Wieder ist es so weit: Der Regen ist in Mozambique angekommen. Von November bis März verdrängt das Plätschern des Regens die Erinnerung an die vorhergehenden Dürremonate. Die Landschaft erblüht, alles sieht saftig und grün aus und ist von einer schimmernden Wasserschicht überzogen.

Doch ganz so harmlos ist die Regensaison nicht. Besonders in diesem Jahr blieb sie lange aus, kam dafür aber im Januar umso heftiger. Zwischen dem 11. und 18. Januar 2015 schwollen die Gewässer der Region Zambezia zu ihrer achtfachen Grösse an. 85‘000 Hektaren Land standen nahe der Küste und entlang des Stromes Zambezi unter Wasser, schätzt die UNOSAT. Das entspricht der Fläche Kulturland, die in der Schweiz über 24 Jahre verloren ging1. Das Wasser zieht sich zwar im März wieder zurück, aber Häuser und Besitztümer sind für viele verloren. Ebenso die Ernten.

Die Folgen der Überschwemmungen für die mehrheitlich selbstversorgenden, kleinbäuerlichen Familien sind gravierend. 2013 gingen landwirtschaftliche Erzeugnisse von 210‘587 Hektaren bereits bewirtschaftetem Ackerland und über 3‘000 Tiere in den ausufernden Wassermassen unter.

Ohne Land, kein Essen

Die Lebensgrundlage zerstört, flüchten sich viele Betroffene in Zeltlager und sind auf die Lebensmittelspenden der Hilfsorganisationen angewiesen. In Mocua, einer Stadt in Zambezia, ist die Brücke zerstört. Auf der einen Seite werden die Leute mit dem Nötigsten versorgt; Oxfam, Unicef und das World Food Programme sind anwesend. Auf der anderen Seite des Flusses ernährt sich die Bevölkerung seit einer Woche von Mangos oder Cashewnüssen, deren Bäume noch aus dem Wasser ragen, sagt Romea Brügger. Die Schweizerin lebt in Mozambique und arbeitet bei der lokalen Entwicklungsorganisation Kokombi als Projektverantwortliche. Kokombi bedeutet in der lokalen Sprache Chuabo „miteinander“ und unterstützt die Bevölkerung bei der Krisenbewältigung.

Die Möglichkeiten bei Überschwemmungen sind begrenzt. Ausser der Landwirtschaft oder der Fischerei existieren in der Zambezi-Provinz kaum alternative Einkommensquellen. Doch dieses Jahr möchte die Organisation etwas Neues ausprobieren: die schwimmenden Gärten.

Die Initiative des Projektes stammt von der Schweizer Projektleiterin, welche die „floating gardens” auf Reisen in Thailand antraf. „In Bangladesh, Thailand, Indonesien und den Philippinen nutzt die Bevölkerung diese Methode, um trotz Überschwemmungen Essen zu produzieren und Überschüsse auf dem Markt zu verkaufen. Wieso nicht in Mozambique?”, fragt Romea Brügger.

Schwimmende Gärten

Das Konzept ist relativ einfach. Wasserhyazinthe, ein aus Südamerika eingeschlepptes, wucherndes Unkraut, wird abgeschnitten und mit Stöcken zu einem Floss geflochten. Darauf wird eine zirka 25 Zentimeter dicke Schicht aus Erde und natürlichem Dünger gepackt, in welcher kurzzyklische Pflanzen gedeihen können. Das ganze wird als schwimmendes Beet am Rande des Flusses verankert. Nach einiger Zeit zersetzen sich die Flösse leicht im Wasser und müssen daher jedes Jahr von neuem gebaut werden. Die Überreste des Vorjahres können jedoch als Kompost für die nächsten Kulturen genutzt werden, wodurch die schwimmenden Gärten auch in der Trockenzeit die Produktivität steigern.

Günstig und effektiv

Die Methode hat grosses Potential. In Bangladesh konnten Familien dank der schwimmenden Gärten zwischen 11 und 35 Prozent ihres Haushaltbudgets decken2. Studien und Erfahrungsberichte aus Asien sprechen alle von einer grossen „Exportierbarkeit“ der Methode in andere Ecken der Welt. Sofern Wasserhyazinthe verfügbar ist, haben die meisten Familien nur indirekte Kosten durch die Arbeitszeit für den Bau des Beetes. Allenfalls müssen Samen eingekauft werden. Der Dünger wird meist aus Mist oder zersetzter Wasserhyazinthe gewonnen.

Wenig Alternativen

Der Erfolg ist aber noch nicht garantiert, dafür ist die Methode in anderen Regionen zu wenig erforscht. In Mozambique bieten sich im Moment nur wenige Alternativen an. Die Anpassungsmethoden der Bevölkerung sind beschränkt. Obwohl sich die Bevölkerung der erhöhten Gefahr von Überschwemmungen entlang der Gewässer bewusst ist, zieht es die meisten doch an die Ufer zurück. Denn ohne Fahrrad oder Transportmöglichkeiten kommen sie anders nicht an Wasser.

Am meisten gefährdet sind die Bewohner von flussnahen Städten. Sie sind ebenfalls Selbstversorger und laufen jeden Morgen auf die Felder – ausser in der Regenzeit. Wegen der limitierten Einkommensmöglichkeiten und der klimatisch bedingten tiefen landwirtschaftlichen Produktivität, kann die Bevölkerung keine Reserven anlegen, um die Regenzeit zu überbrücken.

Auf dem Land, wo es mehr Raum gibt, versuchen die Bauern die Dürren und Fluten mit zwei Feldern zu überleben. Eines ist etwas tiefer gelegen und meist näher am Haus, das zweite liegt höher und bleibt bei Überschwemmungen über dem Wasserspiegel. Auch ernähren sie sich von Wasserhyazinthe, erklärt Brügger.

Zum ersten Mal in Afrika

Wenn sich Romea Brügger in der Region um die Stadt Mocua umsieht, gäbe es so viele Flächen für die schwimmenden Gärten. Doch schwimmende Gärten wurden ihres Wissens noch nicht in Afrika eingesetzt. Theoretisch seien die Voraussetzungen gegeben. „Ob es praktisch auch klappt, wollen wir nun herausfinden”, sagt Brügger.

Kokombi plant die ersten Versuchsfelder in einem kleinen Dorf bei Nicoadala in der Provinz Zambezia. Die Organisation weist zirka zehn Teilnehmer einer Kooperative in den Bau der Flösse ein und stellt ihnen die Materialien zur Verfügung. Dank der grossen Diversität in Mozambique, kommen viele Pflanzen für den Anbau infrage.

Doch es gibt auch Einschränkungen, denn nicht alle Standorte eignen sich für schwimmende Gärten. Die schwimmenden Gärten müssen auf einem Gewässer sein, das trotz ansteigendem Pegel ruhig bleibt. Denn Strömungen und Wellen können das Floss zerstören oder wegtreiben. Die Stelle müsste also einigermassen geschützt sein, was besonders bei starken Regenfällen schwierig ist. Auch sollte Wasserhyazinthe am Standort verfügbar sein, sonst erhöht sich der Arbeitsaufwand erheblich.

Diese Faktoren wurden bei der Auswahl des Standortes berücksichtigt, sagt Brügger. Kokombi bleibt zuversichtlich, nicht zuletzt weil auch Oxfam am Projekt Interesse gezeigt hat und es mitfinanziert. „Floating Gardens” können keine Pauschallösung für alle bieten. Doch sie bieten der Bevölkerung eine Möglichkeit, dem Wasser aus eigenen Kräften zu trotzen.

Alexandra Carter, lid