wie beispielsweise die Schafskälte, die Hundstage, der Altweibersommer oder das Weihnachtstauwetter.

Meteorologische Singularitäten, oder auch Witterungsregelfälle genannt, sind spezielle Wetterlagen, die zu bestimmten Zeitabschnitten im Jahr mit erhöhter Wahrscheinlichkeit auftreten. Sie sind meist durch viele Bauernregeln beschrieben, so zum Beispiel «Vor Nachtfrost du nicht sicher bist, bis Sophie (15. Mai) vorüber ist!».

Wie hoch ist die Trefferquote?

Doch wie zuverlässig sind diese Regeln und wie hoch ist die Trefferquote dieser Phänomene? Dies hängt stark davon ab, wie diese Regeln interpretiert und ausgelegt werden. Reduziert man die Regeln auf einzelne Lostage, so ist die Trefferquote meist nur gering, weitet man die Regeln auf einen etwas grösseren Zeitraum von 5 bis 10 Tagen aus, so sind sie oft erstaunlich zutreffend.

Auch die Region ist von Bedeutung, in gewissen Regionen Mitteleuropas sind die Regeln oft zuverlässiger als in anderen. In der Schweiz treten solche signifikanten regionalen Unterschiede in der Trefferquote von Bauernregeln bereits zwischen Ostschweiz und Westschweiz oder Mittelland und Alpentälern auf.

Rasante Erwärmung

Dass solche Witterungsregelfälle überhaupt auftreten, respektive dass sich gewisse Wetterlagen zu bestimmten Jahreszeiten häufen, ist dem Zusammenspiel zwischen Sonnenstand und grossräumiger atmosphärischen Zirkulation geschuldet. Im Falle der Eisheiligen ist dies nicht anders. Hier kann die rasch steigende und immer kräftiger werdende Frühlingssonne für den berüchtigten Kaltluftausbruch verantwortlich gemacht werden. Durch die zunehmende Tageslänge und den steileren Einfallswinkel der Sonne erwärmt sich die europäische Landmasse Ende April und Anfang Mai rasant, während der Atlantik nur langsam wärmer wird.

Dieser Temperaturunterschied führt dazu, dass sich im Nord- und Ostatlantik sowie über der Nordsee die Tiefdruckbildung verstärkt. Auf der Rückseite einesatlantischen Tiefdruckgebiets kann jeweils kalte Luft aus dem Polarkreis nach Mitteleuropa vorstossen. Je grösser die Tiefdruckaktivität ist, desto höher ist auch die Wahrscheinlichkeit, dass zumindest vorübergehend ein Schub Kaltluft die Schweiz erreicht. In dieser Kaltluft steigt dann jeweils auch das Risiko für Frost nochmals deutlich an.

Modelle: von mild zu harsch

Da dieser Prozess von anderen überlagert ist, tritt das Phänomen nicht jedes Jahr gleich ausgeprägt auf. Auch hält es sich nicht an einen konkreten Kalendertag, deshalb ist die wortwörtliche Interpretation der Regel oft sehr unzuverlässig.

Ein weiterer Grund, wieso meteorologische Singularitäten wie die Eisheiligen nicht auf einen einzelnen Kalendertag angewendet werden sollten, ist ein historischer. Die Bauernregeln, die diese Regelfälle beschreiben, stammen nämlich oft aus dem frühen Mittelalter. Seither haben mehrere Kalenderreformen die Tage verschoben – die «Kalte Sophie», die auf den 15. Mai gelegt ist, würde heute eigentlich dem 23. Mai entsprechen.

Eine klimatologische Auswertung von Meteo Schweiz hat 2019 ergeben, dass in der Schweiz zwischen dem 11. und 15. Maikeine statistisch signifikante Häufung von Nachtfrösten feststellbar ist. Hingegen ist beispielsweise in gewissen Regionen von Deutschland die Häufung stärker ausgeprägt.

Für die bevorstehenden Eisheiligen könnte der Witterungsregelfall wieder einmal kalendergetreu eintreten. Laut den Wettermodellen zeichnet sich zuerst eine äusserst milde Wetterphase am kommenden Wochenende ab. Die Nullgradgrenze kann gegen 4000 Meter steigen, im Mittelland werden verbreitet Höchstwerte von über 20 Grad erwartet.

Retourkutsche unterwegs

Diese warme Phase ist jedoch mit einer grossen Tiefdruckaktivität über dem Atlantik verbunden ist. Pünktlich zum Beginn der Eisheiligen zeigen die Modelle dann die Retourkutsche auf der Rückseite des Tiefs: Ein Schwall Kaltluft könnte Mitteleuropa und den Alpenraum zwischen dem 11. und 15. Mai erfassen. Je nach Modell geht dies mit Schneefall bis ins erhöhte Mittelland, grossen Niederschlagsmengen oder erneut hohem Frostrisiko einher.

Es scheint als könnten die Eisheiligen dieses Jahr ihrem Namen alle Ehre machen, obwohl die Details der Entwicklung noch etwas unsicher sind. Sollte sich das Szenario mit der tiefen Schneefallgrenze bewahrheiten, so besteht neben erhöhtem Frostrisiko auch das Risiko von Schneebruch an Bäumen.