Auf dem Eisfeld der KSS steht ein Hockey-Spieler in blau-gelbem Trikot. Beim Näherkommen wird klar: Es ist eine Frau. Es ist die 20-jährige Nele Tummer. Als sie den Helm auszieht, springen ihre kurzen braunen Locken in alle Richtungen. Ihre von der Kälte geröteten Wangen und ihr schelmisches Grinsen machen sie gleich noch sympathischer.

Öfter mal was Neues

Seit zwei Jahren spielt sie im Damenteam des Eishockey Club Schaffhausen. Sie habe schon immer viel Sport gemacht, erzählt die junge Frau. Dabei sei an ihrem alten Wohnort am Zürichsee Klettern ihre grosse Leidenschaft gewesen. Und mit dem dritten Lehrjahr fand sie, sie wolle etwas Neues anfangen. Und auf dem Eis habe sie sich schon immer wohl gefühlt. So kam sie zum Eishockey. 

Und was macht sie sonst noch? Im Moment trainiert sie nur einmal die Woche und kann deshalb auch nicht an Spielen mitwirken. Denn Nele Tummer absolviert zurzeit die Landwirtschaftliche Handelsschule am Strickhof. Weiter machen, das heisst den Agro-Techniker anhängen, das möchte sie nicht. «Ich kann diese Lehrer langsam nicht mehr sehen», ruft sie aus. Schule, das sei noch nie ihre Stärke gewesen, sagt Nele Tummer.

Schicksalsschlag erlebt

Sie sei an der «Goldküste» des Zürichsees aufgewachsen, nicht auf einem Bauernhof. Seit klein auf sei sie jedoch praktisch alle Frei- und Ferientage auf dem Betrieb ihrer Nachbarn gewesen. Doch für die Lehre zur Landwirtin entschied sie sich erst nach einem persönlichen Schicksalsschlag. Nele Tummers Mutter, die sie bis zu diesem Zeitpunkt immer in der Schule unterstützt und gefördert hatte, starb an einem Schlaganfall, als das Mädchen 15 Jahre alt war. Bis dahin habe sie sich nie für eine Berufslehre interessiert und lieber eine Fachmittelschule machen wollen, erzählt die junge Frau. Und nach dem Tod ihrer Mutter wusste sie «alleine schaffe ich das nicht».

So entschied sie sich für die Lehre zur Landwirtin. Dazu habe sie auf mindestens 13 oder 14 Betrieben geschnuppert, um sicher zu gehen, ob ihr der Beruf auch wirklich gefalle. «Dabei habe ich viel Schönes gesehen aber auch viel Schlechtes.» Ihre Lehrjahre absolvierte sie schlussendlich in Rüti ZH, Oberkirch LU und Beringen SH. «Als ich nach Schaffhausen kam, wusste ich gleich, hier bleibe ich.» Auch als sie erzählt, dass sie jetzt in Hallau wohnt, «dem schönsten Fleck im Kanton Schaffhausen», da strahlen ihre Augen. Nele Tummer wohnt dort auf dem Betrieb der Familie ihres Freundes Lukas Roth. Auf dem Schorenhof fühlt sie sich zu Hause.

Mit ihrem Vater hat die junge Frau seit Abschluss ihrer Lehre keinen Kontakt mehr. Ihre beiden Schwestern wohnen bei einer Pflegefamilie und in einer betreuten Wohngemeinschaft. «Mein Vater hat sich nach dem Tod unserer Mutter sehr stark verändert», erzählt Nele Tummer. «Das war keine einfache Zeit.» Und hat sie unfreiwillig früh selbständig gemacht.

Die Entscheidung für die landwirtschaftliche Lehre empfindet sie als Gewinn durch und durch. «Ich finde es mega lässig, dass ich diese Lehre gemacht habe, mal selber Geld verdient habe», so Tummer, und man habe danach auch etwas Richtiges in den Händen. In der Familie ihres Freundes hat sie eine neue Familie gefunden. Diese Familie ist es auch, die sie nun zu ihrer Weiterbildung motiviert hat.

Ab nach Kanada

Bis zum Abschluss der Handelsschule dauert es noch ein paar Wochen. Etwa Anfang April soll sie fertig sein. Und dann? Die junge Eishockey-Dame hofft auf eine Anstellung als Beraterin im Aussendienst im Bereich Rinder- oder Kälbermast. «Aber vorher geht’s noch ab nach Kanada». Sie möchte Anfang August gehen und dort zuerst drei Monate auf einer Farm arbeiten und anschliessend noch einen Monat reisen. Der Betrieb steht aber noch nicht fest. Die Suche nach einer geeigneten Stelle übernimmt Agrimpuls. Ist denn ihr Freund glücklich über die lange Abwesenheit? «Er ermutigt mich, es zu machen und zu geniessen». Zudem seien es ja nur drei Monate und im vierten Monat komme er auch nach Kanada und sie gehen zusammen reisen. Der Betrieb auf dem Nele Tummer arbeiten möchte, müsse sicher kein Milchviehbetrieb sein.

Vom Rebbau angefressen

Nele Tummer interessiert sich dagegen sehr für die Rinder- und Kälbermast. Aber auch Feldarbeiten auf dem Traktor macht sie gerne. Ein besonderes Interesse hat in ihr zudem der Rebbau geweckt. Diesen hat sie im dritten Lehrjahr kennengelernt. Das Handwerk hat sie so fasziniert, dass sie sogar zeitweilig eine Ausbildung zur Winzerin in Erwägung zog. Doch «dies wäre mir wohl doch zu einseitig», sagt sie schmunzelnd.

Bei Nele Tummer muss etwas gehen, das wird während dem Interview klar. Nele Tummer ist eine Macherin. Auch finanziell stemme sie, trotz der 100-Prozent-Ausbildung, alles selber. Und wie soll es im Eishockey weitergehen? «Ich möchte mit meinem Team weiterkommen und hoffentlich wieder in die C-Liga aufsteigen. Ich will die Zeit einfach geniessen», beantwortet die Junglandwirtin die Frage. Sie stellt den Stock aufs Eis und schmettert den Puck ins Goal.

Jasmine Baumann