Matteo Aepli mag es nüchtern. Seine schwarze Brille umrahmt die braunen Augen, die Uhr am Handgelenk ist ebenso schlicht wie der blaue Anzug und das hellblaue Hemd mit dem Suisag-Logo am Kragen. Aepli trägt keine Krawatte, wirkt zurückhaltend, eine Spur reserviert. Der Eindruck täuscht, denn Aepli ist neugierig. Er stellt viele Fragen, will wissen wie Dinge funktionieren. Und er kann problemlos ein nettes Gespräch mit fremden Leuten führen. Und es zeigt sich rasch, was Aepli will: langfristige Lösungen ermöglichen und auf keinen Fall im Mittelpunkt stehen.

Der grösste Prüfstein

So auch an diesem Mittwochmorgen. Matteo Aepli sitzt im Restaurant Löwen in Dagmersellen LU an einem Holztisch. Vor sich ausgebreitet hat er die schwarze Ledermappe, darauf stapeln sich der Suisag-Jahresbericht und ein paar Blätter. Es ist 7 Uhr 40 und Aepli ist bereit. Für den Interviewtermin und für die zwei Sitzungen, die zwei Stunden später stattfinden. Es ist die 20. GV von Suisag, dem Dienstleistungszentrum für die Schweineproduktion. Und es ist die erste, bei der Aepli als Geschäftsführer in der Verantwortung steht. Er ist um 5 Uhr aufgestanden, hat sich angezogen und ist für eine gute Stunde ins Büro gefahren. «Ein guter Bauer fängt früh an», sagt er zu seinem Tagesablauf und lacht. Aepli trägt einen ETH-Doktortitel in Agrarökonomie, ist 1988 auf die Welt gekommen und führt seit einem Jahr die 80 Mitarbeitenden der Suisag. Es ist seine bisher grösste Herausforderung.

Das Unternehmen geht vor

Seit einem Jahr ist er damit beschäftigt, das Schiff Suisag auf Kurs und die Mannschaft bei Laune zu halten. Denn als Matteo Aepli im vergangenen Jahr die Geschäftsführung übernahm, stand es bei Suisag nicht unbedingt zum Besten. Kurzfristig befand sich Suisag in der Krise. Das Unternehmen musste 2015  einen Verlust von über 300 000 Franken verkraften. Personell als auch strategisch gab und gibt es Handlungsbedarf. «Werden finanzielle Probleme sichtbar, ist das oft nur die Spitze des Eisberges», meint Aepli. Um dann aus einer Krise zu finden, gebe es nur eine Lösung: «Man muss sich mit aller Kraft zum Wohl des Unternehmens einsetzen», sagt Aepli. 

Vielseitigkeit begeistert

Ihm gefällt die Firma. Gerade die Vielfältigkeit hat es Matteo Aepli angetan. «Wir können Projekte in Angriff nehmen, bei denen Menschen aus verschiedenen Disziplinen zusammenarbeiten. Wir haben Genetiker, Veterinäre, Landwirte, Metzger und Agronomen. Wir machen Forschung, produzieren Sperma und bieten Dienstleistungen im Bereich Zucht und Gesundheit an Und das alles unter einem Dach!»

Zwar gehörten die letzten zwölf Monaten zu den intensivsten, die Aepli bisher erlebt hat. Aber der Suisag-Begeisterung  taten die vielen Arbeitsstunden keinen Abbruch. Im Gegenteil. Jeden Tag steht er zwischen 5 und 5 Uhr 30 morgens auf, zieht sich an und fährt ziemlich direkt ins Büro. Frühstück isst er keines. «Der Morgenablauf ist auf Effizienz getrimmt.» Und so ist es auch ein grosser Rest in Aeplis Leben. Er achtet darauf, dass er jede Nacht sechseinhalb bis acht Stunden schläft. «Wenn man zwölf Stunden im Büro ist, viel mit Menschen zu tun hat, dann muss man ausgeschlafen sein», sagt er dazu. Neben seiner Arbeit als Geschäftsführer baut Aepli noch einen kleinen Handwerksbetrieb auf. «Eine Drechselei für Spezialarbeiten. Das ist hoch spannend, da kann man sich mit der Konkurrenz, mit Markt und Kunden auseinandersetzen.» Aepli strahlt. «Es geht mir nicht darum, Geld zu verdienen», sagt er. Vielmehr will er sehen, ob seine Ideen und Produkte am Markt funktionieren und einen Käufer finden. «Ich kann nicht immer in Franken denken. Aber es geht mir um die Frage, was langfristig richtig ist.»

Die Richtschnur dabei ist der unternehmerische Erfolg. Alles andere muss bei Aepli hintanstehen. So sieht er auch sich selbst nicht gerne im Rampenlicht. Er lässt sich zwar auf persönliche Fragen zum Tagesablauf und seinen privaten Zielen ein. Aber er betont, dass es nicht um ihn gehe. Sondern um das Unternehmen, das Team, den Markt, die Konkurrenz.

Dass sich Aepli derart konsequent den Gesetzen des Marktes und der Arbeit unterordnet, hat einen praktischen Grund: in jungen Jahren hat er als Knecht und Hilfsarbeiter gesehen, wie streng es bei Bergbauernfamilien zu- und hergehen kann. «Jeden Morgen um 4 Uhr wurde gemolken. Und viele Abende um 21 Uhr das letzte Mal eingegrast», erzählt er. Die Erfahrung auf diesem und anderen Bauernhöfen habe ihn und seine Arbeitshaltung stark geprägt. 

Viel Einsatz und klare Worte

Und so scheut der junge Manager weder Mühen, Konflikte noch Widerspruch, um Suisag weiterentwickeln zu können. Matteo Aepli, der vor der Anstellung bei Suisag noch an der ETH Studenten und Forschungsprojekte betreute, nebenher ein Beratungsunternehmen aufbaute, in einer Schinkenfabrik den Verkauf leitete, hat sich eingeschränkt.

«Aus so einer Situation rauszukommen ist fast unmöglich, wenn man sich zu einem guten Teil nicht auch aufopfert.» Tatsächlich scheint es zu gelingen. So sagen Aussenstehende, dass mit Aepli eine Person an der Spitze stehe, die mit viel Einsatz und klarer Kommunikation vorangehe. Die Dynamik habe zugenommen, die Probleme würden proaktiv und mit nachvollziehbaren, strategischen Überlegungen angegangen, heisst es. Und während Aepli für Suisag und für seine Drechselei gerne fünf bis sieben Jahre vorausplant, hält er sich bei Fragen zum Privatleben zurück. «Das Privatleben spielt im Beruf keine Rolle. Sobald ich mich als Person in den Vordergrund stellen würde, wären die kurzfristigen Erfolge viel wichtiger. Das will ich nicht. Ich will langfristig Erfolg ermöglichen», sagt Aepli. 

So passiert es manchmal, dass er als Chef schon zwei oder drei Schritte weiter ist, als seine Kolleginnen und Kollegen. «Hin und wieder muss ich mich besser erklären, ja.» Aepli sagts und freut sich daran, dass es Kollegen gibt, die sich wünschten, dass er noch weitergeht. «Aber da stosse ich an Grenzen. Ich kann nicht überall gleich schnell sein.» Er lacht.

Vorwärts denken und gehen

Die Arbeit wird für Matteo Aepli in den kommenden Wochen und Monaten nicht weniger. Denn die Zukunft von Suisag wird internationaler. «In den nächsten fünf Jahren möchten wir international in einzelnen Bereichen der Genetik wie z.B. der Fleischqualität, der E-Coli-Resistenzen oder der Muttereigenschaften unsere Führung weiterentwickeln und unsere Genetik noch besser positionieren. Die Spermaanalyse im Labor in Knutwil LU soll künftig mit einer der modernsten Anlagen in Europa geschehen. Und die Schweinegesundheit soll weiter verbessert werden.»

Aepli freut sich darüber, dass er nach einem harten ersten Jahr eine schwierige Phase überstanden hat und dass man jetzt mit der Strategieumsetzung beginnen kann. Er wird dazu weiterhin jeden Morgen zwischen 6 und 6 Uhr 30 im Büro sein und unaufgeregt an der Sache arbeiten.

Hansjürg Jäger