Schienen und Strassen vollständig subventioniert

 

Laut BAFU-Mediensprecherin Rebekka Reichlin war für den Bereich Bauwesen gar nie etwas Entsprechendes geplant. Und in den Sektoren Verkehr und Energie sei die Ausgangslage eine andere: "Bei Infrastrukturen ist jeweils der Einzelfall eines bestehenden Planungs- bzw. Bauvorhabens zu beurteilen, während im Sektor Landwirtschaft die Subventionen direkt auf die Fläche wirken." Dass Schienen- und Strassenverkehrsanlagen, welche die Umwelt teilweise erheblich beeinträchtigen, vollständig von der öffentlichen Hand subventioniert werden, blendet Reichlin offenbar aus.

Andere Sektoren bleiben verschont

Die UZL sind ein Politikum. Seit ihrer Veröffentlichung vergeht kaum ein Monat, ohne dass in der politischen Diskussion der Vorwurf laut wird, die UZL würden nicht erfüllt. Alle anderen Sektoren bleiben vor solchen Vorwürfen verschont. Zwar hat das Bafu mit anderen Bundesämtern "die Beiträge der Ämter an die sektoralen Umweltziele" festgehalten. Aber diese Vereinbarungen sind äusserst vage.

Während der UZL-Bericht 221 Seiten dick ist, umfassen diese Vereinbarungen lediglich fünf bis sechs Seiten. Statt konkreter, messbarer Ziele und Forderungen sind darin höchstens ein paar Zuständigkeiten definiert.

"Das Bundesamt für Verkehr kontrolliert die Werkstätten der Bahnen bezüglich Einhaltung der Luftreinhalte-Verordnung oder stellt sicher, dass diese kontrolliert werden", heisst es darin zum Beispiel. Oder: "Bei Planung, Bau und Betrieb von Verkehrsinfrastrukturen in geschützten Landschaften von nationaler Bedeutung zieht das Bundesamt für Strassen das Bafu rechtzeitig bei."

Auch dass das Bundesamt für Zivilluftfahrt dafür sorgen soll, dass die Umsetzung verfügter Massnahmen bei den Umwelt-Baustellenkontrollen überprüft werden, kann nicht gerade als anspruchsvolles Ziel bezeichnet werden. Das lässt im Gegenteil vermuten, dass nicht einmal die minimalsten Auflagen eingehalten werden.

 

 

Konkrete Ziele nur für die Bauern

Ganz anders sieht es bei der Landwirtschaft aus. In den UZL geht es um Zahlen, Ziele und die Zeiten, bis zu denen diese Ziele erreicht sein müssen. Während das Bafu schon vor zehn Jahren der Landwirtschaft eine Liste mit rund 2’000 Ziel- und Leitarten aus dem Pflanzen- und Tierreich vorgab, die sie zu erhalten hat, hat dasselbe Amt den sektorübergreifenden Aktionsplan Biodiversität jahrelang verschleppt. Dieser Aktionsplan enthält zudem nur unverbindliche Forderungen.

Im Bereich Nationalstrassen schreibt das BAFU etwa, dass "die Zerschneidung von Lebensräumen durch Strassen einer der Hauptgründe für den Artenrückgang ist" und deshalb "die Bemühungen zur Sanierung der Wildtierkorridore verbessert und ergänzt werden sollen". Aber die einzige Forderung, die das Bafu daraus ableitet, ist dann die folgende: "Das Bundesamt für Strassen klärt ab, ob es möglich sein wird, dass der Zeitplan des Nationalstrassenprogramms Sanierung der Wildtierkorridore gestrafft werden kann." Unverbindlicher gehts nun wirklich nicht mehr.

Das ist kein Einzelfall. Es ist beispielsweise längst bekannt, dass bereits der vergleichsweise geringe Verkehr auf kommunalen Strassen ganze Amphibien-Bestände bedroht, von denen viele auf der Roten Liste stehen. Der Koordinationsstelle für Amphibien- und Reptilienschutz in der Schweiz hat rund 800 Konfliktstellen erfasst, an denen Kröten und Frösche Opfer des Verkehrs werden. Doch statt einer Sanierung dieser Konfliktstellen fordert das Bafu in seinem Aktionsplan nur: "Vorhandene Daten, welche Problemstellen im Schweizer Verkehrsnetz für die Kleinfauna aufzeigen, werden öffentlich zugänglich gemacht und allenfalls ergänzt."

Nicht einmal die staatlichen Betriebe nimmt das Amt in die Pflicht. 2009 liess das Bafu ein Konzept für einen naturschutzgerechten Böschungsunterhalt bei der SBB erarbeiten. Dieses Konzept wurde jedoch nie umgesetzt. Das einzige, was das Bafu nun im Aktionsplan vorsieht, ist, dass "ab 2021 die Vereinbarungen mit den Bahninfrastrukturbetreiberinnen um dieses Konzept ergänzt werden sollen".

Verkehrssektor verfehlt Ziel

Dass die Landwirtschaft ihren Beitrag zur Umweltschonung leisten muss, steht ausser Frage. Sie ist allein schon aufgrund der Flächennutzung in der Pflicht. Aber es ist nun mal nicht der einzige Sektor, der auf die Umwelt einwirkt. Betrachtet man zum Beispiel die gesamten Treibhausgas-Emissionen, stellt man fest, dass nur rund ein Achtel davon der Landwirtschaft zuzuschreiben ist. Der weitaus grösste Teil stammt aus dem Sektor Verkehr.

Laut dem Treibhausgasinventar hat die Landwirtschaft das Ziel der CO2-Verordnung für das Jahr 2020 bereits übererfüllt. Die landwirtschaftlichen Emissionen liegen schon heute unter dem angepeilten Wert. Der Verkehrssektor hat dagegen nicht einmal das Zwischenziel 2015 erreicht und auch im Abfallbereich haben die Emissionen zugelegt statt abgenommen - und dieser Sektor gehört erst noch der öffentlichen Hand. Und dass der Greifensee, der Lago di Lugano, Pfäffikersee und Zürichsee zu viel Phosphor enthalten, liegt nicht an der Landwirtschaft, sondern an den Kläranlagen der Siedlungen.

Besonders krass ist der Unterschied in der Gewichtung der Umwelt bei der Raumplanung. Während die Landwirtschaft in nationalen Naturschutzgebieten keine Gülle ausbringen und nur extensiv wirtschaften darf, um die Natur zu schützen, dürfen viele dieser Flächen überbaut werden. Allein in den vier Kantonen Jura, Neuenburg, Schaffhausen und Wallis liegen rund 340 Hektaren Bauzonen in nationalen Schutzgebieten und mehrere Tausend Hektar Bauzonenreserven in sensiblen Gebieten.

Gebaut werden darf teilweise auch weiterhin auf jenen Trockenwiesen und -weiden, für deren schwindende Artenvielfalt die Landwirtschaft verantwortlich gemacht wird. Trotz der grossen Bedeutung der Raumplanung wurden für diesen Sektor überhaupt keine Umweltziele definiert. Reichlin: "Im Bereich Raumplanung besteht seit mehreren Jahren eine Arbeitsgruppe aus Mitarbeitenden des Amtes für Raumplanung und des BAFU mit dem Ziel, die Abstimmung zwischen Umwelt und Raumplanung stetig zu verbessern." Was diese Arbeitsgruppen-Sitzungen zustande bringen, ist unklar. Genau definierte Umweltziele, auf die man im politischen Diskurs pochen kann, gibt es jedenfalls keine. 

Eveline Dudda