Ein junger Stier springt über den Zaun zu einer Kuhherde. Knapp neun Monate später gebiert Jolanda, eine RH-Kuh dieses Bestands, ein schönes Stierkalb. Das, obwohl sie gesext besamt wurde. Der Züchter entscheidet, das Kalb aufzuziehen, um es später als Zuchtstier einzusetzen. Längst hat er vergessen, dass der Stier des Nachbarn über den Zaun sprang. Dass Jolanda damals stierig gewesen sein könnte, war ihm entgangen. Dem Stier aber nicht. Das Kuckuckskind der Liebe bleibt unbemerkt.

Natursprungstiere werden genomisiert

Dinge, die immer wieder passieren, wie Matthias Schelling, Direktor Swissherdbook, weiss. Ab sofort werden solche Kuckuckskinder in Viehbeständen der Swissherdbookmitglieder erkannt. Denn ab heuer werden alle Natursprungstiere typisiert. Bislang war das lediglich bei den Rassen Simmental und Swiss Fleckvieh der Fall. Neu soll auch das Genom aller RH- und HO-Stiere bestimmt werden. «Das bringt den Züchtern grosse Sicherheit», so Schelling.

Mit der Typisieren wird eine Abstammungskontrolle möglich und Kuckuckskinder, wie im Fall der Kuh Jolanda, aufgedeckt. Zudem können Erbfehler frühzeitig erkannt werden. «Aus der Sicht des Munihalters sind wir verpflichtet, ihm so gute und so genaue Infos über das Tier zu geben, wie nur möglich», erklärt Schelling. Und die Genomik biete höchste Genauigkeit. «Heute sind genomische Werte mit Resultaten von Teststieren gleichzusetzen, die in den zweiten Einsatz gehen.»

Typisierung vor Einsatz des Stiers

Die Frage, ob mit dieser Neuerung die Exterieurbeurteilung nicht überflüssig würde, verneint Schelling. Denn nur, wenn ein Stier auch eine solche Beurteilung aufweist, trägt Swissherdbook die Kosten der Typisierung. Diese kann bereits als Kalb vorgenommen werden, und dürfte dann in den Entscheid einfliessen, ein Stierkalb überhaupt aufzuziehen. In diesem Alter berappt der Züchter die Typisierung erst mal selber, bekommt die Kosten aber zurückerstattet, sobald er den Stier in seinen äusseren Werten beurteilen lässt.

In jedem Fall muss die Typisierung aber vor dem ersten Einsatz des Stiers in der Zucht geschehen, nur dann sind seine Nachkommen herdebuchberechtigt. Den Wert einer soliden Abstammung und das Wissen um Linien sieht Schelling durch die Neuerung auch nicht in Gefahr. «Wir haben hier ein zusätzliches Werkzeug zur Verfügung», sagt er. Was die Züchter damit tun, sei jedem selbst überlassen. Die genomischen Werte der RH- und HO-Stiere stehen dem Züchter jederzeit zu Verfügung, aufgrund internationaler Zusammenarbeit werden sie allerdings erst im Alter von 36 Monaten auf den Papieren sowie auch online veröffentlicht. Bei den SF- und SI-Stieren stehen sie hingegen bereits nach Bekanntwerden auf deren Scheinen. Dort ändert lediglich der Preis für den Abstammungsausweis, dieser wird neu 1 Franken günstiger und ist damit gleich teuer, wie jener der RH- und HO-Tiere.

Simone Barth