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Obwohl keine Zahlen veröffentlicht werden, hört man doch ab und zu, dass Rindfleischproduzenten nicht zufrieden sind mit der Klassifizierung ihrer Munis, Rinder, Kälber, Ochsen oder Kühe.


Die Lieferanten, oft Landwirte, beurteilen ihre schlachtreifen Tiere im lebenden Zustand. Im Schlachtbetrieb werden die Tiere, geschlachtet, am Haken aufgehängt klassiert. Dieses Verfahren ist in der Verordnung des Bundesamtes für Landwirtschaft (BLW) vorgeschrieben.


So neutral wie möglich


In der Verordnung des BLW steht: «Lebendtiere und Schlachtkörper werden eingeschätzt, indem nacheinander die Schlacht- und Masttierkategorie, die Fleischigkeit und das Fettgewebe bestimmt werden.» Anders als beim Schwein werden die Rindviehschlachtkörper von Auge bewertet. Weltweit macht man viele Versuche, um die Tiere mit Geräten einschätzen zu können. Jedoch wurde bis jetzt noch keine für die Schweiz geeignete Methode gefunden.


Damit die Beurteilung so objektiv wie möglich ist, hat der Bund die neutrale Beurteilung vorgeschrieben. Schlachtbetriebe, die jährlich mehr als 1200 Einheiten schlachten, müssen eine neutrale Beurteilung machen. Auf überwachten öffentlichen Märkten ist für lebende Tiere der Rindvieh- und Schafgattung eine neutrale Qualitätseinstufung durch eine vom Bund beauftragte Organisation vorgeschrieben.


Diese Funktion erfüllt die Proviande. Die Branchenorganisation der Schweizer Fleischwirtschaft hat den Leistungsauftrag, Tiere auf öffentlichen Märkten sowie in grösseren Schlachtbetrieben zu klassifizieren.


Gesamteindruck zählt


Tiere der Rindergattung werden in der Schweiz nach dem CH-TAX-System eingestuft. Dabei gibt es neun Fleischigkeitsklassen und  fünf Klassen für die Fettabdeckung. Wobei C das vollfleischigste und 3X das leerfleischigste Tier beschreibt. Ein T ist mittelfleischig. Auf ihm basieren die Preise, die wöchentlich festgestellt werden. Ist ein Tier vollfleischiger, bekommt der Lieferant einen Zuschlag und umgekehrt, wenn es leerfleischiger ist, einen Abzug.


Der Klassifizierer betrachtet für die Beurteilung folgende Partien: Stotzen, Nierstück, Rücken und Schulter. An diesen Stellen beurteilt er die Fleischigkeit sowie die Fettabdeckung. Bei der Fettabdeckung gibt es fünf Klassen (1-5). Der Idealwert ist eine 3, also gleichmässig abgedeckt. Ist ein Tier überfett oder zu wenig abgedeckt, erhält der Lieferant wiederum einen Abzug. Für die Einstufung ist der Gesamteindruck mitentscheidend.


Nicht von heute auf morgen


Das klingt bis jetzt alles plausibel. Steht ein Laie jedoch vor den verschiedenen Schlachtkörpern, ist es für ihn doch schwierig, zu sehen, ob das Tier nun ein C, ein H oder ein T ist. Dafür ist schon ein geschultes Auge gefragt. Daher erstaunt es nicht, dass für die Klassierung von Rindvieh eine Ausbildung nötig ist. Die Proviande bildet Fleischfachmänner zu Klassifizierern aus. Die Ausbildung dauert rund drei Monate. In dieser Zeit begleitet und überwacht ein Experte den angehenden Klassifizierer. Zum Schluss legt er eine Prüfung ab zum Erreichen der Lizenz.

Der Klassifizierer geht an öffentliche Viehmärkte, wo er lebende Tiere taxiert. In grösseren Schlachtbetrieben hat er einen fixen Arbeitsplatz in der Schlachtkette. Hälfte um Hälfte bekommt er die Tiere, am Hinterbein aufgehängt, zu sehen. Etwa eine Minute hat der Experte für die Beurteilung Zeit. Verständlicherweise ist dafür höchste Konzentration und daher eine gute physische und psychische Verfassung von Nöten. Rund 350 bis 400 Tiere muss er pro Einsatz klassifizieren.


Resultate stimmen überein


Zu einem Grossteil sind die Lieferanten mit der Beurteilung durch die Experten der Proviande zufrieden. Dies bestätigt Christian Glur, Präsident Swissbeef Mittelland. Er erzählt, dass er auf seinem Betrieb Munis mästet, die meisten nach dem Label «Swiss Quality Beef». «Ich wäge jedes Tier und schätze es ein, bevor ich es dem Schlachthof liefere. Anschliessend vergleiche ich die Resultate mit der Abrechnung vom Schlachthof. Diese stimmt zu 90 Prozent mit dem überein, was ich einschätze», erläutert Glur. Er nehme die Klassifizierer der Proviande als neutral wahr. Er höre nur sehr selten von einem Rindermäster, dass er nicht zufrieden sei. Für Christian Glur ist auch klar: «Taxation ist etwas Menschliches. Und sobald Menschen arbeiten und nicht Maschinen, können Fehler passieren.»


Begründet reklamieren


In der Schlachtviehverordnung ist deshalb geregelt, dass Lieferant und Abnehmer das Ergebnis der neutralen Qualitätseinstufung von geschlachteten Tieren beanstanden können. Wer also mit gutem Grund annimmt, sein Tier sei falsch eingeschätzt worden, kann reklamieren. Bei Tieren der Rindergattung muss der Lieferant innerhalb von 24 Stunden nach der Schlachtung ein Gesuch einreichen. Die betreffenden Schlachtkörper müssen so lange im Schlachtbetrieb unzerlegt blockiert werden, bis das Verfahren der Beanstandung abgeschlossen ist. Ein anderer Klassifizierer muss das Tier nochmals beurteilen.


Jahreszeitlich schwierig


Grosse Abzüge sind ärgerlich, gibt auch Christian Glur zu. Jedoch kann nur in den wenigsten Fällen der Klassifizierer etwas dafür. Den richtigen Ausmastgrad und die optimale Fettabdeckung zu erreichen ist nicht einfach. Genetik, Fütterung und Jahreszeit spielen eine wichtige Rolle. Im Sommer, wenn es sehr warm ist, ist es schwieriger, dass die Tiere gut abgedeckt sind, merkt Glur an. Der «Swiss-Quality-Beef»-Produzent erklärt, dass bei diesem Label die Tiere mindestens eine 3 in der Fettabdeckung haben müssen. Sind sie darunter, fallen sie aus dem Label. Der

Produzent verliert dabei rund 
300 Franken pro Tier. «Schuld daran ist aber nicht der Taxeur, der macht nur seinen Job», sagt Glur.   


Jasmine Baumann