Wer mit offenen Augen durch die Alpen und den Jura fährt, der entdeckt die beeindruckenden Zeugen der Alpenfaltung: Offene Wände präsentieren unterschiedliche Gesteinsschichten, die sich in weichen Wellen durch die Felsen ziehen. Über Millionen von Jahren haben sich unterschiedliche Zusammensetzungen von Gestein, Sediment, Schlamm und Erdreich abgelagert und bilden den Boden, auf dem wir heute stehen. Manche dieser Schichten beherbergen begehrte Schätze in Form von Fossilien längst ausgestorbener Tiere. In der Schweiz findet man diese primär im Aargau, wo Hobbygeologen an verschiedenen Stellen die Möglichkeit haben, mit Hammer und Meissel nach Versteinerungen zu klopfen.

Wie Fossilien entstehen

Der Mensch ist erdgeschichtlich gesehen ein extrem junges Geschöpf. Lange bevor wir auftauchten, bevölkerten bekanntermassen andere Tiere den Planeten und lebten auch auf ganz anderen Oberflächen als wir sie heute in der Schweiz kennen. Vor 201 bis 145 Millionen Jahren, zwischen Trias- und Kreidezeit, war das Zeitalter des Jura-Systems. Während auf dem Festland die Dinosaurier dominierten, war ein Grossteil der noch flachen Alpenländer von einem riesigen, seichten Meer bedeckt. Hier tummelten sich nebst allerhand Muscheln auch urtümliche Kopffüsser, die Vorfahren unserer heutigen Tintenfische: Ammoniten mit schneckenartigen Gehäusen sowie torpedoförmige Belemniten.

Starben die Tiere, so sanken sie auf den Meeresboden und lagerten sich im Sediment ein. Dort konnten Hartteile wie Knochen und Schalen lange überdauern und wurden nicht so schnell durch physikalische und chemische Prozesse zerstört oder durch Mikroorganismen abgebaut. Im Laufe der Zeit wurden die toten Körper immer tiefer unter den Sedimentschichten begraben, und der entstandene Druck presste den Schlamm und Sand zu Stein.

Die organischen Bestandteile des begrabenen Tieres oder der Pflanze lösten sich auf und wurden durch Mineralien ersetzt, sodass eine Art «Steinkopie» entstand. Bei solchen in Stein eingebetteten Überresten spricht man von Versteinerungen, während auch in Permafrost erhaltene Mammutskelette oder in Bernstein eingeschlossene Ur-Insekten zu den Fossilien gehören.

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Dinosaurier in der Tongrube

Vor etwa 40 Millionen Jahren schob sich dann die afrikanische Kontinentalplatte unter die europäische und drückte die bis dahin flach übereinanderliegenden Gesteinsschichten zu Falten zusammen. So entstanden die Alpen und der Jura. Dort hat man heute an verschiedenen Orten Zugang zu unterschiedlichen Gesteinsschichten, die an die Oberfläche gedrückt worden waren. Um Fossilien zu finden, braucht es sogenannte Aufschlüsse, da das Gestein normalerweise von einer dicken Schicht Erde und verwitterten Steinen bedeckt ist. Solche Aufschlüsse entstehen entweder natürlich durch Erdrutsche oder wenn Gestein kommerziell abgebaut wird.

In der Tongrube bei Frick AG entdeckte man während Abbauarbeiten um 1961 erstmals Wirbeltierknochen. Ab 1976 fanden systematische paläontologische Grabungen statt, die 1985 in einer Sensation gipfelten: Das erste vollständige Skelett eines Sauriers wurde freigelegt. Der Plateosaurus lebte im Trias-Zeitalter vor 217,4 bis 201,3 Millionen Jahren, noch vor dem Jura-Zeitalter mit seinem ausgedehnten Meer.

Er ist ein sehr ursprünglicher Dinosaurier, der sich auf den Hinterbeinen stehend mithilfe des langen, biegsamen Halses von Pflanzen ernährte. Mit einer Länge von bis zu zehn Metern und einem Gewicht zwischen 600 Kilogramm und vier Tonnen war der Plateosaurus einer der ersten grossen Dinosaurier. Das 4,5 Meter lange Skelett aus Frick sowie eine zwei Meter grosse Lebendrekonstruktion eines Jungsauriers kann heute im örtlichen Sauriermuseum bewundert werden.

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Die Tongrube, in der das Skelett gefunden wurde, ist für Besucherinnen und Besucher gesperrt. Diese können jedoch auf dem unmittelbar daneben liegenden Klopfplatz ihr Glück bei der Suche nach Versteinerungen probieren. Hier werden immer wieder fossilienhaltige Gesteinsbrocken aus der Grube abgeladen, sodass man sich mit Hammer und Meissel bewaffnet ans Werk machen kann.

Die Gesteinsschichten stammen hier aus dem Zeitalter des unteren Jura und sind relativ hart, was gerade für Kinder etwas frustrierend sein kann. Statt sich an den grossen Brocken abzumühen, empfiehlt es sich daher, mit einem schweren Hammer kleinere Steine zu zertrümmern und darin nach versteinerten Muscheln und Ammoniten Ausschau zu halten. Praktischerweise befindet sich der Klopfplatz direkt neben dem Bahnhof Frick etwas erhöht auf einem Hügel. Er ist daher auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln gut zu erreichen. An ausgewählten Sonntagen im Sommer und Herbst sind Mitglieder des Vereins «Geologisch-Paläontologischer Arbeitskreis Frick» vor Ort und helfen bei der Bergung und Bestimmung der Funde.

Vom Steinbruch zum Naturparadies

Wenige Autominuten weiter östlich gibt es eine zusätzliche Stelle, die für ihren Fossilienreichtum bekannt ist. Das Naturschutzgebiet Schümel befindet sich im ehemaligen Steinbruch des Zement- und Betonwerks Holderbank. Hier kann man auf besonders beeindruckende Art und Weise die Alpenfaltung bewundern. Die sogenannten Effinger-Schichten aus dem späten Jura-Zeitalter haben sich hier zusammengeschoben. Darunter liegen die fossilienreichen Birmenstorfer-Schichten aus Kalkstein und Mergel, die wesentlich weicher und brüchiger sind als die Gesteinsschichten des früheren Juras aus der Fricker Tongrube. Hier braucht man weniger Kraft, um die Felsbrocken aufzubrechen und nach Fossilien Ausschau zu halten.

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Beim Bahnhof Holderbank AG weist eine grosse Statue in Form eines Ammoniten in der Mitte des Dorfkreisels den Weg zum Steinbruch Schümel. Wer mit dem Auto anreist, muss dieses beim Bikepark stehen lassen und den Rest ebenfalls zu Fuss gehen. Über einen Pfad gelangt man in das Naturschutzgebiet, wo manzwischen den Felsen Pionierpflanzen wie Huflattich (Tussilago farfara) und Wegwarte (Cichorium intybus) bewundern kann. In dem einzigartigen, vegetationsarmen Klima des Steinbruchs befinden sich einigeTümpel, die eine vielfältige Tier- und Pflanzenwelt beherbergen und die einem den Aufstieg in den oberen Teil mit der einen oder anderen schönen Sichtung versüssen.

Gelbbauchunken (Bombina variegata) und Kreuzkröten (Epidalea calamita) nutzen die Teiche als Brutplatz, und mit etwas Glück schlängelt sich eine Ringelnatter über den Weg. Der Südliche Blaupfeil (Orthetrum brunneum) und der Plattbauch (Libellula depressa) gehören zu den Libellenarten, die als erste Wasserinsekten die Kleingewässer des aufgegebenen Steinbruchs besiedelten. Die seichten Tümpel sind zudem ein Rückzugsgebiet vieler bedrohten Pflanzenarten wie des Zitzensumpfrieds (Eleocharis mamillata).

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Bergauf geht es dann in einem etwa 10-minütigen Fussmarsch zu einer öffentlichen Grillstelle, von wo aus man einen schönen Ausblick auf die Aare hat. Bevor man etwas weiter oben die kurze geteerte Strasse betritt, sollte man sich auf dem Schild vergewissern, dass keine Schiessübungen stattfinden. Eine entsprechende Schiessanzeige kann man auch auf der Website desNaturschutzgebiets (schuemel-naturschutz.ch) herunterladen. Während des Standschiessens darf das Gelände auf keinen Fall betreten werden, denn dann besteht Lebensgefahr. Ausserhalb der Schiesszeiten führt einen der Weg in den oberen Teil der Steingrube, wo man linkerhand die bröckeligen Schichtenpakete erkennen kann.

Hier braucht es oft noch nicht mal Werkzeuge, um Fossilien zu finden. Unter den durch Witterung und Klopfarbeiten abgebröckelten Steinen am Fuss der Felswand findet man Ammoniten, Belemniten und mit etwas Glück vielleicht sogar das Skelett eines Seeigels. Mit gutem Schuhwerk und einem grossen Hammer kann man natürlich auch nach Fossilien klopfen und wird meist auch schnell fündig. Wie vom Klopfplatz in Frick darf man auch hier die gemachten Funde nach Hause nehmen.

Bei der Bestimmung der Funde hilft einerseits ein Besuch im Sauriermuseum Frick, wo besonders schöne Fossilien ausgestellt sind, andererseits besitzt auch das Naturhistorische Museum Bern eine beeindruckende Sammlung von Versteinerungen. Auf dem heimischen Regal oder dem Büroschreibtisch werden die eigenen Funde zu Hinguckern und sind eine Erinnerung daran, dass auch die Schweiz einmal von einem riesigen Meer bedeckt war.

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jurapark-aargau.ch

sauriermuseum-frick.ch

schuemel-naturschutz.ch

Empfohlene Ausrüstung

• Gutes Schuhwerk

• Schutz- oder Sonnenbrille

• Arbeitshandschuhe

• Fäustel oder Vorschlaghammer

• Maurerhammer

• Schlosserhammer

• Meissel

Fossilien des Juras

Ammoniten

Bei Ammoniten handelt es sich um die versteinerten Gehäuse ausgestorbener Kopffüsser (Cephalopoden), der Vorfahren unserer heutigen Tintenfische. Typisch bei Ammoniten sind die gezackte Lobenlinien, die die Ansätze der Kammerscheidewand an der Innenseite des Gehäuses markieren und nur sichtbar sind, wenn die Schale fehlt und lediglich der «Steinkern» des Ammoniten erhalten ist.

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Nautiliden

Der Nautilus ist der einzige heute noch lebende Verwandte der Ammoniten. Von Vorfahren der auch Perlboote genannten Tiere können ebenfalls Fossilien gefunden werden. Anders als bei Ammoniten sind die Kammerscheidewände bei Nautiliden glatt geblieben.

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Belemniten

Wie bei den Ammoniten und den Nautiliden gehören auch die Belemniten zu den Kopffüssern. Die lebenden Tiere sahen unseren heutigen Kalmaren mit den länglichenKörpern und den zehn Tentakeln ähnlich. Von ihnen blieb bei Versteinerungen nur das kalkige Innenskelett übrig, welches torpedoförmig wie ein kleines Geschoss aussieht.

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Muscheln

Verschiedene Muschelarten gehören zu den häufigsten Fossilienfunden im Aargau. Darunter die zu den Austern gehörende glatte Greifenmuschel (Gryphaea arcuata) und Verwandte der heutigen Feilenmuscheln (Limidae).

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Seeigel

Von den Seeigeln findet man meistens nur noch das Skelett, das die inneren Weichteile des Tieres zu Lebzeiten schützend umschloss. Die ovalen Gehäuse besitzen typische runde Einprägungen und erinnern entfernt an eine Art Schmuckstück.