Meinungsforscher Lukas Golder legte sich im Schweizer Fernsehen (SRF) fest: Die Hochrechnung sage noch immer 51 Prozent gegen das Jagdgesetz und 49 Prozent dafür, der Fehlerbereich liege nur noch bei plus/minus 1 Prozentpunkt. Deshalb könne das Resultat nicht mehr kippen.

Von den fünf nationalen Vorlagen, die am Sonntag zur Abstimmung kamen, war das revidierte Jagdgesetz im Vorfeld des Abstimmungskampfs wohl die umstrittenste. Laut Angaben der Universität Bern wurden zu keiner anderen Vorlage so viele Inserate in den Printmedien geschaltet wie zum Jagdgesetz.

Langer Abstimmungskrimi

Und es ging dann tatsächlich auch sehr lange, bis überhaupt eine Aussage zum Ausgang der Abstimmung gemacht werden konnte. Bei den Resultaten zeigte sich ein Stadt-Land-Graben. Graubünden sagte mit 67,3 Prozent der Stimmen Ja zum Jagdgesetz. Sieben von neun Wolfsrudeln leben im in diesem Kanton. Auch die Kantone Wallis Luzern, Uri, Glarus und Appenzell Innerrhoden nahmen das Gesetz an.

Auf der anderen Seite lehnten Genf, Neuenburg, Schaffhausen und Basel-Stadt das revidierte Jagdgesetz ab. Golder erklärte: «Das ist das städtische Muster, das über das ländliche siegt. Aber selbst im Graubünden und im Wallis wurden relativ viele Nein-Stimmen eingeworfen.»

Präventive Abschüsse

Insgesamt haben also die Argumente von Links-Grün und den Tier- und Umweltverbänden, die gegen die Vorlage das Referendum ergriffen hatten, im Abstimmungskampf mehr überzeugt. Da war immer wieder - und auch am Wahlsonntag - von einem «Abschussgesetz für den Wolf» die Rede, von «einem missratenen Gesetz, das Wildtiere bedrängt».

Es waren vor allem die neu erlaubten präventiven Abschüsse von einzelnen Wölfen sowie die vorgesehene legitimierte Regulierung von Wolfsrudeln, die die Gemüter der Gegner erhitzten. Es sei ein Widerspruch, ein geschütztes Tier zu töten, ohne dass es jeglichen Schaden angerichtet habe, lautete der Tenor. So mache das revidierte Jagdgesetz Abschüsse «auf Vorrat» möglich.

Die Gegner sahen in dem neuen Jagdgesetz aber nicht nur den Wolf gefährdet, sondern auch andere geschützte Tierarten. So ging im Abstimmungskampf fast schon unter, dass die Regulierungsregeln nicht nur für den Wolf, sondern auch für den Steinbock gelten sollten.

Umweltschützer warnten, dass schon bald auch der Biber oder der Luchs auf dieser Abschussliste stehen könnten. Dabei wurde auf einen Gesetzesartikel verwiesen, der festhält, dass der Bundesrat ohne die Zustimmung des Parlaments oder des Volks weitere geschützte Tierarten als regulierbar erklären kann. Der Bundesrat dementierte solche Pläne. Die Gegner zogen das Fazit: «Was die Revision tatsächlich mit sich bringt, ist weniger Artenschutz.»

«Gesetz der Realität anpassen»

Mit den neuen Regeln zum Umgang mit dem Wolf wollten Bundesrat und Parlament das Jagdgesetz aus dem Jahr 1986 der Aktualität anpassen. Damals gab es keine Wölfe mehr in der Schweiz. Aktuell leben rund achtzig Wölfe in der Schweiz - teilweise in Rudeln.

Diese Rückkehr des Wolfes führt zu Konflikten. Laut der Stiftung Kora, Raubtierökologie und Wildtiermanagement, haben Wölfe in den vergangenen zehn Jahren in der Schweiz jährlich zwischen 300 und 500 Schafe und Ziegen gerissen. Betroffen sind auch Herden, die von Zäunen oder Herdenschutzhunden beschützt werden.

Mit dem revidierten Jagdgesetz sollte der Wolf in der Schweiz zwar eine geschützte Tierart bleiben, neu sollte aber den Kantonen das Recht eingeräumt werden, den Wolfsbestand zu regulieren, um präventiv Schäden zu verhindern. Tiere eines Wolfsrudels dürften geschossen werden, damit das Rudel nicht zu gross wird.

«Eine pragmatische Lösung»

Das neue Gesetz sah für solche Abschüsse aber Hürden vor: Erstens hätten die Kantone gegenüber dem Bund begründen müssen, weshalb die Regulation eines Wolfsbestands notwendig ist. Abschüsse innerhalb eine Wolfsrudels wären also bewilligungspflichtig gewesen.

Zweitens hätte ein Wolfsrudel, das abseits von Siedlungen und Tierherden lebt, nicht reguliert werden dürfen. Und drittens hätte jeder Eingriff in ein Wolfsrudel das Prinzip der Verhältnismässigkeit wahren müssen. Zuletzt wurde Umweltorganisationen jeweils ein Beschwerderecht eingeräumt.

Für den Bundesrat bot das Gesetz eine «pragmatische Lösung» für den Umgang mit dem wachsenden Wolfsbestand. Der Wolf bleibe eine geschützte Tierart, die grundsätzlich nicht gejagt werden dürfe, sagte Umweltministerin Simonetta Sommaruga im Abstimmungskampf. Ein «ungesteuertes Wachstum» sei aber nicht erwünscht. Wölfe müssten ihre angeborene Scheu vor Menschen, Herden und Siedlungen bewahren. Entsprechend seien Regeln notwendig.

Das alte Gesetz ist das neue

Mit dem Nein zum revidierten Jagdgesetz bleibt das Gesetz von 1986 in Kraft. Die Gegner kündigten schon vor der Abstimmung an, dass nach der Ablehnung bald die Arbeiten an einer neuen Vorlage begonnen werden sollen, um ein Gesetz zu haben, das dem Artenschutz tatsächlich gerecht werde.