Wie lassen sich Nahrungsmittel am besten haltbar machen? Wie eine Krankheit behandeln? Wissen untereinander auszutauschen, zu kombinieren und damit neue Lösungen für Herausforderungen zu finden, ist eine entscheidende Grundlage der menschlichen Kultur. Wie sich dieser Austausch in der Steinzeit entwickelt haben könnte, haben Forschende der Universität Zürich anhand der Agta, moderner Jäger und Sammler auf den Philippinen, untersucht.

Besuche bei anderen Gruppen

Das internationale Forschungsteam um Andrea Migliano und Lucio Vinicius stattete 53 erwachsene Agta aus sieben benachbarten Camps in einem Waldgebiet mit Trackinggeräten aus, wie die Uni Zürich am Freitag mitteilte. Einen Monat lang zeichneten sie damit die Bewegungen und insbesondere die Begegnungen der Gruppenmitglieder auf. Gleiches taten sie für eine Gruppe, die an der Küste lebte.

Die Analyse zeigte, dass neben vielen Kontakten der Personen innerhalb der Camps auch fast täglich Besuche zwischen den verschiedenen Gruppen stattfanden, wie die Forschenden im Fachblatt «Science Advances» berichten.

Besuche zur Lösungsfindung

Die Besuche seien so etwas wie die «sozialen Medien» der Jäger und Sammler, erklärte Migliano. «Wenn wir eine Lösung für ein Problem brauchen, gehen wir online und holen uns Informationen aus mehreren Quellen. Die Agta nutzen ihr soziales Netzwerk auf genau die gleiche Weise.»

Heilmittel schneller entwickelt, wenn nicht alle gleichzeitig informiert

Auf Basis der Daten erstellten die Forschenden ein Computermodell des sozialen Netzwerks und simulierten damit die Entwicklung eines pflanzlichen Heilmittels: Der Wissensaustausch führt schrittweise zu immer besseren Medikamenten bis hin zu einem hochwirksamen Heilmittel. Allerdings braucht es gemäss der Simulation bis zu diesem Punkt etwa 250 bis 500 Runden an sozialen Interaktionen.

Zum Vergleich erstellten die Forschenden ein künstliches soziales Netzwerk, in dem alle Mitglieder immer den gleichen Wissensstand haben, weil sie alle Informationen immer gleichzeitig erhalten. Erstaunlicherweise brauchte die Entwicklung des Heilmittels in dieser fiktiven Gesellschaft länger, nämlich 500 bis 700 Runden.

Effiziente Entwicklung dank verschiedenen Zweigen

Erklären könne man dies damit, dass die Entwicklung im zweiten Szenario immer nur einen Schritt nach dem anderen machen konnte, schrieb die Uni Zürich. Im ersten Szenario konnten sich neue Erkenntnisse auch parallel auf verschiedenen «Zweigen» entwickeln. Das beschleunigte die Entwicklung.

Diese Ergebnisse legen nahe, dass eine soziale Struktur aus kleinen, miteinander vernetzten Gemeinschaften die kulturelle Entwicklung unserer Vorfahren erleichtert hat, erklärte Vinicius.

Mehr sozialer Austausch unter Menschen als bei Tieren

Sozialer Austausch von Wissen existiert beispielsweise auch bei Schimpansen und wird in Fachkreisen generell als Voraussetzung für die Entwicklung einer Kultur angesehen. Die Tiere zeigen von Gruppe zu Gruppe unterschiedliche Verhaltensweisen, die sie durch Abschauen voneinander lernen. Ein derart reger Austausch zwischen verschiedenen Gruppen wie bei den Jägern und Sammlern wurde allerdings bei Schimpansen bisher nicht dokumentiert. Womöglich eine Erklärung, warum die Menschheit im Gegensatz zu unseren nächsten Verwandten eine komplexe Kultur entwickeln konnten.