Bio Suisse beschloss 2017, dass im Rahmen der Strategie "Avanti 2025" bis im Jahr 2025 ein Viertel der Schweizer Landwirtschaftsbetriebe biologisch produzieren sollen. Im Jahr 2018 betrug der Anteil Biobetriebe 14.3%, aktuellere Zahlen sind noch nicht bekannt. Über die Schweiz verteilt ist die Dichte der Biobetriebe sehr heterogen. Bio-Hotspots sind Bergregionen (Graubünden, Tessin, Jura), während im zentralen Tiefland der Westschweiz nur wenige Biobetriebe zu finden sind. Diese Verteilung hat sich seit 1999 kaum verändert.

Der Nachbar: Inspiration und Informationsquelle

Sind Gebiete mit einer geringeren Dichte von Biobetrieben «von Natur aus» weniger geeignet für den Biolandbau? Oder ist die tiefere Dichte der Biobetriebe selbst Grund für die geringere Bio-Ausdehnung? Der junge Agrarwissenschaftler Marc Chautems wollte im Rahmen seiner Masterarbeit herausfinden, ob der Standort oder die Nachbarn einen grösseren Einfluss auf die Entscheidung zur Umstellung haben. «Wenn zwei Bauernhöfe dieselben Standortfaktoren haben, dann stellt ein Landwirt, bei dem 5 aus 20 Nachbarn Biobauern sind, 1.7-mal eher auf Bio um, als einer der keine Biolandwirte als Nachbarn hat», sagt Chautems. Dieser Einfluss der Nachbarn habe von 1999 bis 2017 interessanterweise weder zu- noch abgenommen, während der Einfluss von Standortfaktoren abgenommen hat.

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Standortfaktoren fassen regionale Eigenschaften zusammen, die «natürlich» in einer Region präsent und unabhängig von Bio sind: Merkmale des Betriebs (u.a. Alter des Betriebsleiters, Grösse des Bauernhofs), Klima und Boden (u.a. Berg-/Talzone, Niederschlag), Kultur (u.a. Beliebtheit der Grünen Partei, Sprachzone), Bevölkerung (u.a. Stadt/Land).

Räumliche Abhängigkeit ist der Effekt von Nachbarn auf die Entscheidung, selber den Betrieb umzustellen. Viele Landwirte beziehen mehrheitlich Informationen von anderen Landwirten.

Zuerst konvertieren risikoarme Betriebe

Chautems erklärt sich das mit dem anfänglich grossen Neuheitswert und der anschliessend grösseren Komplexität der Umstellung: «Anfangs haben viele graslandbasierte Höfe auf Bio umgestellt. Es war ein neuer Trend, daher noch ziemlich unbekannt. Die Rolle des Nachbarn war es, Inputs zu geben und bei der Umsetzung mit Tipps zu unterstützen.» Später habe sich die Nachfrage nach Bioprodukten vergrössert und auch nicht-graslandbasierte Höfe hätten angefangen, umzustellen. «Damit Höfe mit Acker- und Spezialkulturen erfolgreich umstellen, ist der Informationsbedarf hoch. Ein Nachbar, der bereits auf Bio umgestellt hat, ist in einer solchen Situation eine wichtige Informationsquelle», sagt Chautems.

Zuerst konvertieren also Landwirtschaftsbetriebe in Regionen, in denen die Umstellung auf den ökologischen Landbau weniger Investitionen erfordert und daher weniger risikoreich ist. Chautems ergänzt: «Später wurden Betriebe mit komplexeren Produktionssystemen zuversichtlich genug, um die hohen Investitionen zu tätigen, die mit einer Umstellung verbunden sind.» Wenn vielfältigere Betriebe auch auf Bio umstellen, nimmt folglich die Rolle der Standortmerkmale ab. Früher waren berg- und stadtnahe Gebiete wichtige Brennpunkte für die Umstellung auf den ökologischen Landbau, doch heute weist auch das ländliche Tiefland eine ähnliche Umstellungsrate auf. Es trägt also nicht mehr zur Entscheidung bei, ob der Bauernhof in der Berg- oder Talzone liegt, wie der Boden beschaffen ist oder ob der Hof in Stadtnähe steht.

Technische Machbarkeit ist wichtig 

Robert Home vom Departement Sozioökonomie am Forschungsinstitut für biologischen Landbau FiBL hat gemeinsam mit einem Team an der Frage geforscht, welche Faktoren Schweizer Landwirte zur Umstellung auf Bio beeinflussen. «Wir haben auch gesehen, dass Nachbarn einen grossen Einfluss auf die Entscheidung eines Landwirts haben können», bestätigt Robert Home die Resultate von Chautems. Vorbilder in der Nachbarschaft, die aufzeigen, dass Biolandbau auf einem produktiven Betrieb funktioniert, können zur Nachahmung anspornen. «Wenn ein Landwirt überzeugt ist, dass technische Probleme ausreichend gelöst sind, stellt er seinen Betrieb eher um», erklärt Home diesen wichtigen Umstellungs-Grund. Dabei zeigte er sich erstaunt darüber, wie wenige Bauern bei ihrer Entscheidung Hilfe von Beratungsstellen in Anspruch nehmen: «Der Bauer holt sich den Rat in der Regel erst, nachdem er innerlich die Entscheidung getroffen hat. Er will dann wissen, wie er die Umstellung abwickeln soll.»

Gespräch mit Bio-Nachbarn fördern

Das Forscherteam um Home schlug vor, dass Strategien zur Förderung der Umstellung auf zwei Hauptsäulen basieren sollten: Einerseits soll in ein Netz von Versorgungs- und Lieferpunkten in Gebieten mit einer geringen Dichte an Biobetrieben investiert werden. Andererseits sollen Informationsveranstaltungen den Dialog zwischen konventionellen und Biobauern fördern, um dem Gefühl «wir gegen sie» entgegenzuwirken. «Oft denken konventionelle Landwirte, dass die biologische Landwirtschaft nicht produktionsorientiert ist.» Ein Gespräch mit einem Bio-Nachbarn könne diese Falschinformationen aus dem Weg räumen.