Laut Lukas Schuler, Präsident von Dark-Sky Switzerland der ad interim die Organisation leitet, gibt es jedes Jahr neue Erkenntnisse dazu, welche Tiere ebenfalls davon betroffen sind. So spielt die Lichtverschmutzung eine Rolle beim Insektensterben, «es werden aber auch diverse Vogelarten gestört», erklärt Schuler. Darunter auch der einst allgegenwärtige Hausspatz, der heute gemäss der schweizerischen Vogelwarte regional selten geworden ist. Zugvögel können die Orientierung verlieren.

Licht wird zur Barriere

Nachtaktive Tiere haben ihre Sinne und ihr Verhalten an die Dunkelheit angepasst. «Sie orientieren sich am Licht, etwa um aus Wolken oder Nebel herauszufinden», so Lukas Schuler. Für andere bedeutet Helligkeit ein anbrechender Tag, an dem man sich vor Räubern verstecken muss. «Kunstlicht kann Tiere anziehen oder sie verscheuchen. So werden beleuchtete Strassen oder Brücken zu unüberwindbaren Hindernissen», schildert der Naturwissenschafter.

Wie zu viel Licht töten kann

Dass Insekten von Licht angezogen werden, weiss man aus Erfahrung: Um die Campinglaterne schwirren abends die Mücken. Früher wurde den Tieren die Hitze von Lampen zum Verhängnis, oder sie kamen aus fallenartigen Lampenschirmen nicht mehr heraus. «Heute sterben Insekten bei künstlichen Lichtquellen an Erschöpfung. Oder sie bleiben dort, anstatt sich beispielsweise zu paaren und verhungern. Oder aber sie werden von Räubern gefressen, die sich den Effekt des Kunstlichts zu Nutze machen können», schildert Schuler.

 

So nehmen Insekten Licht wahr

Um nachvollziehen zu können, wie Kunstlicht auf das empfindliche Auge eines nachtaktiven Tieres wirkt, kann man sich laut Lukas Schuler von Dark Sky ein Foto mit langer Belichtungszeit vorstellen. Etwa acht Sekunden lang sollte man belichten, «so wird klar, was diese Tiere alles sehen und was für sie zu hell sein könnte», erklärt er. Bei dieser Belichtungszeit werden fahrende Autolichter zu blendenden Lichtbändern.

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Ist Licht ein relevanter Faktor beim Insektensterben?

Wie gross der Anteil der Lichtverschmutzung am Artensterben und dem Rückgang der Biodiversität ist, dazu gibt es laut Lukas Schuler noch keine Zahlen. «In einer Übersichts-Studie kam man aber 2018 zu dem Schluss, dass zunehmende Lichtemission eine der Ursachen für den Rückgang der Insektenpopulationen ist.» Sie wird also in einem Zug genannt mit veränderter Landnutzung, Pflanzenschutzmitteln, Klimawandel und fehlender Vernetzung von Lebensräumen.

Dieselbe Studie kam auch zum Schluss, dass zu viel Licht in den Nachtstunden das Wachstum von Kulturpflanzen und deren Artenvielfalt stört.

Licht wirkt auch aus der Ferne

Dabei hat Licht bei einigen empfindlichen Insekten auch auf die Distanz einen Einfluss. Wie der Naturwissenschafter erklärt, kann Kunstlicht auf diese noch in mehr als 100 Metern Entfernung von der Lichtquelle einwirken. Ein Effekt, den es bei Pflanzenschutzmitteln ohne Wind weniger geben dürfte. 

Kaltes Licht ist am schlimmsten

Für fast alle Tiere und Pflanzen trägt kurzwelliges Licht zur Steuerung von Tag-/Nacht-Empfinden sowie saisonalen und monatlichen Zyklen bei. Daher ist dieses kalte, bläuliche oder violette Licht auch besonders problematisch.

 

So wirkt kaltes Licht 

Licht während der Nachtstunden bringt den menschlichen Hormonhaushalt durcheinander. Die Folgen können laut Bundesamt für Gesundheit Schlafstörungen oder sogar Krebserkrankungen sein. Dabei ist kaltes, blaues Licht effizienter als wärmer gefärbtes. Aus physikalischen Gründen breitet sich dieses kurzwellige Licht bei gleichbleibendem Lichtstrom auch stärker aus. Der Weltaltlas der Lichtverschmutzung 2016 schätzt, dass diese um den Faktor 2,5 verstärkt wird, wenn wärmere Beleuchtungen mit kalten (4000 Kelvin LEDs) ersetzt werden.

Merkblatt von Dark-Sky Switzerland: Warum unter 3000 Kelvin? 

 

Bei Dunkelheit mit Abblendlicht arbeiten

Auf die Frage, ob beim bienenschonenden Pflanzenschutz nach Sonnenuntergang beleuchtete Nutzfahrzeuge ein Problem sind, sieht Lukas Schuler den Ball eher bei der Industrie. Dort würden oft zu kalte LED-Leuchten eingebaut, da die Hersteller diese einfacher produzieren können. «Vermutlich könnte man heute bei Dunkelheit mit Abblendlicht das Feld befahren und sähe noch genug», schätzt der Naturwissenschafter. 

 

Das können Sie tun

Beim Lampenkauf:

  • Lichtstärke (Lumen) beachten. Gewöhnliche Glühbirnen spendeten einst 800 Lumen, meist brauche es nicht mehr bei Nacht. Und je weniger, desto schonender (solange es nicht zu wenig ist und die Augen überbeansprucht werden).
  • Lichtfarbe (CCT) beachten. Sie sollte unter 3000 Kelvin («warmweiss» statt «neutral-« oder tageslichtweiss») liegen. Es gibt auch dimmbare Lampen, bei der die Farbe reguliert werden kann.

Lampe abschirmen, damit sie nicht von Weitem sichtbar sind. Man kann auch selbst ein Blech montieren, damit das Licht lediglich auf die Nutzfläche am Boden fällt, statt in die Horizontale zu strahlen.

Sensor- statt Dauerbeleuchtung in Aussenräumen. Hochwertige Sensoren reagieren laut Lukas Schuler auch nicht auf jede Hofkatze.

 

Zusätzliche Belastungen bei Openairs

Besonders viel Licht gibt es bei sommerlichen Openairs. «Bei solchen Veranstaltungen kommt noch die Lämrbelastung für Anwohnende und Tiere hinzu», gibt Lukas Schuler zu bedenken. Dabei sei es in jedem Fall sinnvoll, Lichter von Lebensräumen wie Hecken, Biotopen oder Wäldern wegzurichten und ausreichend Distanz dazu zu wahren. Ein offenes Gelände in Stadtnähe ist also nicht nur von der Erreichbarkeit besser als Veranstaltungsort geeignet, es entsteht auch weniger Schaden an Flora und Fauna, als wenn dafür ein Platz in der Nähe eines Waldes oder in vielfältigem Kulturland gewählt würde. Auch die Gesetzgebung ist dazu klar: Skybeamer (in den Himmel gerichtete Scheinwerfer) sind praktisch schweizweit verboten und für Laser- und Schallanlagen braucht es eine Bewilligung.