Grosswangen Barfuss und trotzdem erstaunlich flink kommt Agathe Gehrig über den Kiesplatz gelaufen. Die Begrüssung sprudelt aus ihr heraus, genauso wie die Antworten auf die Fragen zu ihrem Bauernhof und die Geschichten dazu, von denen es viele gibt. Die Geschichten handeln von Agi, wie sie alle nennen, und ihren Töchtern. Und sie handeln von ihren zahlreichen Helfern, die regelmässig auf dem Hof zu Besuch sind.

Drei Frauen und Kräuter

Agi Gehrig führt den Biobetrieb Dönihus in den Hügeln von Grosswangen LU zusammen mit ihren beiden Töchtern Lilian und Nadine. Die Bauerstochter hat 1993 den Hof von ihrem Ex-Mann übernommen. Anfangs verpachteten sie das Land. Seit 2009 bauen die drei Frauen auf den vier Hektaren selbst an. In erster Linie Kräuter: Verbene, Kornblume, Brennnessel, Apfelminze oder Zitronenmelisse, um nur einige zu nennen. Unterstützt werden sie von den Lebenspartnern der Töchter. 

Alle arbeiten ausserdem auswärts. Auch Agi Gehrig: Sie war lange in der Gewaltprävention tätig. Sie unterstützte Frauen und Mädchen dabei, für das eigene Wohlergehen Verantwortung zu übernehmen. Nun hat sie jedoch eine neue Aufgabe übernommen. Sie leitet die Beratungsstelle «Lueg jetzt». Ausserdem ist sie Geschäftsführerin der IG «Lueg jetzt», einem Zusammenschluss von Landwirtinnen und Landwirten, die sich gegenseitig unterstützen und vor allem auch junge Berufskollegen beraten. 

Gute Beziehungen und Bekannte sind Gehrig persönlich und im eigenen Berufsalltag wichtig. Sie ist froh, kann sie auf ihre Familie zählen: Wenn zum Beispiel 6000 neue Zitronenmelisse-Setzlinge kommen, versuchen sich Töchter und Partner Zeit freizuschaufeln, um mitanpacken zu können. Doch die wohl ungewöhnlichste Zusammenarbeit pflegen Gehrigs mit Konsumentinnen und Konsumenten.

Nerv der Zeit getroffen

Jeden Freitag kommen Leute aus der Gegend und Luzern zum Dönihus, um auf dem Hof mitzuhelfen. «Wenn von der Enkelin über den Chefbeamten bis zur Laborantin alle zusammen das Kräuterfeld jäten, dann tut das gut und macht alle glücklich», erzählt Gehrig. Das Angebot scheint einen Nerv der Zeit zu treffen: «Die Menschen sind zufrieden nach einem Tag an der frischen Luft. Sie geniessen es, mit den Händen zu arbeiten. Sie sagen mir Dinge wie ‹Jetzt spüre ich mich wieder›», erzählt die 56-Jährige. Den Konsumenten fehle heute der Bezug zur Landwirtschaft. 

Die Bäuerin ist überzeugt, dass Kunden, die gesehen haben, wie die Lebensmittel hergestellt werden, diese Produkte schätzen. «Sie sind stolz auf ihre selbst gepflanzten Kräuter und wollen nur noch unseren Tee trinken», erzählt sie und lacht. Die Leute bekommen zu sehen, was es heisst, Nahrungsmittel zu produzieren und nehmen die Produkte im Laden nun anders wahr: «Viele, die uns helfen, kaufen nun auch die krummen Rüebli», meint Gehrig. Sie ist überzeugt: Alle gewinnen, wenn sich die Landwirte öffnen. Die Kommunikation zwischen Produzenten und Konsumenten sei sehr wichtig, damit sich beide Seiten verstehen. Denn keine Partei kann ohne die andere. 

Das Angebot des Mitwirkens auf ihrem Hof bedeutet einen Mehraufwand. Agi Gehrig kocht immer für alle, so dass die Helfer ein gesundes Bio-Menu geniessen können. «Aber alle Beteiligten profitieren. Es ist ein Geben und Nehmen. Die Gäste erleben die Natur. Und unsere Überzeugung strahlt aus. Wir wissen, dass es genügend gesunde Nahrung für alle gibt. Wir möchten, dass sie für alle zugänglich und erschwinglich ist», erklärt Gehrig. Sie habe auch keine Absatzschwierigkeiten, sagt sie zufrieden. Die Kräuter gehen an Ricola und Dixa. Ein Teil trocknet die Familie selbst, mischt eigene Tees und verkauft diese, zusammen mit selbst angebautem Kürbis, Spargeln oder Gurken auf dem Markt. 

Zusammen beim Znacht

Kulturen, die viel Handarbeit erfordern, sind auf kleinen Höfen oft die richtige Wahl, meint Gehrig. Sie bietet interessierten Landwirten an, ihnen in den ersten Jahren des Anbaus von Spezialkulturen zu helfen. Sie stellt Maschinen zur Verfügung und zeigt bei Bedarf, wie man das Hackgerät am besten durch die Kräuterreihen steuert. «Mir ist bewusst, dass unser Bauernhof nicht dem Durchschnitt entspricht. Ich will nicht sagen, dass unsere Art zu wirtschaften die einzig Richtige ist. Aber wenn Leute an unserem Konzept und unseren Wertvorstellungen einer vielfältigen Natur und deren Pflege interessiert sind, zeige ich ihnen sehr gerne, wie wir das machen», betont Gehrig. Sie will so ihren Beitrag leisten für eine lebendige Landwirtschaft, die den Bauern Freude bereitet.

Sie schätzt den Kontakt zu den mitarbeitenden Kunden: «Es gibt nichts Schöneres, als mit Freunden und Bekannten auf dem Feld zu arbeiten, dabei zu singen und am Abend alle zusammen gemeinsam am Tisch beim Znacht versammelt zu haben», sagt Agi Gehrig und strahlt. 

Deborah Rentsch

Dieses Porträt finden Sie in der BauernZeitung vom 22. Juni. Lernen Sie  die BauernZeitung jetzt 4 Wochen kostenlos kennen und gewinnen Sie einen Reisegutschein im Wert von 3000 CHF.