Als Erstes fällt der üppige, farbige und wildromantische Garten auf. Das ist das Werk von Regula Strasser. Neben dem Gemüse für den Eigenbedarf wachsen hier vor allem ganz viele Blumen in den verschiedensten Farben. «Früher habe ich mich nicht sonderlich für Pflanzen interessiert. Nun faszinieren sie mich immer mehr und ich 

frage häufig meine Eltern um Rat bei der Pflege», verrät sie und schmunzelt. Ihr gefällt, was man mit den Blumen alles machen kann. «Dekorationen und Bastelarbeiten sind mein grosses Hobby», sagt die Mutter von drei erwachsenen Kindern. Sie hat ständig neue Ideen für Arrangements aus Blumen, Moos, Holz und anderen Gegenständen aus der Natur. «Ich halte immer die Augen offen und sammle, was mir gefällt», erzählt Strasser. Mit dem vielfältigen Garten steht ihr zudem eine grosse Auswahl an Zutaten zur Verfügung.

Bücher hören beim Jäten

Der Garten ist jedoch nicht das einzige Wirkungsgebiet der 49-Jährigen. Sie hilft viel auf dem Hof mit. «Draussen zu arbeiten, finde ich etwas vom Schönsten. Ich arbeite lieber auf dem Feld, als drinnen im Haushalt», meint sie. Und ergänzt: «Schon als 16-Jährige war Landwirtin mein Traumberuf.»

Heute führt sie zusammen mit ihrem Mann Samuel Strasser einen 17-Hektaren-Betrieb im Berner Mittelland. Sie halten Milchkühe und bauen daneben Kartoffeln, Futtermittel und Getreide an.

Der Betrieb ist nicht sehr gross, und muss doch zum Leben reichen. Daher begannen Strassers früh mit dem Anbau von Kräutern für Ricola. Bis heute sind sie dieser Kultur treu geblieben.

So zieht Regula Strasser jeden März selber Eibisch an. Anfang Mai werden die jungen Pflanzen ins Feld gesetzt. Im Herbst ernten sie dann die Wurzeln des Eibischs.

Etwas anders ist es beim Salbei, der drei Jahre im Feld bleibt und bei dem dreimal pro Jahr die Blätter geschnitten werden. Bei beiden Kräuterarten gilt jedoch: Sobald sie im Freien wachsen, muss viel gejätet werden. 

Das bedeutet eine Menge Handarbeit, weil der Anbau der Kräuter biologisch sein muss und kein Herbizid gespritzt werden darf. «Ich bin manchmal tagelang am Jäten», erzählt die Bäuerin. Das kann etwas eintönig werden, aber grundsätzlich mache sie diese Arbeit gerne.

«Ich nehme CD-Spieler und Hörbücher mit und habe so wahrscheinlich beinahe die ganze Bibliothek durchgehört», sagt sie. Zum Lesen komme sie nicht häufig und so habe sie die Möglichkeit, trotzdem in andere Welten abzutauchen. «Es jätet sich dann ganz von alleine», lächelt sie.

Unter die Leute gehen 

Regula Strasser ist dort angekommen, wo sie immer sein wollte, auf einem Bauernhof, draussen an der frischen Luft. Und doch kam vor rund vier Jahren das, was sie die Midlife-Crisis nennt.

«Ich habe 20 Jahre buuret und jetzt kommen 20 weitere, genau gleiche Jahre auf mich zu», erzählt die Bäuerin von ihren damaligen Gedanken. Sie sei nicht mehr mit der gleichen Freude aufgestanden und alles sei anstrengender gewesen. Sie merkte bald, dass sich etwas ändern muss, damit sie wieder zufriedener und glücklicher werde.

Da sah sie die Stelle der Sigristin in der Kirche Thunstetten ausgeschrieben. Sie bewarb sich, wurde eingestellt. Sie macht die Arbeit schon vier Jahre. «Das ist ein guter Ausgleich für mich», erklärt sie. «So komme ich ab und zu vom Hof weg. Das tut mir gut.»

Denn als Bäuerin könne man durchaus etwas vereinsamen. «Früher ging man mit der Milch in die Käserei oder brachte ein Paket zur Post. Heute haben wir Hofabfuhr und erledigen vieles im Internet. Wo soll ich da noch Leute treffen?», fragt Regula Strasser. Sie hatte das Gefühl, etwas verschroben zu werden. Hatte sie einmal freie Zeit, hatte sie gar keine Lust, Menschen zu treffen und mit ihnen ins Gespräch zu kommen.

«Als Sigristin werde ich nun quasi dazu gezwungen. Ich kann aber auch selbstständig arbeiten und meine Leidenschaft für das Basteln und Dekorieren ausleben», erklärt sie.

Erfüllt und gefordert

Eigentlich hat sie auf dem Bauernhof genug zu tun. Doch ihr Mann habe sie voll unterstützt und sie auch ermutigt, sich zu bewerben.

Regula Strasser bereut diesen Schritt bis heute nicht: «Vielleicht hatte ich anfangs – aus den verschiedensten Gründen – ein wenig ein schlechtes Gewissen. Aber es hätte niemandem geholfen, wenn ich unglücklich wäre», sagt sie. Mit der neuen Stelle habe sie eine neue Aufgabe bekommen, die sie erfüllt und auch fordert.

«Nach getaner Arbeit in und rund um die Kirche freue ich mich immer sehr auf zuhause, die Familie, den Garten, das Bauernhofleben.»

Deborah Rentsch