Als sie noch Kinder waren, spielten die 17-jährigen Zwillinge Jael und Simona Kramer «Altersheim» mit dem Grosi. Vor dem Zubettgehen wurde ein «Eile mit Weile» oder «Mühle» mit dem Grossvati gemacht. Luca Kramer, 13, isst noch manchmal bei den Grosseltern Ruth und Ernst Spengler, aber nicht mehr so oft. Mit den Teen-Jahren ändert sich die Beziehung zwischen Grosseltern und Enkeln. Brauchen die Jungen die Grosseltern überhaupt noch – oder einfach anders? Jael, Simona und Luca wohnen auf dem Sonnenhof ausserhalb von Schaffhausen. Sie und ihr Grosi Ruth erzählen von ihrer Beziehung zueinander.

 

Ruth Spengler: «Ich schätzte meine Enkel sehr»

«Ich empfinde es als Privileg, im gleichen Haus mit meinen Enkeln zu wohnen. Als die Kinder klein waren, haben wir sie oft gehütet, wenn ihre Mutter weg musste. Das war eine schöne Zeit. Kleine Kinder sind echt und sagen einem die Wahrheit. Wie Luca, der als Fünfjähriger zu mir sagte: ‹Grosi, du spinnst.› Teenager haben eher Hemmungen, sind auch manchmal launisch. Wir Grosseltern dürfen das nicht persönlich nehmen.

Diese Zeit der Ablösung ist mit Wehmut verbunden, sie ist aber ein normaler Prozess. Es ist schön zu sehen, wie sie ihren Weg gehen und zu wissen, es kommt gut. Es gibt den Spruch: ‹Alles hat seine Zeit.› Dieser gilt auch für uns und unsere Aufgaben. Unsere Enkel gehören immer noch zu uns. Wir leiden und freuen uns mit ihnen.

Das Flicken für sie bietet Gelegenheit für Gespräche, bei denen man einander wieder spürt. Wenn sie sich ein wenig Zeit nehmen und ein paar Worte mit mir wechseln, das freut mich. Was mir manchmal Mühe macht ist, dass die junge Generation so schnell und undeutlich spricht und einen nicht anschaut beim Reden. Wir hören halt nicht mehr so gut. Manchmal huschen sie einfach so an dir vorbei. Wir machten es ja auch so bei unserer Grossmutter. Sie haben einfach anderes im Kopf.

Wichtig ist, dass wir nicht über andere schimpfen, dass wir immer etwas Positives suchen und die Hoffnung nicht aufgeben. Ich schätze meine Enkel sehr. Sie sind freundlich und lieb.»

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Grosi Ruth Spengler beim Flicken. Das kann sie laut Enkelin Jael sehr gut.

Jael Kramer: «Grosseltern sollten wissen was ‹in› ist»

«In meinem Alter braucht man die Grosseltern weniger, aber es ist schön, wenn man es gut hat miteinander. Grosi flickt meine Sachen – das kann sie wirklich gut. Sie backt sehr gute Guetzli, von denen gibt sie mir jeweils. Gelegentlich brauche ich ihre Hilfe bei den Schulaufgaben. Grossvati fährt mich manchmal, wenn ich weg muss. So hilft er mir und ich beschäftige ihn gleichzeitig, das ist gut.

Ich finde meine Grosseltern schon ein bisschen altmodisch. Wir gehen nicht mehr mit, wenn sie ausfahren. Sie gehen über die Felder und schauen den Raps an. Bei ihren ‹Oma-Konzerten› kommen wir uns komisch vor. Da sind mehrheitlich alte Leute. 

Ich finde es wichtig, dass die Grosseltern sich für die heutige Jugend interessieren und wissen, was ‹in› ist; auch in der Mode. Grosi findet die Hose mit Löchern mega schlimm und möchte sie flicken. So laufen heute aber alle herum.

Grosseltern sollten nicht die Rolle der Eltern übernehmen. Sie sind einfach die Grosseltern. Das ist ein Unterschied, das müssen sie einsehen. Sie dürfen schon mal was sagen, aber sie sollen es den Kindern überlassen, was sie damit machen. Wenn die Grosseltern offen sind, dann hast du auch die bessere Beziehung mit ihnen.» 

 

Luca Kramer: «Die Grosseltern sind Teil unseres Lebens»

«Die Grosseltern sind mir schon noch wichtig, sie sind ein Teil von unserem Leben. Als ich kleiner war, gab es keinen Tag, an dem ich nicht oben bei Grosi war. Wir spielten miteinander ‹Traktörli›, schauten Bilderbücher an und machten Spiele wie ‹Schnipp Schnapp›.

Jetzt gehe ich noch ab und an zu den Grosseltern hinauf zum Essen. Grosi kocht das, was ich mag, Kartoffeln zum Beispiel. Manchmal flickt sie meine Kleider. Sonst habe ich nicht so viel Kontakt zu meinen Grosseltern, ausser wenn ich sie im Hausgang oder auf dem Hof antreffen. Wenn ich in der Werkstatt nicht mehr weiterkomme und der Vater weg ist, kann ich immer noch den Grossvati fragen.»

Simona Kramer: «Unsere Grosseltern sind nicht aufdringlich»

«Früher gingen wir fast jeden Abend nach oben; jetzt nur noch selten. Wir haben mehr Schule, Hobbys und Kollegen. Da fehlt die Lust, mit den Grosseltern Spiele zu machen. Unsere Grosseltern sind nicht so die Modernsten. Grossvati hat nur ein Handy mit Tastatur, das er selten braucht. Sie verstehen nicht, warum man etwas macht. So lässt man sie eher sein. Sie sind aber nicht aufdringlich, sie lassen uns.

Manchmal braucht Grosi Hilfe: bei einem Rätsel oder wir sollen ihr etwas die Treppen hinauftragen. Wenn wir etwas haben, helfen uns die Grosseltern gerne. Wenn es bei uns mega laut wird, kann der Grossvati auch hässig werden.

Wenn Grosseltern etwas vorschlagen, sollen sie es den Enkeln überlassen, ob sie mitmachen wollen. Sie sollten auf die Interessen der Kinder eingehen. Wenn es für diese nicht interessant ist, kommen die nicht mehr mit. Die Haltung ‹früher war alles besser› sollten Grosseltern nicht unbedingt betonen.

Grosseltern sollten die Enkelkinder einfach erzählen lassen, was sie wollen und nicht noch viele Fragen stellen oder denken, man müsse noch viel dazu sagen. Du willst nicht alles mit den Grosseltern teilen, vor allem, wenn etwas noch frisch ist.

Grosseltern, nehmt euch die Zeit, wenn das Enkelkind Zeit hat.»