Ursina Ritters Eltern waren überrascht, als die Tochter ihnen verkündete, sie wolle Landmaschinenmechanikerin lernen. Inspirieren lassen hatte sich die Bauerntochter aus Bonaduz GR von ihren beiden Brüdern, die beide auch Schnupperlehren auf diesem Beruf  absolviert hatten. Beide lernten dann aber etwas anders. Ursina Ritter schaute sich auch Konditor-Confiseurin, Hotelfachfrau und Köchin an, aber am Schluss wurde es doch die Ausbildung zur Landmaschinenmechanikerin.

Abgezeichnet hatte sich das nicht unbedingt. «Mama dachte, ich würde Köchin werden, weil ich gerne koche und backe.» Aber: Sie mache das als Hobby und jeden Tag wäre es nicht dasselbe, sagt die 21-Jährige. Sie 
liebte es schon immer, Traktor zu fahren. «Zu Hause muss man mich nie zweimal fragen, ob ich Traktor fahren will.» Herumgeschraubt hat sie auf dem heimischen Milchbetrieb mit Mastschweinen und Aufzucht als Kind aber nicht, das kam erst mit der Lehre. 

«Etwas ganz 
machen»

Mittlerweile ist Ursina Ritter im vierten Lehrjahr bei der Firma Koch Agritech GmbH in ihrem Heimatdorf. Das Schönste an ihrem Beruf für sie? «Man macht etwas ganz, 
das kaputt war. Jedes Mal, wenn ein Kunde mit der geflickten Maschine nach Hause gehen und weiterarbeiten kann, ist das ein Erfolgserlebnis.»

Für Lehrmeister Felix Koch ist
 Ursina Ritter die erste Frau, die bei ihm eine Lehre absolviert. Anders sei das aber nicht. Höchstens, dass er einmal etwas Rücksicht auf die körperlichen Voraussetzungen nehme. «Einem Burschen sage ich vielleicht eher mal, so jetzt leg dich hier richtig ins Zeug und rupfe daran.» Ursina Ritter selbst spürte während ihrer Lehrstellensuche keine Vorurteile, weil sie eine Frau ist.

«Den Jungs zeigen, 
wo es langgeht»

Einen Tag pro Woche besucht sie die Berufsschule. Dort ist sie die einzige Frau in der Klasse. Mühe macht ihr das nicht. «Zickenkrieg gibt es definitiv nicht, die Männer sind etwas unkomplizierter.» Probleme, sich durchzusetzen, hat die mit zwei älteren Brüdern aufgewachsene Bündnerin nicht. «Ich habe früh gelernt, mich durchzusetzen, wenn ich etwas will und den Jungs zu zeigen, wo es langgeht.» Überhaupt würden sie ihre Klassenkameraden behandeln wie «einen von ihnen».

Ihr Lieblingsfach nennt sich – naheliegend – «Landmaschinen». Als wichtig für den Beruf erachtet Ursina Ritter vor allem das technische Verständnis. «Vielleicht hat man das als Frau wirklich etwas weniger, ich merke zumindest, das ich manchmal länger brauche, etwas in meinen Kopf zu bekommen als meine Klassenkameraden.» Am besten lerne sie ohnehin, wenn sie etwas praktisch ausprobieren könne.

Landmaschinenmechaniker 
sind gesuchte Fachkräfte

Die Anforderungen im Beruf stiegen stetig, sagt Lehrmeister Felix Koch, der seinen Betrieb mit zehn Angestellten im Jahr 1990 gegründet hat. Landmaschinenmechaniker(innen) haben beste Berufsaussichten. «Landmaschinenmechaniker sind sehr gefragt als Mitarbeiter.» Für seine Firma und die ganze Branche sei es zunehmend schwieriger, Lernende, aber auch ausgelernte Landmaschinenmechaniker(innen) zu finden.

Nach der Lehre kann sich Ursina Ritter vorstellen, auf dem Beruf weiterzuarbeiten. Gerne würde sie aber auch in einem Lohnbetrieb als Fahrerin arbeiten. Dort sei es aber vermutlich schwieriger, als Frau eine Stelle zu finden, vielleicht seien auch mehr Vorurteile vorhanden.

Einen Betrieb zu übernehmen und in die Landwirtschaft einzusteigen, kommt für sie eher nicht in Frage. Auch ihr mittlerer Bruder, der erst Zimmermann und dann Forstwart lernte, sieht sich eher nicht in der Landwirtschaft. Die Zukunft des elterlichen Betriebs, der derzeit auf Bio umstellt, scheint dennoch gesichert. Der älterste Bruder hat Landwirt gelernt und wird den 38-Hektaren-Betrieb voraussichtlich übernehmen.

Diesen Herbst zum 
ersten Mal an der Agrama

Ursina Ritter ist soeben mit ihrem Freund, einem Polymechaniker, in die erste eigene Wohnung im Dorf gezogen. Ihre Freizeit verbringt sie gerne auf dem Traktor oder in der Guggemusik. Natürlich trifft man sie auch auf Landtechnikmessen – etwa der Tier & Technik in St. Gallen – an. Mit der Berufsschule wird sie heuer die Agrama besuchen. Eine Premiere für die Bündnerin.

Jeanne Woodtli