Die Grossverteiler beteiligen die Labelproduzenten laut Ihrer Recherche nur ungenügend am Endverkaufspreis, woran liegt das?

Stefan Flückiger: Wir haben nicht nur die Grossverteiler, sondern auch die Discounter analysiert. Bei beiden sind die Produzentenanteile bei den Labels deutlich geringer als beim konventionellen Sortiment. Obwohl es die Produzenten sind, die die Tierwohl-Mehrwerte erzeugen, können sie nur zu einem geringen Teil davon profitieren. Weil der Markt seine Verantwortung nicht übernimmt und die bestellten Tierwohlleistungen nur ungenügend abgegolten werden, stellen wir das Funktionieren der Märkte dringend in Frage.

Die Labelmargen sind massiv grösser als bei den konventionellen Produkten, aber der Absatz stockt. Wollen sie gar nicht mehr verkaufen?

Gemäss Marktanalyse sind die verzerrten Preisrelationen der Hauptgrund für die Stagnation bei Labelfleisch. Die Preise der konventionellen Sortimente werden im umkämpften Tiefpreismarkt künstlich tief gehalten und unter ihrem normalen Wert angeboten. Dies ist eine einseitige Absatzförderung, die nicht der Kostenwahrheit entspricht und als «Dumping» auf Kosten der Tiere bezeichnet werden kann. Dadurch entstehen überhohe Preisdifferenzen zum Labelfleisch, das durch die preislich unattraktive Positionierung sein grosses Potenzial nicht ausschöpfen kann.

Sie haben markante Unterschiede zwischen Grossverteilern und Discountern festgestellt. Sind Letztere fairer im Umgang mit den Bauern?

Nein, dies ist nicht das Ergebnis der Studie. Wir haben nicht die Margen per se in den Mittelpunkt gestellt, sondern die Preisrelationen. Wir haben die Discounter nur getrennt dargestellt, weil diese ganz andere Kostenstrukturen aufweisen. Bei beiden entstehen mit der heutigen Margenkalkulation Labelpreise, die übermässig teuer und im Markt nur begrenzt konkurrenzfähig sind. Diese Aussagen gelten für Grossverteiler und Discounter, wenn auch auf unterschiedlichem Niveau.

Mit seinen Tierwohlprogrammen subventioniert der Bund die Grossverteiler quer und will dies mit der AP 22+ noch ausbauen, macht das Sinn?

Das nachhaltig erzeugte Produkt wird im Markt benachteiligt und ungenügend abgegolten, was belegt, dass der Markt nicht funktioniert. Da der Bund gemäss Verfassung für eine nachhaltige Produktion zu sorgen hat, muss er hier lenkend eingreifen. Konsumenten, die Produkte konsumieren, die in der Herstellung nur dem gesetzlichen Minimum entsprechen und Tierwohl-Kosten outsourcen, sollen dafür bezahlen. Demgegenüber sollen tierfreundlich erzeugte Produkte profitieren. Diesen Lenkungseffekt muss der Bund sicherstellen und somit die Tierwohlprogramme deutlich aufstocken.

Die Kampagne wurde ursprünglich mit den Labelorganisationen der Agrarallianz geplant, warum sind diese jetzt nicht mehr dabei?

Die Kampagne Absatzoffensive Labelfleisch ist breit aufgestellt und hat verschiedene Etappen, auch wirken unterschiedliche Partner mit. Damit soll verhindert werden, dass die erfolgreich aufgebaute Tierwohlbewegung, die für das Image der ganzen Land- und Ernährungswirtschaft ein sicherer Wert war, scheitert. Ja, ursprünglich war geplant, verschiedene Organisationen der Agrarallianz auch in der 1. Phase einzubinden. Obwohl man gemeinsam immer stärker ist, beurteilten einige ihre Risiken kurz vor dem Start als zu gross.

Sie stellen eine Reihe von Forderungen an die Grossverteiler, glauben Sie, dass Sie damit irgendetwas bewirken?

Es sind Forderungen an Marktakteure, KonsumentInnen und die Politik. Wir erwarten von den verschiedenen Akteuren eine kooperative Zusammenarbeit zur Ankurbelung der Tierwohlbewegung und dass gemeinsam Massnahmen in die Wege geleitet werden können. Wir sind überzeugt, dass nur eine Win-win-win-Situation zwischen Produzenten, Abnehmern und Konsumierenden – und letztlich auch den Tieren und der Umwelt – langfristig erfolgversprechend sein kann.

Welches sind die Druckmittel?

Die Kampagne beinhaltet Öffentlichkeitsarbeit, Marktmonitoring, Koordination von Massnahmen mit Akteuren, Konsumenten und Politik sowie Forschungsarbeiten.

Interview (schriftl.)

 

Detailhandel straft die Label ab

Dieses Interview ist Teil des Beitrages «Detailhandel straft die Label ab». Hier geht es zum Hauptartikel.