Eine Erste-Hilfe-Tasche gehört in jeden Haushalt und in jedes Auto. Dort ist sie gesetzlich sogar vorgeschrieben. Das ist bei Pferdeställen zwar nicht der Fall, doch auch hier ist es empfehlenswert, an einem trockenen und vor Sonneneinstrahlung geschützten Ort einen Kasten oder Koffer mit Medikamenten, Verbandszeug und verschiedenen Hilfsmitteln aufzubewahren. Die sogenannte Stallapotheke gibt es als fertiges Set zu kaufen, sie lässt sich aber auch selber zusammenstellen. Die Veterinärinnen Sybil Lüthi von proEqui, der Bildungsorganisation für Pferd und Reiter, und Julika Fitzi vom Schweizer Tierschutz, zählen auf, was nach aktuellem Wissenstand nicht fehlen sollte.

Massnahmen bei Notfällen
Die beste Stallapotheke bringt nichts, wenn man im Notfall nicht weiss, was zu tun ist. Folgende Massnahmen sind bei den drei häufigsten Notfällen zu beherzigen: 

  • Kolik: Sofort den Tierarzt rufen. In der Zwischenzeit das Pferd nach Möglichkeit im Schritt führen, eine leichte Decke auflegen, da Wärme entspannend wirkt, Wasser anbieten, aber kein Futter geben, nicht Wälzen lassen, bis der Tierarzt eintrifft.
  • Geschwollenes Bein: Bein auf Wunden untersuchen und mit Wasser kühlen. Ist eine Wunde sichtbar: reinigen beziehungsweise desinfizieren und Angussverband (Polster aus Watte für den Huf) anlegen. Ohne Wunde: Kühlbandage anlegen oder Kühlgel auftragen.
  • Wunde ist nicht gleich Wunde. Es ist wichtig, Wunden auf Fremdkörper zu untersuchen und dafür falls nötig das Fell an den Wundrändern mit einer stumpfen Schere zu entfernen. Oberflächliche Wunden desinfizieren und Wundheilsalbe auftragen. Leicht blutende Wunden mit warmem Wasser säubern (das Blut reinigt die Wunde). Starke Blutungen mittels Wundauflage, Druckverband oder Abbinden stillen, zum Beispiel mit einer Baumwollbandage, die alle 15 Minuten zu lockern ist.

Gut zu wissen

  • Puls: Der Puls ist an Unterkiefer-, Mittelfuss- oder Schweifarterie fühlbar. Er beträgt bei Ruhe 28 bis 44 Schläge pro Minute; bei Aufregung und Schmerzen bis zu 120 Schläge und bei Höchstleistung bis zu 240 Schläge.
  • Atmung: bei Ruhe 8 bis 16 Atemzüge pro Minute; bei Anstrengung bis zu 120 Atemzüge und bei Höchstleistung bis zu 150 Atemzüge.
  • Temperatur: normal zwischen 37,2 und 38,2 Grad. Erhöhte Temperatur bis 38,5 Grad. Fieber ab 38,5 Grad. Bei Fohlen ungefähr 0,3 Grad höher.

Desinfektionsmittel / Salben

  • Desinfektionsmittel, zum Beispiel Jod-lösungen (Betadine-Lösung, Vetisept ad us. vet.)
  • desinfizierende Seife, zum Beispiel Betadine-Seife
  • Wundheilsalbe
  • Kühlsalbe / Kühlgel, essigsaure Tonerde (nur bei nicht offenen Wunden)
  • Achtung: Salben, die nicht mehr benötigt werden oder abgelaufen sind, sollten beim Tierarzt entsorgt werden!

Instrumente und Geräte

  • Rostfreie, ungezahnte Pinzette
  • Rostfreie, stumpfe Schere, um Haare an den Wundrändern zu entfernen und Wunden freizulegen sowie Verbandsmaterial und Tupfer zu schneiden. Mit einer stumpfen Schere besteht ein geringeres Verletzungsrisiko, falls das Pferd Abwehrbewegungen zeigt.
  • Zeckenzange
  • Taschenlampe (wobei diese mittlerweile in jedem Smartphone integriert ist).
  • Plastikspritze für Wundbehandlung oder Medikamenteneingabe. Am besten 20- bis 50-Milliliter-Spritzen, damit ein gewisses Volumen in der Spritze Platz hat.
  • Fieberthermometer. Unbedingt an einer Schnur anbinden, da das Thermometer durch die starke Sphinktermuskulatur des Pferdes sonst schnell im Enddarm verschwinden könnte, was einen ernstzunehmenden Notfall auslösen würde.
  • Handbürste
  • Schüttbecher, PET-Flasche oder kleine Spritzkanne, um Verbände anzugiessen und feucht zu halten
  • Hufmesser, Hufraspel, Hufzange
  • Zange, um einen eingetretenen Nagel am Huf zu entfernen
  • Optional: Hufschmiedwerkzeug, um abgerissene Eisen zu entfernen. Dazu braucht es jedoch Praxis und Vorkenntnisse.
  • Optional: Stethoskop zum Abhören der Darmgeräusche. Auch hierfür braucht es Übung und Vorkenntnisse.

Verbandsmaterial

  • Verbandswatterollen
  • elastische Fixierbinden oder selbsthaftende Bandagen
  • steril verpackte Gaze / Tuper / Mullkompressen
  • Vet-Klebeband für Hufverbände
  • Einweg-Kühlbeutel beziehungsweise Mehrweg-Kühlbeutel, sofern es ein Kühlfach im Stall gibt. Vorsicht: Nur eingewickelt in (sauberes) Geschirrtuch verwenden, da sonst lokal Erfrierungen möglich sind. Nicht auf offene Wunden legen.

Weitere Hilfsmittel
Manche Stallapotheken enthalten zusätzlich noch Folgendes: 

  • unelastische Baumwollbandage
  • Einweghandschuhe
  • Einwegrasierer. Hier ist allerdings Vorsicht geboten, da bei Abwehrreaktionen des Pferdes Schnittwunden entstehen können.
  • Pflaster und Arnica-Globuli für den Reiter
  • saubere Hand- und Geschirrtücher

Wichtige Kontakte / Informationen
Name und Telefonnummer des Besitzers und einer Kontaktperson
für Notfälle.

  • Name und Telefonnummer des Tierarztes und des Hufschmiedes.
  • Optional: Liste mit aktuellem Impfstand.

Literaturtipps
Helmut Ende: «Doktor Endes Stallapotheke», 240 Seiten, Verlag: Müller-Rüschlikon, ISBN: 978-3-275-01925-0, ca. Fr. 22.– (als Taschenbuch, gebunden ca. Fr. 30.–)

Katja Grundmeyer: «Naturheilkundliche Stallapotheke für Pferde», 160 Seiten, Verlag: Müller-Rüschlikon, ISBN: 978-3-275-02191-8, ca. Fr. 30.–