In der heutigen hektischen und technisierten Welt suchen viele Menschen wieder die Einfachheit und den Weg zu sich selbst. Eine sehr geeignete Art, sich zwischendurch auf das Wesentliche zu besinnen, ist das Wandern entlang eines Pilgerwegs. Menschen, die sich an den kleinen Dingen am Wegesrand freuen und den Boden unter den Füssen spüren können, wissen meistens, was das Leben bedeutet.

Beim Pilgern spielen nicht immer religiöse Hintergründe mit, dass Leute sich für eine Wanderung entscheiden. Vielmehr ist es auch die Freude und Entdeckungslust, die zum Aufbruch veranlassen. Bekanntester Pilgerweg ist der Jakobsweg. Eine grosse Anzahl von Wegen führt durch Europa zum Grab vom heiligen Jakobus, nach Santiago de Compostela in Spanien.  

Hunderttausende von Pilgern


Pilgern ist auch in der Schweiz ein grosses Thema. Seit dem Jahr 2009 gibt es einen Dachverband Jakobsweg Schweiz. Das Mitglied Pilgerverein Jakobsweg bietet unter www.jakobsweg.ch eine Übersicht über die verschiedenen Routen sowie über alle Übernachtungsmöglichkeiten in der Schweiz. Gerade in den Sommermonaten ist eine gute Planung ganz wichtig. Alleine ist man auf den Pilgerwegen meistens nicht, denn die Zahlen sprechen für sich. Nach Statistiken des Domkapitels der Kathedrale von Santiago de Compostela gab es 1970 nur gerade 68 Pilger. Im Jahr 2013 fanden 215 00 Menschen als Pilger den Weg nach Nordspanien.  


Die Jakobsmuschel sowie gelbe Pfeile sind wichtige Hinweise und Orientierungen entlang des Weges. An diesen und sehr guten Wanderführern orientieren sich viele Menschen, die als Pilger unterwegs sind.


Einen lange gehegten Wunsch verwirklicht


Stellvertretend für Tausende kommt nachfolgend eine weibliche Wandergruppe zu Wort.


Auf der nationalen Wanderroute in der Schweiz, Via Jacobi 4, von Luzern nach Rüeggisberg, wanderten im September 2014 Landfrauen aus dem Landkreis Helmstedt. Unterwegs wurden gute  Kontakte mit Luzerner und Berner Landfrauen gepflegt. «Wir pilgern absolut nicht schweigsam und geniessen die gemeinsame Auszeit, die wir uns genommen haben», waren sich Brigitte Knust, Ines Rautenschlein-Brübach, Ilona Maushake, Almut Viedt und Elke Milch einig.

Die fünf Frauen hatten einen langgehegten Wunsch wahrgemacht und mit dem Projekt «Pilgerweg» während fünf Tagen ein spezielles Stück Schweiz entdeckt. Auf dem Pilgerweg gingen sie die Wegstrecke 7, den «Luzernerweg». Er führt von Luzern über Werthenstein, Willisau, Huttwil, Burgdorf, Gümligen bis nach Rüeggisberg. Seit rund zwanzig Jahren bestehen Verbindungen zwischen dem Verband bernischer Landfrauenvereine (VBL) und dem Landfrauen Kreisverband Helmstedt, Niedersachsen. Daraus entstand die Idee, in der Schweiz einen Pilgerweg zu entdecken. Nicht die Höchstleistung stand im Vordergrund, sondern die gemeinsamen Entdeckungen.

Durch VBL-Präsidentin Rita Gfeller wurden vor Ort organisatorische Details geklärt. «Dank dieser Hilfe haben wir es gewagt, wobei wir uns immer klar waren, dass wir nicht unsere letzten körperlichen Kräfte fordern», meinten die gut gelaunten Frauen.

Viele Kontakte geknüpft


Bereits nach dem ersten Tag hatten sie ihr Tempo zum Wandern gefunden und lernten den Rucksack zu tragen. Wichtig war die Landschaft zu geniessen und genügend Pausen zu machen. So entdeckten sie die praktischen, bequemen Bänkli und erfreuten sich am erlabenden «Hahnenwasser». «Es hat alles gepasst, uns wurden keine Steine in den Weg gelegt. Sehr positiv waren auch die vielen Kontakte mit den Leuten unterwegs und an den Übernachtungsorten. Speziell war es, dass diese sowohl in Pilgerunterkünften, aber auch bei Bäuerinnen und Landfrauen waren. Von den Mirabellen frisch vom Baum bis zum Pilgerkaffee im kirchlichen Zentrum wurde uns viel angeboten», stellten die deutschen Landfrauen fest.


Geschätzt wurden auch die gepflegten Wege, die in angenehmer Abwechslung durch Weiden, Felder und Wälder oder sogar nahe an den Siedlungen führten. Klar erkennen konnten die «Pilgerinnen» den Unterschied zwischen den Kantonen Luzern und Bern. Dies vor allem in den besuchten Kirchen.

Fünf Etappen leisteten die Helmstedter Landfrauen. Von Luzern nach Werthenstein, von Werthenstein bis Willisau, von Willisau bis Huttwil, von Huttwil bis Burgdorf und von Gümligen bis Rüeggisberg.

Nachdenken über die Dinge


Erstaunen löste bei den Frauen das Ökumenische Zentrum Kehrsatz aus. Die St. Andreas Kirche wird von beiden Konfessionen, evangelisch-reformiert und römisch-katholisch, für die jeweiligen religiösen Feiern und Dienste genutzt. Im Grundstein der Kirche wurden die Worte aus Johannes 17, Vers 21, «Auf dass sie alle eins seien», eingemeisselt.

Die besondere Woche, losgelöst vom Alltag, bot den Frauen speziell Gelegenheit über viele Dinge nachzudenken. «Sicher werden wir uns noch lange an diese speziellen Tage erinnern, ein sichtbares Zeichen dafür sind die Pilgerstempel, die wir haben», hielten die Pilgerinnen zum Schluss fest. Diese fanden sie in der Franziskanerkirche, Luzern, im Wallfahrtsort Werthenstein, in der Pfarrei St. akobus, Geiss, in der Pfarrkirche St. Johannes, Ufhusen, der reformierten Kirche Huttwil, der Stadtkirche Burgdorf, der Kirche Kehrsatz und in der Kirche Rüeggisberg.

Barbara Heiniger

Die Autorin ist Mitglied der  
Redaktionskommission des Schweizerischen Bäuerinnen- und Landfrauenverbands (SBLV).