Kürzlich gab es bei uns zum Zmittag neue «Härdöpfel» aus dem eigenen Garten. Dabei haben wir gar keinen Gemüsegarten. Und wir sind auch nicht unter die Kartoffelbauern gegangen. 

Der Fund im Keller

Irgendwann während des Corona-Lockdowns räumte ich, wie es wohl viele ebenfalls gemacht haben, im Keller auf. Zuhinterst auf dem Gemüsegitter fand ich drei vergessen gegangene «verschmurelete» Kartoffelknollen, voll verziert mit Kiemen. Ich setzte sie in einen grossen Blumentopf, in dem nichts wuchs. (Ich hatte eh vergessen, was ich dort im Frühling gepflanzt hatte.) Mein Mann Roland lachte mich aus: «Nimmt mich wunder, ob du im Herbst ernten kannst.»

 

Zur Autorin

Benildis Bentolila schreibt seit 21 Jahren als Autorin für die BauernZeitung. Sie wuchs im Bergbauerndorf Amden SG zusammen mit sechs Geschwistern auf. Obwohl sie schon viel erlebt hat im Leben, ist sie immer wieder von den kleinen Dingen im Alltag fasziniert.

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Benildis Bentolila als Kartoffelbäuerin (Bild zVg/BB)

 

Ganz schnell schoss das Kraut in die Höhe. Es wurde höher und höher, aber es blühte nicht. Dabei erinnerte ich mich, dass die Kartoffelpflanzen irgendwann blühten. Daneben ist mir auch geblieben, dass wir jeweils Mittwochnachmittage lang im riesigen Feld, dessen Ertrag für meine neunköpfige Familie mehrere Monate reichen musste, diese glitschigen, stinkenden gelb-schwarz gestreiften Käfer ablesen mussten. Für Chemie hatten meine Eltern kein Geld.

Kluger Rat vom Bruder

Ich fragte meinen Bruder Alban, der zusammen mit seiner Frau Rita erfolgreich einen grossen Gemüse- und Blumengarten unterhält, um Rat für meine Kartoffelzucht. «Es gibt Sorten, die nicht blühen», klärte er mich auf. Ich solle die Stauden Stauden sein lassen, bis sie alle verwelkt am Boden liegen würden. Nur ja nicht vorher daran reissen. Ich solle meine Neugier zähmen. 

Das Kraut stand wochenlang stramm, wie um mich auf die Folter zu spannen. Als ich die Pflanzen einmal goss, war ich drauf und dran, wenigstens ein bisschen an einem Stielchen zu ziehen. Aber dann sah ich Alban vor mir, mit erhobenem Zeigfinger.

Der Kartoffel-Krimi

Es kam der Tag, an dem alle Stauden darniederlagen. Endlich durfte ich an ihnen ziehen. Ich bat meinen Mann Roland, bei diesem feierlichen Augenblick dabei zu sein. Erste Pflanze: nichts, nur Wurzeln. Zweite Pflanze: dasselbe. Dritte Pflanze: Ein munzig kleines Kartöffelchen, das sich Roland gleich in den Mund schob und zerknackte: «Ich muss die doch versuchen,» sagte er. «Ausserdem mag ich Kartoffeln erst, wenn sie die Sau gefressen hat.» 

Der Kartoffel-Krimi ging weiter. Vierte Pflanze: Eine grössere Knolle – und dann war fertig. Vorsichtig stach ich in die Erde. Und, oh Wunder, ich spürte etwas da und dort! Schliesslich ergab die Ernte genug für mindestens zwei Mittagessen. Ich war überglücklich und berichtete das Bekannten mit Gärten und meinen Bäuerinnen.

Viel Lob von allen Seiten

Es kamen viele Gratulationen und herrliche Kommentare zurück. Etwa von der Bäuerin Carmela Handschin aus Bubendorf BL: «Das sind ja knollige Nachrichten, so schön – und das Grüne wegschneiden, gäll, da hatte das Nachtschattengewächs zu viel Tagessonne. Stell dir vor, du hast mindestens zwei Mahlzeiten erarbeitet, ohne Spritzmittel und Co. In Corona-Zeiten ein wertvolles Essen. Wie wäre es, wenn du es nächstes Jahr mit anderem ausprobierst, vielleicht mit einem Schokoriegel oder Kaffeebohnen? Ich wäre sofort Abnehmerin.»