Die gelernte Damenschneiderin mit angefangenem Mode- und Textildesign-Studium, Kräuterfrau und leidenschaftliche Schafhalterin, erfüllt sich ihren Traum von der Landwirtschaft. – Jedenfalls ist sie im Moment auf dem Weg dazu. Wie der Traum genau ausgeht, wird sich weisen.


Nie vergessener Traum

Viele Jahre war Brigitte Gasser in anderen Branchen unterwegs. Und dennoch war der einstige Kindheitstraum nie vergessen. Das Leben und die Stadt seien ihr jedoch dazwischen gekommen, sagt die 41-Jährige. Mit 19 Jahren wurde sie Mami eines Sohnes, drei Jahre später folgte eine Tochter. Natürlich sei es anders geplant gewesen, blickt sie zurück: «Aber das Leben hält sich, zum Glück, nicht immer an Pläne.»


Die Zeiten, als sie jedes «Füfi» habe umdrehen müssen, waren nicht nur einfach, der Lehrabschluss und die Berufsmatur mit dem Kleinkind intensiv. Aber hadern kennt sie nicht: Es sei gekommen, wie es sollte und das sei gut so. Mutter sein sei das Schönste, was sie sich vorstellen könne.

Die Familie steht bei Brigitte Gasser an erster Stelle. Das war auch der Grund, wieso sie ihr Studium nicht abschloss. Sie habe die Weiterbildung in Modedesign mit viel Elan angepackt, bald aber gemerkt, dass die Zeit nicht für alles reiche. Halbe Sachen mag sie nicht, sagt sie. Aber: «Wenn es nicht geht, dann geht es nicht. Dann muss etwas geändert werden.» Mit diesem Motto und einer gehörigen Portion Wille geht sie durchs Leben. Einen Plan B gibt es selten. «Entweder klappt Plan A oder es ist an der Zeit für etwas anderes.»


Einen solchen A-Plan verfolgt Brigitte Gasser seit einiger Zeit beharrlich. Sie sucht einen kleinen Bauernhof, um im Nebenerwerb und mit Unterstützung ihres Mannes Adrian Masshardt, einen eigenen Betrieb aufzubauen. «Glücklicherweise werde ich mit zunehmendem Alter geduldiger.» Sie weiss, dass es nicht einfach ist, an Hof und Land zu kommen. Dennoch glaubt sie fest daran, dass es klappen kann. «Ich bin ein positiv denkender Mensch.» Und sie habe bereits sehr viel Glück im Leben gehabt.


Ein häuslicher Mensch


Es gab Zeiten, da musste sie sich dieses Glück hart erkämpfen. Als Damenschneiderin war es nicht leicht, die kleine Familie zu ernähren. Ein Bürodiplom, ihr textiles Wissen und ein Flair für Farben und Formen haben die alleinerziehende Mutter vor 
15 Jahren zur Firma «Fizzen» geführt. Was mit einem Secondhand-Kleiderladen in der Altstadt von Bern begann, ist mittlerweile ein erfolgreiches Unternehmen. Ihr einstiger Chef wurde in der Zwischenzeit ihr Ehemann und schliesslich kam die jüngste Tochter zur Welt.


Die Zeiten, in denen Brigitte Gasser auf der Suche nach den neusten Trends unterwegs war, sind vorbei. Darüber ist sie ganz froh. «Eigentlich bin ich ein häuslicher Mensch.» So belegte sie vor einigen Jahren am Inforama Berner Oberland den Kurs zum Gartenjahr, lernte, wie man erfolgreich Karotten sät, Rosen schneidet und fachgerecht kompostiert. Der Fussballplatz der Kinder wurde kleiner, die Gartenbeete zahlreicher.

Das Kräuterseminar auf dem Hondrich folgte, später absolvierte die Hobby-Reiterin im Rahmen ihrer Equigarde-Ausbildung (Lehrgang rund ums Pferd) ein Praktikum im Münstertal GR. Erst habe sie nicht drei Monate in den äussersten Zipfel Graubündens reisen wollen. Aber ihr Mann, offen für Neues, unterstützte sie und hielt Kinder und Haushalt in Schwung. Als Brigitte Gasser wieder nach Hause kam, war sie nicht allein: Im Gepäck hatte sie zwei Schafe. Mittlerweile sind es vier Walliser Schwarznasen.

Nicht nur die Schafe sind ein Hingucker am Stadtrand von Bern, auch ihr Auto fällt auf: Der «Defender» parkt am Trottoirrand. An mindestens drei Tagen pro Woche gesellt er sich zu anderen Geländewagen. Freitags parkiert die dreifache Mutter an der Bioschule Schwand in Münsingen BE und drückt die Schulbank. Die Zeit im Münstertal hat ihre Neugier definitiv geweckt. Um mehr über die Landwirtschaft zu erfahren, entschloss sie sich, den Nebenerwerbskurs zu absolvieren.

Viele Erfahrungen sammeln

Zweimal pro Woche braust sie nach Oberscherli BE und arbeitet auf dem Bio-Ziegenhof der Familie Brönnimann. Brigitte  Gasser hilft bei der Feldarbeit, im Stall, in der Hofkäserei und bei der Direktvermarktung. Sie ist begeistert vom Betrieb. «Hier ist viel Herzblut zu spüren», sagt sie. Die Wertschöpfung auf dem Hof behalten, im Einklang mit Tier und Natur ist ganz in ihrem Sinn. Sollte es mit dem eigenen Betrieb klappen, möchte sie Milchschafe halten. Auf drei verschiedenen Betrieben im Emmental und im Berner Oberland konnte sie bisher viele Erfahrungen mit den wolligen Vierbeinern sammeln. Milch, Fleisch und Wolle – die klassische Dreinutzung gefällt ihr. Wege zu finden, auch Letzteres wieder wirtschaftlicher nutzen zu können, reizt sie. «Wohin die Reise mich auf meinem landwirtschaftlichen Weg noch führen mag – so oder so: Ich freue mich darauf.».

Sandra Joder

Mehr Infos: www.broennimanns-ziegenhof.ch