Winterzeit ist Schärzeit: Auch ich habe kürzlich bei einer guten Freundin die Rinder von ihrem dicken Pelz befreit. Gusti scheren mache ich eigentlich noch gerne, da kommt nach der Schur immer ein ganz anderes Rind zum Vorschein. Das ist wie bei den Frauen, wenn sie nach einem Coiffeurbesuch nach Hause kommen, dann sehen sie auch immer zehn Jahre jünger aus als sonst. Gut, dieser Zustand hält ja leider nicht allzu lange an.

Beim Rinderschären kannst du deine Gedanken nicht allzu weit schweifen lassen, sonst hast du schnell eins am Gring. Bei einem schönen Gusti nehme mich mir mehr Zeit, erst recht, wenn es die Prozedur geniesst und den Kopf schön hinhält. Bei einem Rind, dass mir den ganzen Sommer schon nicht gefallen hat, geht es schneller, das wird auch nach einer Schnur nicht zur Schönheitskönigin, denke ich mir.

Angst vor Veränderung

Eins nach dem anderen wird an den Halfter genommen und zum Schärstand geführt. Einige Rinder führen sich auf, als hätte ihre letzte Stunde geschlagen. Wenn sie wüssten, dass es ihnen nach der Schur viel besser geht. Keine juckende Laus, die ihnen das Leben zur Hölle macht, kein wärmendes Haarkleid, das zu schwitzen beginnt. Es ist halt wie bei den Menschen, die reagieren auf Neues auch zögerlich und merken erst später, dass es für sie von Vorteil ist.

Nachbesserungsbedarf beim Rind und beim Menschen

Ist das letzte Rind geschoren, kommt Zufriedenheit auf. Schön sehen sie aus in ihrem Haarkleid. Gut, erst jetzt sehe ich die Fehler meiner Künste. Bei diesen Rind hätte ich es besser machen können, bei einem anderen habe ich eine Stelle vergessen. Schnell lasse ich die Maschine noch einmal laufen. Es ist fast so, als wenn man nach dem Coiffeurbesuch nach Hause kommt, vor dem Spiegel steht und die Arbeit des Friseurs nachbessert. Vorsichtshalber schneide ich jetzt meine Haare selber. Was? Nein, nicht mit der Viehschäri dänk.