Sie sind selten – die Themen, in denen sich die Milchbranche einig ist. Aber es gibt gemeinsame Interessen. Dann zum Beispiel, wenn es um den Export von 250 Millionen Kilo Milch geht.

Dieser war gefährdet, weil der Bund 2015 der Aufhebung der Exportsubventionen im Rahmen des Schoggigesetzes zugestimmt und eine Übergangsfrist bis 2021 ausgehandelt hatte. Ohne lange zu zögern, hat die Milchbranche eine Lösung geschaffen, um eine Umlagerung der Gelder möglich zu machen.

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Am Montag haben nun Branchenvertreter die neue Lösung im Detail vorgestellt. «Die Bundesgelder gehen direkt an den Bauern», erklärte Hanspeter Kern, der Präsident der Schweizer Milchproduzenten.

4,5 Rappen für Verkehrsmilch

Die wichtigsten Entscheide konnte die Branche bereits im Frühjahr 2017 fällen. Damit wusste laut BOM-Geschäftführer Stefan Kohler das Parlament bereits, auf was es sich einliess. Ab 1. Januar 2019 folgt nun der lückenlose Übergang von einer staatlichen zur privatrechtlichen Nachfolgelösung. Diese Nachfolgelösung entspricht in wesentlichen Teilen dem alten System: Bei der Verarbeitung von Milch- und Getreidegrundstoffen wird den Verarbeitern der Einkauf von Schweizer Produkten verbilligt. Mit dieser Agrarhilfe war es seit 1974 möglich, Schweizer Rohstoffe zu international konkurrenzfähigen Preisen abzusetzen. Mit der Nachfolgelösung des Schoggigesetzes gilt nun dasselbe, jedoch wird die Umverteilung der Mittel neu privatrechtlich organisiert. Der Bund hat dazu einer budgetneutralen Umlagerung der Mittel für neue Milch- und Getreidezulagen beschlossen. Die Zulage beträgt 4,5 Rappen pro Kilo Verkehrsmilch und wird vom Bund ausbezahlt.

«Es ist für alle Akteure ein Nullsummenspiel»

Die Branchenorganisation Milch lässt die Fondsmittel durch die Verarbeiter einziehen. Das System sei so austariert, dass es für alle Beteiligten ein Nullsummenspiel sei. Deshalb würde nur die Molkereimilch von der Nachfolgelösung betroffen sein. «Wir wollen und können uns keine Trittbrettfahrer leisten», sagte Stefan Kohler. Die Verkäsungszulage wird um 4,5 Rappen gesenkt, der Mitteleinzug auf Käsereimilch entfällt aber. «Es ist für alle Akteure ein Nullsummenspiel», betonte Kohler mehrfach.

Mit der privatrechtlichen Lösungen wird nicht wie bisher die Rohstoffpreisdifferenz, sondern die Milchpreisdifferenz ausgeglichen. «Es gibt weniger Geld für die exportierten Güter, als das bisher der Fall ist. Deshalb heisst der Fonds auch Rohstoffverbilligung und nicht etwa Rohstoffpreisausgleich», führte Kohler aus.

Monatliche Abrechnung, rollende Auszahlung

Die Abrechnung der Gelder erfolgt laut Kohler monatlich, dafür müssen die Produzenten ein Gesuch für die neue Zahlung stellen. Wie SMP-Direktor Stephan Hagenbuch sagte, liege es an den Produzenten, dass die Gelder auch zu ihnen kommen. «Es ist nicht so, dass die Mittel einfach fliessen», meinte Hagenbuch. Damit die Produzenten zu ihren Gelder kommen, müsse im persönlichen Bereich auf www.dbmilch.ch einen Antrag stellen. Wie der Geschäftsführer der Treuhandstelle Milch, Peter Althaus, ausführte, werden die Milchdaten zweimal wöchentlich an das Bundesamt für Landwirtschaft übermittelt. Danach erfolge die rollende Auszahlung durch das BLW, so Althaus weiter.

Landwirte müssen Gesuch stellen

Wie Althaus erklärt, muss jeder Produzent unter der Rubrik «Milchzulage» das Gesuch für die Zulage für Verkehrsmilch erstellt werden. Der Milchproduzent muss dazu seine Bankverbindung (IBAN) und die entsprechende Zahlungsadresse hinterlegen. Wichtig sei, dass Zahlungsadresse und Kontoinhaber übereinstimmen. Wenn beide Angaben bestätigt seien, ist der Antrag für die Milchzulage gestellt.

Die Zahlungen werden durch das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) vorgenommen. Ungefähr am 8. November werde das BLW mit einem Brief informieren, so Althaus weiter. Wenn ein Landwirt nicht über den digitalen Weg kommunizieren könne, kann auch der Milchkäufer im Auftrag des Produzenten die Kontodaten hinterlegen. Aufgeschaltet wird die neue Lösung Anfang November.

Neu gibt es Geld für Marktentwicklung 

Auf der anderen Seite stehen die Fonds, in die denen die Mittel wieder geäufnet werden. Wie Althaus sagt, wird die TSM im Bereich Milchgrundstoffe das Inkasso sowie die Auszahlungen vornehmen. Die Zahlungsfreigabe erfolge für die Beiträge der Milchproduzenten durch die Fondseigentümer, also durch die Branchenorganisation Milch.

Damit die Zahlungen ausgelöst werden können, müssen die Exporteure bei der TSM Anträge stellen. Wie bisher wird es eine Liste geben, die die Höhe der durch die Industrie bezogenen Beiträge ausweist.

Die eingezogenen Gelder werden nach folgendem System umverteilt: 80 Prozent der Mittel fliessen in den Fonds «Rohstoffverbilligung für die Nahrungsmittelindustrie», die übrigen 20 Prozent fliessen in den Fonds «Regulierung». Der Fonds Rohstoffverbilligung wird in zwei Boxen unterteilt: eine Hauptbox, die im ersten Jahr 95 Prozent der Gelder ausmacht, sowie eine Marktentwicklungsbox die im ersten Jahr 5 Prozent der Mittel enthält. Die Verteilung wird über drei Jahre von 95 auf 91 Prozent in der Hauptbox und von 5 auf 9 Prozent in der Marktentwicklungsbox angepasst.

Der Fonds Rohstoffverbilligung betrifft alle Milchverarbeiter, damit keine Marktverzerrung entsteht. Die Meldung der Exporte erfolgt an die TSM-Treuhand, monatlich oder mindestens halbjährlich. Mit dem Fonds Rohstoffverbilligung werden Produkte der Zolltarifpositionen 15 bis 22 unterstützt, die aus Milchgrundstoffen der Zollpositionen 0401 bis 0405 hergestellt werden. Unter dem Strich hat die Branche hier den Status Quo des bestehenden Schoggigesetzes festgeschrieben. Wie bisher wird auch mit der Nachfolgelösung ein Kürzungsfaktor eingeführt, um die verfügbaren Mittel vollständig verteilen zu können. Der Beitrag pro Kilo Milch im Export beträgt laut Kohler maximal 25 Rappen, die Milch muss zum A-Milchpreis eingekauft werden.

Neu hingegen ist die Box für Marktentwicklungsmassnahmen. In der neuen Box für Marktentwicklungsmassnahmen werden alle Milchhaltigen Produkte aber keine Grundstoffe gestützt. Damit sollen Innovationen besser unterstützt werden, die bisher nicht unterstützt werden können.

Der Fonds für Regulierung indes dient der saisonalen Regulierung bei hoher Milchproduktion. Er erlaube eine Stützung vom Milchfett, nicht aber Protein. Wie Kohler festhält, sind nur Produkte mit einem Milchfettgehalt von mehr als 25 Prozent beitragsberechtigt. Ausserdem muss die Milch aus dem C-Segment stammen. Der Regulierungsfonds wird von einer Begleitgruppe begleitet, muss Milch aus dem C-Segment des gleichen Monats stammen. Ausserdem haben laut Kohler die Produzenten das letzte Wort bei der Verwaltung des Fonds.

SMP steht «voll und ganz» hinter Lösung

Wie der Direktor der Schweizer Milchproduzenten, Stephan Hagenbuch, sagt, ist die Lösung neutral – sowohl für Bund, als auch die Landwirte und die Verarbeiter. Die Bundesgelder alleine reichen laut Hagenbuch dennoch nicht. Von den rund 70 Mio Franken, die für Milchexporte ursprünglich eingesetzt wurden, bleiben etwa 50 Millionen Franken. «Die Effizienz der Mittelvergabe konnte gesteigert werden», sagte Hagenbuch.

Die Differenz zum Gesamtbedarf von etwa 82 Millionen Franken wird durch die Marktakteure finanziert. Wie Hagenbuch ausführte, werden von den insgesamt 25 Rappen etwa 17 durch den Bund finanziert. Die übrigen 8 Rappen müssen innerhalb der Verarbeitungsketten ausgeglichen werden. Dennoch sagte Hagenbuch, dass die Ziele im Wesentlichen erreicht sind. «Wir stehen voll und ganz hinter dieser Lösung», so der SMP-Direktor.

«Ich bin guten Mutes, dass es gelungen ist», sagte auch BOM-Präsident Peter Hegglin in Bezug auf die Nachfolgelösung am Montag vor den Medien. Tatsächlich mussten Parlament und Verwaltung einige Gesetze anpassen. Hegglin hielt fest, dass die Beschlüsse jeweils Einstimmig gefasst werden konnten. «Es geht um viel Menge. Und es sehr für die Schweizer Milchproduzenten um substanzielle Mengen und Beträge. Wenn die Lösung nicht zum Fliegen käme, hätten wir ein Problem», meinte Hegglin. Die Branche sei aber gut vorbereitet.

Für die Produzenten sei die Nachfolgelösung «eine Rettung», sagte SMP-Präsident Hanspeter Kern. Mit der Nachfolgelösung könnten Arbeitsplätze in der Landwirtschaft und in der verarbeitenden Industrie erhalten werden. «Ich bin stolz und auch sehr erfreut, dass wir diese Lösung gefunden haben.», meinte Kern weiter. «Und der Grundsatz ist ganz klar: Wenn die Branche nicht hinter der Lösung steht, dann ist sie vom Tisch.»

Hansjürg Jäger