Gelassen steht Rosella im Stall, während Michèle Helfenstein sie melkt. Danach gibt es eine Portion Kraftfutter und die Stute und ihr Fohlen können wieder auf die Weide. Die Ponys freuen sich sichtlich. Helfenstein hält sechs Highlandponystuten und einen Hengst in Kiesen BE. Der weisse «Saft» wird heute vor allem als Zusatztherapie bei chronischen Hautkrankheiten eingesetzt. «Unsere Kunden verwenden Stutenmilch zum Beispiel bei Schuppenflechten», sagt Helfenstein. Diese führt zu punktförmigen Hauterkrankungen, welche stark jucken können.

 

#YT0#

 

Andere Eiweisse als Kuhmilch

In Russland war und ist Stutenmilch ein Volksheilmittel gegen diverse Erkrankungen. Wer Stutenmilch konsumiert, macht das oft in Form einer Kur über eine Zeitspanne von 14 bis 60 Tagen. Hierbei werden täglich 250 Milliliter der nussigschmeckenden Flüssigkeit getrunken. Ernährungswissenschaftler fanden heraus, dass die Milch bei Darmkrankheiten antibakteriell wirkt und die Verdauungsdrüsen anregt.

Stutenmilch unterscheidet sich stark von Kuhmilch, vor allem was die Zusammensetzung der Eiweisse betrifft. In Stutenmilch ist der Kaseingehalt tief und der Albumingehalt hoch, in Kuhmilch ist es umgekehrt.  Stutenmilch enthält weniger Fett als Kuhmilch, dafür aber mehr Zucker. Während Kuhmilch verträgt erhitzt zu werden, scheidet Stutenmilch beim Kochen. Sie kann somit nicht durch Pasteurisation haltbar gemacht werden. Daher wird Stutenmilch vorwiegen in 250-Milliliter-Packungen eingefroren oder zu Pulver verarbeitet.

Des Weiteren hat Stutenmilch einen generell tieferen Eiweiss- und Fettgehalt, jedoch einen höheren Zuckergehalt als Kuhmilch. Stutenmilch ist der Menschenmilch ähnlich und kann auch zur Ernährung von Säuglingen gebraucht werden. Zudem ist Stutenmilch leichter verdaulich als Kuhmilch und teilweise auch für Kuhmilchallergiker geeignet. 

Die erste Milch gehört dem Fohlen

Wie die Kuh produziert die Stute Kolostrum, das sehr fetthaltig ist und wichtige Stoffe enthält, welche die Immunabwehr des Fohlens stärken. Diese Milch wird genau wie bei den Kühen dem Jungtier überlassen und nicht für die menschliche Ernährung verwendet. «Ich melke meine Stuten während des ersten Monats nicht», berichtet Michèle Helfenstein. So erhält das Fohlen genügend Kolostrum. Nach einem Monat kann damit begonnen werden die Milch zu gewinnen.

Wichtig zu wissen ist, dass eine Stute schnell keine Milch mehr gibt, wenn ihr das Fohlen weggenommen wird. Deswegen muss die Stute immer mit dem Fohlen zusammen gehalten werden, wenn sie gemolken werden soll. Das Euter von Stuten hat eine geringe Kapazität, daher kann pro Melkgang nur eine kleine Menge gewonnen werden. «Ich trenne die Stuten etwa drei Stunden vor dem Melkgang von den Fohlen ab», erklärt Helfenstein. So kann sich das Euter füllen, damit die maximale Milchmenge beim Melken gewonnen werden kann.

«Meine Stuten werden einmal am Tag gemolken. So erhalte ich 1,5 bis zwei Liter Milch pro Tier und Tag.» Nach dem Melken werden die Stuten wieder zu ihren Fohlen gelassen, sodass auch die Jungtier noch zu ihrer Milch kommen. Studien zeigen, dass bis zu 300 Liter pro Laktation gewonnen werden können, das hängt aber stark von der Rasse ab. 

Melkmaschinen sind besser

Stuten haben zwei Zitzen, ähnlich einer Ziege. Michèle Helfenstein melkt ihre Ponys mit einer Melkmaschine für Milchschafe. Probleme, dass die Stuten beim Melken ausschlagen würden, hatte sie nie. Natürlich habe es am Anfang Geduld und Übung gebrauch. «Mein Traum ist ein Melkstand», sagt Helfenstein mit leuchtenden Augen. 

Studien zeigen, dass sich das Verhalten der Stuten durch den Einsatz von Melkmaschinen nicht verändert. Zudem war die Eutergesundheit der Tiere bei maschinellem Melken besser und der Fettgehalt der Milch höher. Das wird vor allem durch das immer gleiche Arbeiten der Maschine erklärt. Je nach Tagesform arbeitet der Melker nicht immer genau gleich oder es melken verschiedene Personen. 

Ein Nebenprodukt der Milchstutenhaltung sind die Fohlen. Doch was geschieht mit ihnen? Einige können nachgezogen werden, sie stehen dem Betrieb später als Milchstuten zur Verfügung. Je nach Rasse, die der Betrieb hält, können Fohlen auch verkauft werden. Vielfach ist es jedoch schwierig, die Fohlen zu verkaufen. Gerade auf Grossbetrieben, die jedes Jahr sehr viele Fohlen auf ziehen. Hier spielt die Mentalität der Betriebsleiter und der Kunden eine grosse Rolle. Während es in Frankreich und der Westschweiz normal ist, Fohlen zu schlachten, ist das in Deutschland und der Deutschschweiz eher verpönt. Vermutlich ist das auch ein Grund, wieso Grossbetriebe vor allem in Frankreich angesiedelt sind. «Ich verkaufe meine Fohlen natürlich lieber lebendig, als dass ich sie schlachte. Bisher hatte ich auch keine Probleme, gute Plätze für sie zu finden», berichtet Helfenstein.

Tamara Wülser