Der Schweizer Bauernverband SBV lehnt die Agrarpolitik 2022+ (AP 22+) ab, da diese eine Reduktion des landwirtschaftlichen Sektoraleinkommens und eine Senkung des Selbstversorgungsgrads zur Folge hätte. Aus diesem Grund begrüsse er auch den Entschluss des Ständerats. Der SBV sehe im Beschluss eine Chance, die einseitige, auf die Landwirtschaftsbetriebe fokussierte Agrarpolitik zu einer zukunftsgerichteten und kohärenten Ernährungspolitik umzubauen, heisst es in der Medienmitteilung.

Diese Ernährungspolitik soll allen Akteuren - vor allem auch Bauernfamilien - wirtschaftliche Perspektiven bieten. Der SBV erwartet nun, dass der Bundesrat ernsthafte Vorschläge zur Umsetzung des Verfassungsartikels 104a zur Ernährungssicherheit vorlege. Der Fokus müsse dabei auf einer ausreichenden Inlandversorgung sowie einer Verbesserung der Nachhaltigkeit bei importierten Nahrungsmitteln liegen, heisst es in der Mitteilung.

Agrarallianz kritisiert die Verzögerung

Die Agrarallianz zeigt sich derweil enttäuscht vom Ergebnis, denn mit der Sistierung werde die grundsätzliche Weiterentwicklung der politischen Rahmenbedingungen vorerst verzögert. «Der ausgewiesene Handlungsbedarf in Bezug auf die Verminderung von Nährstoffüberschüssen und weiterer negativer Auswirkungen auf die Umwelt wird nun in erster Linie über die Pa. IV 19.475 «Das Risiko beim Einsatz von Pestiziden reduzieren» angegangen», schreibt die Agrarallianz in einer Medienmitteilung.

Trotz der Sistierung werde jedoch die Agrarallianz ihre Mitglieder darin unterstützen, Lösungen zu entwickeln, die das Klima, die Biodiversität und das Tierwohl schützen sowie den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln und Antibiotika reduzieren, heisst es zum Schluss der Mitteilung.

Umweltverbände sehen keine Chance für Nachhaltigkeit

Auch die Umweltverbände WWF, Pro Natura, Greenpeace und BirdLife Schweiz meldeten sich in einer Medienmitteilung zu Wort. Ihrer Meinung nach blockiere der Ständerat mit seiner Entscheidung die Landwirtschaft auf ihrem Weg zu mehr Nachhaltigkeit. Er ignoriere zudem einen grossen Teil der Bevölkerung, der sich eine ökologischere Landwirtschaft wünschen würde, was eine Umfrage des Forschungsinstituts Sotomo gezeigt haben soll.

Mit diesem Beschluss könne der Ständerat nicht nur keine glaubwürdige Alternative zur Trinkwasser- und Pestizid-Initiative bieten, sondern erlaube, dass sich Probleme wie das Artensterben, der Verlust der Bodenfruchtbarkeit und die Belastung von Gewässern und Trinkwasser verschlimmern würden, schreiben die Umweltverbände.

Bio Suisse vermisst die Dringlichkeit bei Umweltproblemen

Ebenso äusserte die Bio Suisse Kritik am Beschluss des Ständerats. «Die AP 22+ hätte wirkungsvolle Massnahmen eingeleitet, mit denen die drängenden Umweltprobleme der Landwirtschaft hätten gelöst werden können», schreibt Bio Suisse in der Medienmitteilung. Unter anderem hätte die AP 22+ Massnahmen zur Umsetzung aller 13 Umweltweltziele (UZL) geboten, während der Absenkpfad für Pestizide und Nährstoffe lediglich bei fünf UZL Verbesserungen ermögliche. Diese Massnahmen würden nun bis mindestens 2026 weitgehend liegenbleiben, schreibt Bio Suisse.

Während also die EU mit dem Green Deal 25 % Bioproduktion und -konsum anstrebe, bleibe die Schweiz dank der Sistierung auf der Strecke.«Ohne AP 22+ fehlen die dafür nötigen Rahmenbedingungen, und die mögliche Entwicklung bleibt den wechselhaften Launen der Märkte überlassen», so Bio Suisse. Sie hoffe nun auf die faktenbasierte Korrektur dieses Entscheids durch den Nationalrat