Die Nachkommen der Milchkühe, welche nicht für die Nachzucht bestimmt sind, machen in der letzten Zeit Schlagzeilen. «Sie leben keine sieben Tage mehr», klagte ein Zeitungsartikel.


Zusätzlich löste das Schicksal der unerwünschten männlichen Nachkommen von Hochleistungskühen einen Vorstoss der Nationalrätin Maya Graf (Grüne/BL) aus. Graf verlangte in einem Postulat vom 20. März 2015 vom Bundesrat,

- dass es keine Frühschlachtungen von Kälbern mehr gebe, denn das sei unethisch und
- für Kälber müsse eine Mindesthaltedauer von 12 Wochen gelten, wenn der Halter Beiträge für graslandbasierte Milch- und Fleischproduktion, BTS und RAUS wolle.


Der Bundesrat verwies in seiner Antwort auf Artikel 10 der Verordnung vom 23. November 2015 über das Schlachten und die Fleischkontrolle, nach der Tiere, die weniger als sieben Tage alt sind, nicht geschlachtet werden dürfen. Weiter verweist der Bundesrat in seiner Antwort auf das Spermasexing, womit die besten Milchkühe gezielt für weibliche Kälber und andere Milchkühe mit Spermien einer Fleischrasse besamt werden können. Das sei eine Lösung, um  unerwünschte Stierkälber zu verhindern.


Jetzt mischt sich der Tierschutz  ein


Auch Nationalrätin Isabelle Chevalley (Grünliberale/VD) verlangte schon 2012 in einer An­frage Massnahmen, um die Schlachtung «überzähliger» neugeborener Kälber zu verhindern. Auch hier verwies der Bundesrat auf das Spermasexing.

Der Schweizer Tierschutz (STS) stellte in einer Medienmitteilung unter dem Titel «Keine Chance zu leben» vom vergangenen Februar drei Forderungen an die Viehhalter auf:

- Der STS ruft die Milchviehhalter auf, aus ethischen Gründen keine neugeborenen, unerwünschten Kälber zu töten.
- Kurz- und mittelfristig könne das Spermasexing die Probematik entschärfen.  
- Langfristig müsse die Tierzucht und Agrarpoltik in der Schweiz ein Gegenmodell zur weltweit betriebenen, industriellen Billigst-Milchproduktion sein.
- Der STS fordert, dass Kälber frühestens im Alter von 60 bis 90 Tagen geschlachtet werden dürfen.


Ein der «BauernZeitung» bekannter Kälbermäster findet sowohl die von der Grünen Nationalrätin Maya Graf geforderte Mindesthaltedauer von 12 Wochen wie auch die vom STS geforderte früheste Schlachtung im Alter von 60 bis 90 Tagen nicht praxisgerecht. Er schlägt eine Mindesthaltedauer von 40 Tagen auf dem Geburtsbetrieb vor, denn dann könne das Kalb entweder geschlachtet oder weitergemästet werden.

Die Viehhalter kennen das Problem - und tagen schon


Das Problem mit den unerwünschten Stierkälbern von stark milchbetonten Kühen ist den Kälbermästern und Rindviehhaltern aber sehr wohl bekannt. Deshalb wurde kürzlich die Arbeitsgruppe (AG) «Tränkergesundheit und Tränkerschlachtungen» gegründet, um für die Verwertung dieser Kälber eine Branchenlösung zu suchen unter Wahrung von ethischen Standards. Peter Schneider von der Branchenorganisation Proviande leitet diese AG. Schneider zählt drei Ziele auf, über die sich AG Gedanken gemacht hat:

- Für alle Tränkekälber soll eine Mindestdauer auf dem Geburtsbetrieb eingeführt werden.
- Mit der richtigen Fütterung könnte das Immunsystem der Kälber gestärkt werden.
- Kälber- und Grossviehmäster profitierten von robusteren Tieren zur Weitermast.
- Dadurch könnte auch der Antibiotikaverbrauch in der Kälbermast sicher stark reduziert werden.


Neue Mindesthaltedauer ab Mitte Herbst


Das Problem mit den Schlachtungen von sieben Tage alten Kälbern sollte damit auch erledigt werden, betont Peter Schneider. «Jedoch soll man völlig ungenügende Tränker nach wie vor schlachten können.» Zurzeit rede man über die Mindesthaltedauer, verrät Schneider, «aber ich sage bewusst noch keine Zahlen». Die Mindesthaltedauer auf dem Geburtsbetrieb könne einfach via der Daten in der Tierverkehrsdatenbank kontrolliert werden, erklärt Schneider.

«Als Nächstes erfolgt ein Gespräch mit dem Schweizer Tierschutz», blickt Schneider nach vorne, «und am 28. Juli wird die AG erneut tagen», weiss er. Die Zeit drängt, denn die AG hat sich zum Ziel gesetzt, ab Oktober die neue Branchenregelung in Kraft zu setzen. «Denn ab Oktober folgt die neue Abkalbesaison, und ab dann sollte die neue Mindesthaltedauer auf dem Geburtsbetrieb gelten», schliesst Schneider.

Hans Rüssli