Es ist kaum eine Woche her, da wurden sechs neue Betriebe in Vorarlberg wegen Verdacht auf Rindertuberkulose TB   gesperrt. Bei dreien davon wurde der Verdacht bei der Organ-Untersuchung bestätigt. Einer davon im Montafon, nur 20 Kilometer Luftlinie vom Prättigau entfernt.


Die Angst ist da


Der Hof von Jann Thöny-Tuffli aus Schiers GR steht im Grenzgebiet. Der Bauer sieht die Gefahr um sich. «Das Wild kommt wirklich bis zum Betrieb», sagt er. Gerade mit dem Wintereinbruch Mitte Januar seien die Hirsche in tiefere Lagen gekommen zur Futtersuche. Jann Thöny-Tuffli hat alle Vorsichtsmassnahmen ergriffen. Seine Siloballen, die Futterkrippe und sein Miststock sind eingezäunt. So schreibt es auch das Bündner Amt für Lebensmittelsicherheit und Tiergesundheit (ALT) vor.

Seit September 2016 gilt die Verfügung, dass kein Schalenwild gefüttert werden darf und Landwirte «ihre Futtervorräte und Futterreste so lagern und entsorgen, dass sie auf […] wirksame Art vor dem Zugriff von Schalenwild geschützt sind». Rolf Hanimann, Bündner Kantonstierarzt, konkretisiert: In erster Linie müssen Siloballen zentralisiert werden und dürfen nicht vereinzelt an Waldrändern gelagert werden. Und, «wer Spuren von Wild in der Umgebung feststellt, oder aus

Erfahrung weiss, dass Wildtiere auf den Betrieb kommen», muss Siloballen, Kompost und Grüngutstellen einhagen. 
Wer das nicht tut, dem droht eine Busse bis zu 20'000 Franken.


Übertragung über Speichel


«Die Seuche ist im Wildtierbestand des Vorarlbergs nach wie vor massiv vorhanden», heisst es in der Verfügung des ALT. Gerade Futterstellen müssen gut gesichert sein, weil die TB-Erreger über die Lunge mit dem Speichel ausgehustet werden. Weitere Ansteckungsgefahr droht über den Kot und über das Gesäuge mit der Muttermilch an das Jungtier.


Infolge Hirschwanderungen zwischen Vorarlberg und den nördlichen Gebieten des Kantons Graubünden müsse davon ausgegangen werden, dass infizierte Tiere auch in Graubünden vorkommen. Das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen hat seit Juni 2014 die amtliche Überwachung von Wildtierbeständen angeordnet.

Bündner vorsichtiger als SG

Zwar zeigt die Tuberkulose in Vorarlberg nur langsame Ausbreitungstendenz in neue Gebiete. Aber die Tendenz ist da. Namentlich wurden gemäss ALT vereinzelt positive Tiere etwa fünf bis zehn Kilometer von den bekannten Hotspots erlegt . «Im Kerngebiet hat das Vorkommen zwar leicht abgenommen, dafür ist es

in den umliegenden Gebieten gestiegen», erklärt auch Kantonstierarzt Hanimann. Die Krankheit verteilt sich also.


Die Strategie der Bündner ist Überwachung und der Ausschluss des Risikos des Übertrags auf Nutzvieh. Für 19 Gemeinden im Prättigau und Unterengadin gilt das Wild-Fütterungsverbot, bzw. die Pflicht, potenzielles Futter zu sichern. Die Verfügung gilt vorläufig bis August 2018. «Im Prättigau gibt es viele, stark bestossene Alpen. Sollte hier die Seuche ausbrechen, wären die Folgen verheerend», überlegt Landwirt Jann Thöny-Tuffli. Im Kanton St. Gallen entwarnt derweil der Kantonstierarzt.


Keine Befunde beim Wild


«Wir habe die Lage analysiert und eine Risikobeurteilung gemacht», lässt St. Galler Kantonstierarzt Albert Fritsche wissen. Da gemäss den Wildbeobachtungen (Auswertung des Besenderungsprojektes) keine Bewegungen von Hirschen aus dem Risikogebiet (Montafon, Silbertal, Klostertal) nach St. Gallen erfolgten, seien sie zum Schluss gekommen, dass keine weiteren sichernden Massnahmen in der Landwirtschaft auf Gesetzesstufe verordnet werden müssten.

Ausserdem sei die Lage in Graubünden anders zu beurteilen, weil dort regelmässig grosse Herden von Hirschen aus Vorarlberg für den Wintereinstand ins Prättigau kämen und im Sommer wieder zurückgingen.

Weiter lässt Fritsche wissen, dass die Fütterung von Wild durch Privatpersonen gemäss Jagdrecht grundsätzlich schon verboten sei und deshalb kaum vorkomme. Und doch: «Auch wir halten die Landwirte im Hirschgebiet (St. Galler Oberland) an, Siloballen so zu lagern und Salzlecken- und Fütterungsstellen so zu platzieren, dass Wild und Nutztiere nicht in Kontakt damit kommen».

Nadine Baumgartner