Am vergangenen Wochenende waren die Türen des landwirtschaftlichen Ausbildungs- und Demonstrationsbetriebs am Wallierhof geöffnet. Ein zahlreich erschienenes Publikum nutzte die Gelegenheit, um das neue Konzept mit einer Weide- und Stallherde am automatischen Melksystem in Aktion zu sehen. Die Weideherde mit saisonalem Abkalben und das dazugehörige Weidesystem in Kombination mit Melkroboter stiess auf reges Interesse.

Ein Braunviehkalb

Dass im neu gebauten Stall am Wallierhof weder in der Stall- noch in der Weideherde, die Rasse Schweizer Braunvieh anzutreffen ist, fiel insbesondere dem Braunviehzuchtverein Solothurn auf. Diese Rasse eignet sich schliesslich sowohl fürs Weiden wie für hohe Leistungen in der Stallherde. Um diese Meinung am Wallierhof beliebt zu machen, hat sich der Braunviehzuchtverein Solothurn etwas Spezielles einfallen lassen. Ein würdiges Kalb wurde unter der Züchterschaft gesucht und bei Anton Probst in Kammersrohr gefunden. Am Samstag überreichte dann eine Delegation des Braunviehzuchtvereins Solothurn das Kalb offiziell an Direktor Jonas Zürcher. Das Wallierhofteam versprach, das geschenkte Braunviehkalb gut zu pflegen, damit die Rasse im neuen Stall würdig vertreten wird.

Viele Forderungen

Der neue Milchviehstall am ­Wallierhof ist für zwei unterschiedliche Herden ausgelegt. Einerseits eine Herde mit Hochleistungstieren, welche einen Herdendurchschnitt von 10 000 kg erreichen sollen, andererseits eine Weideherde, welche 6500 bis 7000 kg geben soll, erläuterte Jonas Zürcher den Neubau. Bereits am Freitag fand ein Forum mit Fachvorträgen zum Thema "Mit Milch in die Zukunft" statt. Die Referenten waren hochkarätig. So sprach der Bereichsleiter Tierhaltung und Milchwirtschaft am Strickhof, Matthias Schick über die Digitalisierung im Milchviehstall und was sie bringt. Der ehemalige Geschäftsführer des Schweizer Tierschutz, Hansuli Huber, referierte über Tierwohl beim Milchvieh und die Erwartungen der Konsumenten an die Milchviehhaltung. Er betonte, dass der Landwirt in Sachen Tierschutz grosse Fortschritte gemacht habe, jedoch sei bei der Bevölkerung nicht bekannt, was tierfreundliche Haltung heisse und was in der Schweiz praktiziert werde. Vielmehr sei die Landwirtschaft Projektionsfläche für Wünsche und Sehnsüchte. Die Schuld dafür sieht Huber bei den Branchenorganisationen. Werde die Bevölkerung richtig informiert, lasse sich aus dem hohen Tierschutzstandard ein Mehrwert generieren. Tierwohl bedinge aber auch faire Preise. Huber nahm daher die Verarbeiter und den Detailhandel in die Pflicht, hier ihren Beitrag zu leisten. Zumindest in Umfragen zeige sich der Konsument nämlich bereit, für hohes Tierwohl zu bezahlen. Es sei jedoch nicht Aufgabe der Verarbeiter, die Produzenten in ein gutes Licht zu rücken. Dafür müssten die Produzenten direkt mit den Konsumenten kommunizieren. Die Forderungen der Politik nimmt Huber ebenfalls widersprüchlich wahr. So wolle man einerseits ein hohes Tierwohl, sei aber nicht bereit, dafür eine ­Deklarationspflicht einzuführen und fordere gleichzeitig die Öffnung der Märkte. Auch die Darstellung der Raufutterverzehrer als Klimakiller wies Huber entschieden zurück. Er forderte die Landwirte auf, die Rolle der Sündenböcke nicht zu akzeptieren und ihnen selbstbewusster entgegenzutreten.

Keine Skandale riskieren

Lukas Barth, der Leiter Agrarpolitik und Milchbeschaffung beim Milchverarbeiter Elsa, referierte über die Mehrwertstrategie bei der Milch und legte dar, was der Markt verlangt. Auch für ihn ist klar, die Schweizer Milchproduktion hat Mehrwerte vorzuweisen, die sich am Markt realisieren lassen. Dafür müsse aber die Branche ihre Hausaufgaben machen und vor allem müssten diese Leistungen kommuniziert werden. In Sachen Preis hatte er aber einen Wermutstropfen auf Lager. So betonte er, dass sich beim Konsumverhalten Umfragen und Realität unterscheiden. Ausserdem befinde sich dank Globalisierung die Konkurrenz oftmals im Ausland. Trotzdem beobachtet Barth, dass die Konsumenten sensibler geworden sind. Für die Anliegen der Konsumenten in Sachen Vegetarismus, Veganismus und Klimadebatte brauche es Antworten. Doch nicht nur die steigenden Ansprüche der Konsumenten sieht man bei Elsa als Herausforderung. Gerade selbst gemachte Themen, wie die Schlachtung trächtiger Kühe, Kälbertötungen und überladene Euter an Ausstellungen verstehe der Konsument nicht. Barth stellt fest, dass hier der Appell an die Selbstverantwortung offenbar nicht mehr reiche. "Die Landwirtschaft steht im Schaufenster der Öffentlichkeit", mahnte er. "Der Reformstau bei der AP führt zu einer Flut von Initiativen. Wir tun gut daran, das Heft wieder selber in die Hand zu nehmen", rief auch Barth zu mehr Selbstbewusstsein auf.