Eine kleine Gruppe hat sich vor dem Laufhof des Strickhof-Stalls versammelt und ist in ein Gespräch vertieft. Eine Kuh reibt ihren Kopf an einer der diskutierenden Frauen. Diese hat sichtlich Freude daran. Die drei Personen unterhalten sich über die Ausbildung von jungen Leuten zu Landwirtinnen und Landwirten. Es sind Rebecca Müller, Lehrlingsausbildnerin am Strickhof, Judy Stuart, Gründerin der Future Farmers Foundation aus Südafrika und Erik Meier, Leiter Grundbildung Landwirtschaft am Strickhof.

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Möglich gemacht hat diesen Austausch die Jacobs Foundation. Diese hat Judy Stuart einen Preis für ihr Engagement für junge Menschen verliehen (siehe Kasten) und hat auch das Treffen arrangiert.

BauernZeitung: Frau Stuart, was ist die Future Farmers Foundation (FFF)?

Judy Stuart: Die FFF bietet unterprivilegierten jungen Frauen und Männern die Möglichkeit einer Lehre an, um sie zu kompetenten Landwirtinnen und Landwirten auszubilden. Früher war ich öfters an Viehschauen mit jungen Schwarzen. Diese erzählten mir, es sei kein Geld vorhanden für weitere Schulbildung, auch keine Möglichkeit, eine Stelle auf einer Farm zu kriegen. Was für eine Verschwendung von Leidenschaft! Im ersten Jahr, 2006, konnte ich drei Jugendlichen eine Lehrstelle auf einer Farm vermitteln. Dann bekam ich Anrufe von ihren Freunden. Ich hatte damals keine Ressourcen. Nur Zeit für das Mentoring dieser jungen Menschen.

Wie funktioniert das FFF-Lehrlingssystem?

Stuart: In Südafrika sind wir das einzige landwirtschaftliche Lehrlingssystem. Wir machen keine Werbung, die Menschen kommen zu uns. Ihre schulischen Qualifikationen interessieren mich nicht, sondern ihr Herz. Wer etwas aus Leidenschaft macht, wird fast immer erfolgreich sein. Wir platzieren die Jugendlichen, je zur Hälfte Frauen und Männer, auf einer Farm, die möglichst ihren Interessen entspricht. Sie fangen ganz unten an mit dem Mindestlohn von 1500 Rand pro Monat (108 Franken). Nach zwei bis drei Jahren sind sie meist für ein Auslandspraktikum bereit, zum Beispiel in den USA oder in Australien.

Wie steht es mit der Schulbildung der Bewerber?

Stuart: Die meisten Bewerber haben eine abgeschlossene Schulausbildung oder eine höhere Schule besucht. Ich ermutige alle, die ohne Schulabschluss kommen, diesen nachzuholen. Sonst bleiben viele Türen verschlossen. Ich versuche auch, wo immer möglich, zu helfen.

Wie wichtig ist das Element Praxis in der Landwirtschaftsausbildung?

Erik Meier: Praktische Kompetenzen sind im späteren Berufsalltag von zentraler Bedeutung. Deshalb hat die praktische Ausbildung auf den Lehrbetrieben einen sehr hohen Stellenwert. Auch in der Berufsfachschule ist es wichtig, dass die Lehrperson nicht nur die Theorie beherrscht, sondern einen Bezug zur Praxis hat, der das tägliche Leben der Lernenden prägt.

Stuart: Die Bauern brauchen keinen, der einen Abschluss in Agronomie hat, aber noch nie auf einem Traktor sass, sondern jemanden, der arbeiten kann. Nach Abschluss der Lehrzeit auf einem Milchviehbetrieb bedienen unsere Jugendlichen beispielsweise das Melksystem mit Computer, machen Aufzeichnungen, analysieren Daten und betreuen und bilden andere Mitarbeiter aus.

Wie sieht es mit der Theorie aus?

Meier: Unsere Lehrlingsausbildung beinhaltet in der Regel einen Schultag pro Woche. Das ganze System ist durchlässig und ermöglicht Abschlüsse auf verschiedenen Niveaus. Wer eine zweijährige Attestlehre erfolgreich absolviert, hat die Möglichkeit, eine verkürzte Ausbildung für den Eidgenössischen Fähigkeitsausweis anzuhängen. Damit ist wiederum die Möglichkeit gegeben, eine höhere Berufsbildung anzustreben.

Stuart: Diese Flexibilität gefällt mir. Wir bieten keine Theoriestunden an. Unsere Lehrlinge müssen ihr Wissen aus dem Betriebsalltag herausziehen, von den Mitarbeitern und vom Betriebsleiter. Im Auslandspraktikum verdienen sie oft genug, um eine Weiterbildung an einer höheren Schule zu finanzieren.

Wie sind die Zukunftsaussichten für Ihre Lehrlinge?

Meier: Absolventinnen und Absolventen im Berufsfeld Landwirtschaft haben gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Sie haben sich als Jugendliche aus Überzeugung für eine Lehre in einem Beruf mit bekanntlich langen Arbeitstagen entschieden. Dadurch haben sie ihre Belastbarkeit und ihren Durchhaltewillen während drei Jahren unter Beweis gestellt. Sie haben früh Verantwortung für Mensch und Natur übernommen und verfügen über eine selbständige Arbeitsweise.

Stuart: Immer mehr Bauern fragen bei uns nach Lernenden an, weil sie die Motivation und die Leistungsfähigkeit unserer Future Farmers erkennen. Viele Bauern haben keinen Nachfolger. Unsere Leute haben das Potenzial, diese Lücke zu füllen. Die Bauern hätten nie geglaubt, dass junge Schwarze dazu in der Lage wären.

Könnten Sie sich vorstellen, die Future Farmers als Praktikanten in die Schweiz zu senden?

Stuart: Das Praktikum müsste relevant für ihre weitere berufliche Zukunft in Südafrika sein. Ich stelle mir einen Obstbaubetrieb vor oder eine Käserei – ihr macht ja guten Käse! Ich würde mich freuen, wenn ihr einige Praktikanten auf unsere grossen südafrikanischen Farmen senden würdet.

Meier: Wir hatten schon einige Obstfachleute, die nach ihrer Lehre ein Praktikum auf einem Obstbaubetrieb in Südafrika absolvierten. Ich kann mir gut vorstellen, dass umgekehrt auch ein Future Farmer bei uns in einem Praktikum im Bereich der Spezialkulturen Knowhow erwerben könnte, das ihm für seine berufliche Zukunft nützt.

Judy Stuart, Ihr Projekt wurde mit einem Preis der Jacobs Foundation im Wert von 100'000 Franken ausgezeichnet.Was machen Sie damit?

Stuart: Im Januar eröffnen wir ein neues Büro in Paarl, das ist in der Nähe von Kapstadt (ZA). So bekommen wir in dieser Region einen besseren Zugang zum starken Sektor Obstbau. Wir möchten auch Unterkünfte und Kursräume anbieten können. Die Studenten reisen oft bis zu 1000 Kilometer weit, bis sie bei uns sind.

Wie entwickelt sich die FFF?

Stuart: Zur Zeit sind ungefähr 500 Jugendliche in Ausbildung und in Anstellung. Seit drei Jahren ermöglicht uns das Sponsoring von Bayer, mehr Future Farmers nach Übersee zu senden. Kürzlich bildeten die Alumni der Future Farmers eine Gruppe, die sich verpflichtet, Vorbilder und Mentoren für Jugendliche zu sein. Das entstand ohne mein Zutun und ohne Geld von aussen.

Was bedeutet dieser Tag des Austauschs am Strickhof für Sie beide?

Stuart: Ich hoffe, es ist der Anfang einer wertvollen Beziehung zwischen Schweizer und südafrikanischen Lernenden. Ich lernte, dass unser System sich mit Zeit und Ressourcen weiterentwickeln kann. Ich hätte gerne mehr Zeit auf dem Strickhof Betrieb verbracht, was ich dort lernte, war für mich sehr wertvoll und inspirierend.

Meier: Es ist enorm stark und interessant, was Judy Stuart erreicht hat. Das Schöne an ihrem System ist, dass es so einfach ist. Es könnte gut auch in anderen Ländern angewandt werden. Unser verbundpartnerschaftliches Berufsbildungssystem mit seinen traditionellen und gewachsenen Strukturen kann nicht so einfach exportiert werden.

Interview Marianne Stamm und Esther Thalmann

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