Die Red-Holstein-Kuh stehe nicht nur zahlenmässig massiv unter Druck, sie gehe auch exterieurmässig in eine falsche Richtung, wird von der Züchterschaft behauptet. So sei die Zunahme von ansteigenden Becken, welche für eine schlechte Fruchtbarkeit und eine schlechte Abkalbeeigenschaft verantwortlich sind, ein zunehmendes Problem. Es sei unverständlich, dass Swissgenetics immer noch Stiere selektioniere, welche ansteigende oder schmale Becken vererben oder ihre Mütter in diesen Positionen schlecht beschrieben seien.
Die drei Optimis-Stiere
«Das beste Beispiel sind die Optimis-Stiere Atlas, Roger und Lothar Z PP. Alle drei RH-Stiere vererben hier negativ», ärgert sich ein Oberländer Züchter, der nicht mit Namen erwähnt werden möchte. Zum Beispiel sei die Mutter des Stieres Lothar Z PP im Becken nur mit der Note 67 und die Grossmutter mit der Note 78 linear beschrieben. «Der Schweizer Züchter ist sensibilisiert auf gute Euter. Deshalb versuchen wir Vererber mit guten Noten im Euter zu finden», sagt René Bucher, Teamleiter Marketing bei Swissgentics. «Wir werden auch immer restriktiver in Bezug auf das Becken», hält er fest. Und: «Roger und Atlas-ET vererben nicht die breitesten Becken, aber die Beckenneigung lässt sich sehen.»
Wenig gute Vererber für Hornlosigkeit
Lothar Z-ET PP sei übrigens bezüglich Becken ein guter Stier mit den Werten von 101 in der Beckenneigung, 102 in der Lende und gar 107 Punkten in der Beckenbreite. «Wie überall auf der Welt müssen manchmal Konzessionen gemacht werden. Bei Lothar Z PP in Bezug auf die Stierenmutter», sagt René Bucher. Swissgenetics müsse auch Stiere ankaufen, welche für bestimmte Zuchtsegmente, wie zum Beispiel die genetische Hornlosigkeit, geeignet seien. Denn in der Red-Holstein-Population sei das Hornlos-Gen in reinerbiger Form – gleich wie bei anderen Milchrassen – (noch) nicht weit verbreitet. So decken im Markt einige Stiere ein bestimmtes Segment ab, was wiederum ein anderes Segment nicht befriedige. «Das war genau bei Lothar Z PP der Fall. Reinerbig hornlos und ein Stier für die Züchter, welche 100 % hornlose Nachkommen wollen», hält der Swissgenetics-Mitarbeiter fest. Es gebe zudem wenige reinerbige hornlose Vererber auf dem Markt. «Dasselbe gilt für Alesio SG, der von Züchtern im Käserei-Gebiet nicht eingesetzt wird, da er im Fettgehalt –0,18 % und das Kappa-Kasein BE vererbt, aber hingegen auf den Betrieben, die die Produktion erhöhen wollen (+2082 kg Milch) sehr beliebt ist», zählt Bucher die Kriterien auf.
Züchter wollen solide Tiere
Durch den breiten Einsatz von Stieren mit viel Blut von Apple (RH), Atwood und McCutchen (HO) in den letzten Jahren, gelte es aber jetzt der Beckenneigung und der Lendenstärke besonders erhöhte Aufmerksamkeit zu schenken. «Wir kaufen fast keine Stiere mehr an mit negativen genomischen Werten in der Beckenneigung», sagt der Kommunikationschef. Die Züchter wollen solide Tiere und Swissgenetics sehe es in den Verkaufszahlen, dass die komplettesten Stiere wie Airolo-ET, Swingman-ET, Arland SG-ET, Lothar Z-ET PP, Power-ET, Amaro P, Alo-York-ET, Jackpot-ET PP, Brenaco-ET und Crown-ET am meisten eingesetzt würden.
Wie Pickel und Stadel
Viele Züchter wünschen sich Stiere zurück wie es die Altmeister Pickel oder Stadel waren. So haben ihre schönen Töchter in den Ställen für nachhaltigen Einfluss gesorgt. «Es gibt auch heute noch absolute Top-Stiere», ist René Bucher überzeugt. Der Unterschied zu den «Legenden» von früher sei die Anzahl Töchter und damit auch die Anzahl an «schwärmenden» Züchtern. Durch die genomische Selektion habe sich die Zucht enorm beschleunigt. «Will heissen, dass ein neuer Stier bei der nächsten Zuchtwertschätzung schon ein alter ist, was früher nicht der Fall war», hält er fest.
Heute neu, morgen schon alt
Zudem steige die Nachfrage nach neuen Stieren laufend an. «Auch der Top-Stier von heute wird ziemlich schnell von noch besseren verdrängt. Er schafft niemals mehr die Anzahl Töchter, wie dies noch die Legenden wie Pickel oder Stadel über Jahre erreichen konnten», weiss René Bucher. Hinzu komme, dass oft vergessen werde, dass ein Stier, von dem einer schwärmt, vom Nachbarn mit einem anderen Produktionssystem nicht eingesetzt werde. Swissgenetics wolle aber letztendlich Stiere für alle Züchter und für alle Milchviehhalter anbieten.