Mund «Nein, Gitanne, wir gehen nirgendwohin. Du kannst dich beruhigen.» Eveline Pfammatter-Eyer versucht, die Eringerkuh zu beschwichtigen. Doch das Tier scharrt und brüllt, wie vor einem Kuhkampf. Ein Lastwagen ist vorgefahren und wendet auf dem Platz, drei Männer reden beim Abladen laut miteinander. Die Bäuerin erklärt, wahrscheinlich glaube Gitanne angesichts des Lärms vor dem Stall, es gehe in die Arena. 

Kämpfen aus Instinkt

Gitannes Kolleginnen sind ruhig, liegen in ihren breiten Lägern oder strecken den Kopf den Menschen entgegen, um Liebkosungen zu erhaschen. Gitanne hingegen ist weiterhin angespannt. Sie «gehorcht» auch dem Bauern nicht, der in den geräumigen Stall tritt und ihr ebenfalls sagt, dass sie heute nirgendwohin gehen. Raban Pfammatter erläutert, die Kuh sei kampfbereit ob des Lärms draussen. Und, weil eine fremde Person (die Journalistin), die hörbar ihrer Freude über diese herrlichen Tiere Ausdruck gibt, im Stall umhergehe. Das zeige, dass diese Tiere seitens der Halter keine Aufforderung bräuchten, sondern aus einem Instinkt heraus kämpfen wollen bis feststehe, wer Chefin ist. Der Lastwagen fährt weg, vor dem Stall wirds ruhig, Gitanne legt sich hin und ist zufrieden.

Im grossen Freilaufstall sind verschiedene Tierrassen zusammen untergebracht. Einzig die Eringerkühe sind angebunden. Diese und zwei freche Stierkälber, die überhaupt keine Scheu zeigen, wollen jetzt gekrault werden. Vier Esel rufen von gegenüber, damit sie nicht vergessen werden und sieben Ziegen meckern, um ihre Anwesenheit kundzutun. 

Das Grauen der Flachländer

Um die Ecken der Abtrennungen im Stall schauen schliesslich 36 Pinzgauerkühe, weil sie sich auch wichtig nehmen. Die Bäuerin lacht: «Wir haben eine Arche Noah, wo es allen gut geht.» Nach dem Motto ihres Sohnes Elias: «Wenn wir mit den Tierlenji lieb sind, sind sie lieb mit uns.» Im Stall sind auch 49 Schafe untergebracht, nebenan weiden fünf Ponys und etwas weiter weg gackern acht Hennen in ihrem grosszügigen Hof. Ein Paradies für Tiere, denn die Familie liebt sie alle, inklusive die Hofhündin. «Aber», hält die Bäuerin dezidiert fest, «es sind Nutztiere, im wahrsten Sinn des Wortes.» Das würden sie ihren Kindern Elias (10) und Anna (8) so weitergeben.

Die Familie sieht sich als Landschaftsgärtnerin und trägt Sorge, dass ihre steil abfallenden Weiden zwischen 1100 und 1700 Metern Höhe in der Bergzone III – ein Flachländer kriegt schon beim blossen Hinschauen das Grauen – gepflegt werden. Was die Schafe übrig lassen, wird von den Ziegen verzehrt; schliesslich putzen die Esel die letzten Resten weg. 

Auch die Haltung der Kühe haben sich Pfammatters gut überlegt. Die stolzen und gegenüber den Menschen treuherzigen Eringer züchten sie zur Freude. Allerdings hätten sie eingesehen, dass es daneben eine andere Fleischrasse bräuchte. Auf die Pinzgauer seien sie gekommen, weil sie auch bergtauglich sind. Das Fleisch von beiden Rassen, das sie direkt vermarkten, ist feinfasrig, von rötlicher Farbe und zeichnet sich aus durch einen würzigen Geschmack. 

Hilfe nötig in Spitzenzeiten

Eveline Pfammatter stammt aus einer Bauernfamilie aus dem Dorf. Sie absolvierte die kaufmännische Ausbildung bei der Gemeinde Naters VS und blieb dort. Nie hätte sie wegziehen wollen, sagt sie, ihr gefalle es hier und sie sei glücklich. Es ist spürbar, dass sie das nicht einfach so daher sagt, sondern, dass es tatsächlich so ist. 2006 heiratete sie Raban Pfammatter, einen Nebenerwerbsbauer. Auf das, was die beiden heute vorzeigen können, sind sie zu Recht stolz. Sie halten jedoch fest, dass sie ohne die Unterstützung von beiden Familien die 40 Hektaren Land in Spitzenzeiten nicht bewirtschaften könnten. Beide arbeiteten früher nebst des Aufbau ihres Landwirtschaftsbetriebs viele Jahre zu 100 Prozent auswärts. Die Bäuerin besetzte in den rund 25 Jahren bei  der Gemeinde verschiedene Posten. So war sie Zivilstandsangestellte, Leiterin Kanzleidienste und absolvierte die Ausbildung zur Gemeindeschreiberin. Heute arbeitet sie 30 Prozent bei der Gemeindepolizei. Ihr Ehemann hatte eine Stelle bei der Lonza in Visp VS. 2015 entschied das Paar, in die Selbständigkeit zu wechseln. Sie haben ihren Entscheid  nicht bereut.

Benildis Bentolila

Dieser Artikel ist aus der BauernZeitung Printausgabe vom 8. Dezember: Mit dem Kauf eines Abos unterstützen Sie unsere Arbeit, zudem können Sie die BauernZeitung jetzt 4 Wochen kostenlos kennenlernen und dabei einen Reisegutschein im Wert von 3000 Franken gewinnen.