Hinter einem Markstand stehen? Nein, sie bestimmt nicht. «Das mache ich nie», sagte sich Isabel Otti (58) vor 28 Jahren. Also bot Ehemann Samuel Otti das Biogemüse vom Hof auf dem Markt an. Doch am Abend klingelte die Kasse kaum. Auch die weiteren Auftritte auf dem Wochenmarkt endeten mässig erfolgreich. Schliesslich wollte sich Isabel Otti selber ein Bild machen – und seitdem ist sie dem Markt treu geblieben.

Nebst dem Verkauf der guten Bioprodukte seien es die Beziehungen, die auf dem Markt gepflegt werden. Sogar bei Wind und Wetter freut sie sich, ihre Kundschaft zu treffen. Am Samstag läuft der Verkauf so gut, dass sechs Personen an der Arbeit seien. «Das ist kein Ferienjob», sagt Isabel Otti. Am Abend falle sie jeweils todmüde ins Bett.

Sie erinnert sich an ihre Direktvermarktungsanfänge zu Hause: Ganz spontan habe man zu ihr kommen können, um einen Salat zu kaufen. Auf dem Feld habe sie den Kopf geschnitten, einen Schwatz gehalten und schon sei eine halbe Stunde um gewesen – das alles für einen Kopfsalat. «Wir haben viel gelernt und optimiert», blickt die Bäuerin lachend zurück.

«Lehrblätze» gemacht

Aufgewachsen ist Isabel Otti in Gerlafingen SO. Nach der Ausbildung zur Gemeindeschwester arbeitete sie im Alters- und in einem Kinderheim. Mit derL andwirtschaft hatte sie wenig am Hut. Das änderte, als sie ihren zukünftigen Mann Samuel Otti kennenlernte. Für ihn habe es nichts anderes gegeben als die Landwirtschaft. Den Hof, den sie vor fast 30 Jahren in Oberwil b. Büren BE in Pacht nehmen konnten, haben sie mittlerweile gekauft.

Rasch stellen sie den 15 Hektaren grossen Ackerbau- und Milchwirtschaftsbetrieb auf Bio um und bauten mit dem Gemüse einen intensiveren Erwerbszweig auf. Im Gemüseanbau hätten sie so manchen «Lehrblätz» gemacht. Zu Beginn wollten Ottis alle Pflanzen selber ziehen. Auf einem eigens dafür konstruierten Setzlingstisch machten sie sich ans Werk. Ein Holzofen sollte die zartenPflänzchen im einfachen Folientunnel vor Frost schützen. Ein «Chrampf» sei es gewesen. Manchmal hätten sie um 2 Uhr in der Nacht Holz nachlegen müssen. Der Zeitplan habe nie optimal gestimmt: Einige Pflanzen keimten zu spät, andere gar nicht. Von Frühling bis Herbst sei der ganze Hausplatz mit Kisten voller Setzlinge überstellt gewesen. Schliesslich hätten sie dieses Unterfangen aufgegeben. Heute werden die Gemüsejungpflanzen von spezialisiertenBetrieben zugekauft.

Kurze Ferien, dafür mehrfach

Keine Kisten, sondern tief orange Muskatkürbisse liegen im Moment zum Nachreifen auf der Laube neben dem Hauseingang. Aufgereiht auf Strohballen wartet das Gemüse darauf, mit grossen Messern geschnitten zu werden. Bis im Frühling sind die Unmengen an Schnitzen verkauft. Ein weiteres Angebot ist das Biogemüse-Abo. Gemeinsam mit Biolandwirten der Umgebung werden rund 300 Kunden wöchentlich mit frischem Gemüse beliefert. Vor zwölf Jahren konnten Ottis eine Halle bauen: Ein schöner Hofladen mit festen Öffnungszeiten, Büro, Lagerraum, Kühlräume und Rüstplätze finden darin Platz.

Mit den Jahren habe sich folgende Arbeitsaufteilung ergeben: Samuel Otti ist für die Arbeit auf dem Feld zuständig, Isabel Otti fürs Vermarkten. Ihre Tage sind streng. Zweimal in der Woche ist der Hofladen geöffnet, zweimal steht sie in Biel auf dem Markt. Für Freizeit bleibt wenig Platz. Wenn sie eine Auszeit brauche, unternehme sie Spaziergänge mit ihrer Berner Sennenhündin Amira. Auch die Familienferien sind wichtig: zwar nie länger als eine Woche am Stück – dafür zwei bis dreimal im Jahr. Wenig Zeit hingegen beansprucht der Einkauf. In ihrem Hofladen gibt es das meiste für den täglichen Gebrauch. Es sei ihr wichtig, sich praktisch vollständig von Bioprodukten zu ernähren.

Mit Ausdauer zur Familie

Mittlerweile läuft der Betrieb wie am Schnürchen. Eine Lehrtochter, ein Lehrling und ein Ehepaar aus Rumänien helfen bei der intensiven Handarbeit. Auch die Töchter helfen so gut es geht auf dem Betrieb mit. Die beiden älteren stecken in ihren Ausbildungen: Skaisté (18) lernt Koch und Ugné (16) Landwirtin. Zimanté (14) besucht die achte Klasse. Die drei Schwestern stammen aus Litauen und gehören seit acht Jahren zur Familie. Fast schon hat Isabel Otti nicht mehr daran geglaubt, dass es mit einer Adoption noch klappen wird. Der Weg sei lang, beschwerlich und manchmal schier aussichtslos gewesen. Nur dank Beharrlichkeit, Ausdauer und mit viel Glück haben Ottis die vielen Hürden meistern können.

Sandra Joder

Artikel aus der BauernZeitung 24. November: Lernen Sie die BauernZeitung jetzt 4 Wochen kostenlos kennen und gewinnen Sie einen Reisegutschein im Wert von 3000 CHF