Im knallroten Arbeitsoverall öffnet Verena Steiger die Türe zu ihrem Arbeits- und Wohnort, zum Maskenatelier Steiger in Steinen SZ. Wer zum ersten Mal bei Verena Steiger eintritt, ist vielleicht etwas irritiert. Man wird von 400 «Gesichtern» empfangen, fast wähnt man sich in einem Beinhaus. Aber die «Gesichter» sind der eigentliche kulturelle Schatz des Maskenateliers, die Gipsformen für die Masken.

Ein seltenes Handwerk

Von Herbst bis zur Fasnacht herrscht Hochbetrieb im Atelier. Aber eigentlich dreht sich das ganze Jahr um die Masken. «Nach der Fasnacht ist bereits wieder vor der Fasnacht», meint Verena Steiger. Hunderte von traditionellen Masken fertigt die Künstlerin an. Die gesamte Innerschweiz, Urnäsch AR, Einsiedeln SZ und Altstätten SG fasnächteln in ihren Masken. Da die Masken vergänglich sind – in Schwyz gibt es sogar den Brauch, dass die Masken am Fasnachts- Dienstag verbrannt werden – geht ihr die Arbeit nicht aus. Sie kreiert aber auch Masken für Künstler und Theater im In- und Ausland. Eine eigentliche Berufsbezeichnung für ihr Tun gibt es nicht. Am ehesten passe vielleicht der Ausdruck Maskenbauerin, so Steiger, denn es sei ein eigentliches Handwerk. 1982 übernahmen Verena Steiger und ihr Mann Thomas die Maskenfabrik. Das heisst, die traditionellen Gipsformen und einige Maschinen. Sie war für die Produktion zuständig, der Partner mehrheitlich für den Verkauf. Seit der Trennung 1992 führt die umtriebige Frau das Atelier alleine.

Sinnliche Arbeit

Für eine Maske braucht Verena Steiger unterschiedlich lange. Für eine klassische Fasnachtsmaske zirka eine Stunde, für eine Spezialanfertigung bis zu einem Monat. Ist bereits eine Gipsform vorhanden, wird diese mit Öl eingefettet und dann mit drei Lagen Gipsgazen überzogen. Als nächsten Schritt trägt sie Weissleim auf und arbeitet mit Baumwollstoff weiter. Für Spezialanfertigungen und Künstlermasken muss sie zuerst ein Tonmodell anfertigen, bevor sie die Gipsform giessen kann. Schaut man der Künstlerin über die Schulter, meint man fast, sie liebkose ein Gesicht. Mit so viel Sorgfalt und Sinnlichkeit streicht sie den Leim und drapiert sie die Stoff- stückchen. 2018 steht ein grosses Projekt an. Verena Steiger und Heiri Scherer, Buchautor aus Zug, wollen das fast verlorene Kunsthandwerk in einem Buchprojekt fest- halten. Die Künstlerin freut sich darauf, weiss aber auch, dass ein solches Projekt viel Arbeit bedeutet.

Melken und Mähen

Verena Steiger ist auf einem kleinen Selbstversorgerhof in Seelisberg UR aufgewachsen. «Wir hatten drei bis vier Kühe, ein Schwein, zwei Ziegen und ein Schaf.» Die Mutter war leidenschaftliche Fasnächtlerin. Mit 16 ging die junge Frau für zwei Jahre ins Welschland. Zuerst als Au-pair, danach arbeitete sie in einer Kinderkrippe. In den Sommerferien musste sie jeweils zurück auf den Hof und mithelfen. «Ich kann Gras mit der Sense mähen und Kühe von Hand melken», meint Verena Steiger schmunzelnd. Eine Kollegin von der Kinderkrippe gab ihr dann den entscheidenden Tipp für die Berufswahl: «Du machst beim Spazieren immer so schöne Blumensträusse, werde doch Floristin.» Das tat Verena Steiger dann auch. In der Gewerbeschule wurden die Fächer Zeichnen und Gestalten gelehrt, das weckte ihr Interesse an Kunst. Nach der Lehre besuchte sie verschiedene Kurse an der Kunstgewerbeschule.

Leidenschaft Aikido

Ein Geschäft zu führen mit zwei Kindern, die heute 35, respektive 33 Jahre alt sind, forderte viel Organisation. Der Haushalt musste deshalb unkompliziert und pragmatisch geführt werden, was aber nicht heisst, dass die Qualität nicht stimmte: Verena Steiger kocht und bäckt gerne. Zum Kaffee tischt sie Selbstgebackenes auf. Nur putzen mag sie gar nicht. «Ich leiste mir einmal im Monat eine Putzfrau», gesteht sie schmunzelnd.

Eine andere und langjährige Leidenschaft von ihr ist das Aikido, eine japanische Kampfsportart. Aikido schult Beweglichkeit und Körpergefühl und stärkt Kraft und Kondition. An einem internationalen Aikido-Event bemerkte sie während den Übungen, dass ihr die Bewegungen leicht fallen. «Der Hüftschwung und die Bewegung der Hände sind wie das Mähen von Hand.»