Ungeachtet der anhaltenden Corona-Krise konnte das Swiss Agroforum am Freitag als eine der wenigen grösseren Veranstaltungen im Agrarkalender ohne Absage und grössere Einschränkungen über die Bühne gehen. Etwas ungewohnt war, dass nicht nur das Publikum, sondern auch die meisten Referenten mit Maske auftraten, das tat dem Gehalt des Inhalts aber keinen Abbruch.

Aldi Suisse-Chef Timo Schuster geht

Im Mittelpunkt stand das Thema Qualität. Obwohl dieses auf den ersten Blick relativ abgedroschen erscheint, enthielten die Präsentationen einiges an interessanten Inhalten. Dies galt insbesondere für die beiden Detailhandelsvertreter, die ans Rednerpult standen.

Ferdinand Hirsig, unlängst abgetretener Volg-Chef und ein alter Haudegen des Detailhandelsgeschäfts traf hier auf Jérôme Meyer, Managing Director von Aldi Suisse. Dieser sprach anstelle von Timo Schuster, der soeben bekanntgegeben hat, dass er seinen Posten als Landesgeschäftsführer Schweiz von Aldi verlassen wird.

Meyer wurde von einem Fragesteller bereits als künftiger Chef von Aldi Suisse angesprochen, dieser verneinte aber und meinte, er sei ab sofort lediglich ein chefloser Angestellter der Firma. Meyer, ein Agronom, nahm die Gelegenheit aber wahr, die Strategie von Aldi auf recht überzeugende Art rüberzubringen.

Von einer Mio Kunden/Jahr zu einer Mio Kunden/Woche

Er schilderte die Schweizer Entwicklung des deutschen Retailers seit dem Markteintritt im Jahr 2005. Seit damals ist einiges gegangen. Während man im ersten Jahr rund eine Million Kunden verzeichnen konnte, liegt die Marke heute der gleichen Zahl pro Woche. Gleichzeitig hat sich Aldi stark eingeschweizert. Der Markteintritt war zwar geplant, wie von einer Armee, so Migros-Marktforscher David Bosshart, CEO des Gottlieb Duttweiler Instituts.

Schnell mussten die deutschen Discounter aber feststellen, dass sich der Schweizer Markt stärker unterscheidet vom Schweizerischen, als man das ursprünglich meinte. Deshalb sind nicht nur die Läden unterdessen kundenfreundlicher und edler gestaltet als zu Beginn. Auch die einfachen Kassen behagten dem heimischen Publikum nicht, deshalb wurde hier ebenfalls neugestaltet.

In der gleichen Zeit nahm die Anzahl Mitarbeiter von 110 auf 3500 zu. Diesen bezahle man nach wie vor die besten Schweizer Detailhandelslöhne, sagte Meyer nicht ohne Stolz. Man versuche stark, vermehrt in urbanen Zentren, Fuss zu fassen. Ursprünglich belegte Aldi vor allem «Agglo-Standorte», bis heute stünden erst 30 Prozent der Filialen im städtischen Gebiet, diesen Anteil wolle man deutlich erhöhen, so Meyer.

Aldi Suisse will noch mehr Fokus auf Bio

Ebenfalls verändert hat sich das Sortiment. Die Anzahl Artikel wurde in den letzten 15 Jahren von 800 auf 1600 verdoppelt. Desgleichen hat der Anteil Frischware stark zugenommen. Laut Meyer sind die wichtigsten Qualitätsfaktoren für Aldi Suisse Frische, Regionalität und Swissness. Über 50 % der Frischprodukte stammten unterdessen aus der Schweiz, sagte er. Bei Rind-, Kalbs- und Schweinefleisch sei man ab diesem Jahr zu 100 % Schweizerisch, beim Poulet daure es noch etwas. Dieses Schicksal teilt Aldi aber mit den Konkurrenten.

Weiterwachsen will Aldi Suisse auch im Biobereich. Hier sei die Einführung des Weidebeef-Programms sehr erfolgreich verlaufen, sagte Meyer. Man hoffe, dass man demnächst die Knospe werde benützen dürfen, diese sei ein Toplabel, deshalb arbeite man schon heute mit Bioprodukten auf Knospelevel.

Volg: «Weder Bio, noch Premiumlinien noch Insekten»

Etwas anders tönt es bei Volg. «Wir machen weder Bio, noch Premiumlinien noch Insekten», sagte Ferdinand Hirsig. Seit der Jahrtausendwende setze der vor allem ländlich verankerte Detailhändler auf die Nische, welche sich zwischen Migros, Coop und Discountern auftut, erläuterte Hirsig, der bei Fenaco nach wie vor die Division Detailhandel/Energie leitet.

Hirsig betonte, wie wichtig es sei, die Erwartungen der Kunden zu erfüllen. Wichtigste Elemente seien hier helle und gut eingerichtete Läden, gute Erreichbarkeit, ein Sortiment, das die Bedürfnisse der ländlichen Kundschaft erfüllt, vernünftige aber nicht tiefstgelegte Preise («8 % teurer als Coop»), eine hohe Dienstleistungsbereitschaft und «last but not least» die Menschen. «Ohne meine Frauen wären wir nichts», sagte er mit Bezug auf die meist gut in den Dörfern verankerten Verkäuferinnen. Diese seien auch stets bereit zu einem Schwatz, aber eben über das neuste Männerchortheater und nicht über die Operpremière.

Hirsig holte geschichtlich weit aus und beschrieb die Entwicklung der Branche von der Gründung der ersten Detailhändler im 19. Jahrhundert bis zum modernen Online-Handel via Smartphone. Wenn die jüngste Entwicklung etwas gezeigt habe, dann dass der Detailhandel nach wie vor stationär sei, an dem werde sich auch nicht so schnell etwas ändern. Allerdings gelte das nur für diejenigen Geschäfte, die auch eine Existenzberechtigung hätten. «Wenn Sie einen Laden haben, der weisse Hemden verkauft, werden Sie nicht lange überleben», so Hirsig, «das kann das Internet besser.

Für zehn Löcher brauchts keine Top-Bohrmaschine

Anders als Aldi Suisse, der vermehrt in die Städte will, werde Volg auf künftig aufs ländliche Publikum fokussieren und dabei Ladengrössen von 60-400 Quadratmetern bewirtschaften. Eine seiner Erkenntnisse aus der Corona-Zeit sei, «dass die Stadt gar nicht mehr so sexy ist», so Hirsig. Alle wollten aufs Land und dort eben im Volg oder in der Landi einkaufen.

In seiner Funktion ist Hirsig auch zuständig für die Landi-Läden. Hier versuchte er das schlechte Image in Sachen China-Importe zu entschärfen. Nur ein kleiner Teil der Produkte stamme aus dem Reich der Mitte, 53 % Prozent aber aus der Schweiz. Was die Qualität angeht, sei es wichtig zu unterscheiden, Qualität habe auch den Faktor Preis. «Wenn einer im Jahr zehn Löcher bohrt, braucht er wahrscheinlich keine Hilti-Bohrmaschine», sagte er zur Verteidigung von günstigen Landi-Eigenmarken wie Okay. Auch hier gehe es wieder um die Bedürfnisse der Kundschaft.

 

Swiss Agroforum neu an der BEA

Das Swiss Agro Forum findet 2021 zum zehnten Mal statt. Im Jubiläumsjahr kommt es zu einem Wechsel der Lokalität, wie die Organisatoren am Freitag mitteilten. Nach neun Austragungen im Feusi Bildungszentrum in Bern wird die Veranstaltung zukünftig während der BEA durchgeführt. Die nächste Ausgabe ist deshalb bereits am 7. Mai 2021 geplant.

Die Idee sei von den Verantwortlichen der Bernexpo Groupe gekommen und bei Agroforum-Organisator Matthias Zurflüh sofort auf offene Ohren gestossen. «Wir waren uns schnell einig, dass aus der Partnerschaft eine Win-Win-Situation entstehen wird. Mit dem Umzug kann die BEA ihren Ausstellern aus dem Lebensmittel- und Landwirtschaftssektor einen Mehrwert bieten und wir können mit der Veranstaltung ein sanftes Wachstum anstreben», lässt sich Zurflüh in einer Mitteilung zitieren. 

Mit dem Umzug an die BEA ändert sich die Programmstruktur des Swiss Agro Forums. Der Anlass konzentriert sich zukünftig auf den Vormittag und schliesst mit einem Stehlunch um 13 Uhr. Als Referenten zum Thema «Unternehmenskultur stärken: Erfolgreiche Führungsansätze» konnte Organisator Matthias Zurflüh für die Ausgabe 2021 unter anderen Albert Baumann, CEO Micarna, Mario Irminger, CEO von Denner und «Mr. Corona» Daniel Koch gewinnen.