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«Für mich gibt es keine bessere Variante mehr», sagt Nils Müller überzeugt. Der Landwirt will, dass seine Tiere dort sterben, wo sie auch geboren wurden. In vertrauter Umgebung, auf dem Hof, wo sie ihr ganzes Leben in der Mutterkuhherde verbrachten (ausser im Sommer, wenn sie 3,5 Monate z’Alp gehen). «Man sieht und spürt, dass die Tiere keinerlei Stress ausgesetzt sind, da sie in der gewohnten Umgebung bleiben und ihre Herde zum Zeitpunkt der Betäubung um sich haben», so Müller am Dienstag anlässlich einer Medienkonferenz.

Jägerausbildung absolviert

Für die Weideschlachtung haben Müller und seine Lebenspartnerin Claudia Wangner eine separate Koppel eingerichtet. Daneben steht ein Hochsitz. Müller bringt für die Weideschlachtung mehrere Tiere in die Koppel. Dann steigt der Bauer, der für das Projekt die Jägerausbildung absolvierte, in den Hochsitz. Welches Tier er schiesst, weiss er im Voraus nicht. Es ist jenes, das ihn frontal und aus dem richtigen Winkel ansieht.

Die eingesetzte Kleinkalibermunition (.22 Magnum) verursache eine tiefe und sichere Betäubung, betont Müller. Wie ein Film zeigt, sackt das getroffene Tier lautlos zusammen. Die Herde zuckt wegen dem Knall kurz zusammen, bleibt ansonsten aber ruhig. «Die grossen Pflanzenfresser haben kein Abstraktionsvermögen», sagt Nils Müller, der früher Vegetarier war. Sie verspürten keinen Stress, wenn ein Artgenosse durch den gezielten Schuss ins Hirn augenblicklich ausscheide.

Kein Separieren - kein Stress

Verhaltensforscherin Johanna Probst vom Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) ist gleicher Meinung: «Das Separieren aus der Herde, das Verladen auf den Transporter, den Transport an sich, sowie die Fixierung zur Betäubung am Schlachthof sind belastend für die Tiere.» Bei der Weideschlachtung fällt all dies weg.

Nach dem Schuss muss das Rind innerhalb vom 90 Sekunden von einem Frontlader angehoben werden, damit es schnell entblutet werden kann. Mit einem Spezialanhänger bringt Müller den Schlachtkörper danach ins nahe gelegene Schlachtlokal in Küssnacht. Weniger als eine Stunde nach dem Tod wird das Tier dort zerlegt.

Langwieriges Verfahren

Einfach war es nicht, die Teilbewilligung für zehn Weideschlachtungen zu bekommen, welche jeweils von Tierärzten und Vertretern des Veterinäramts Zürich beobachtet werden. Im vergangenen Dezember bekam Nils Müller diese nach einem langwierigen Verfahren. Unterstützt dafür haben ihn das FiBL und die Tierschutzorganisation «Vier Pfoten». «Für uns ist wichtig, dass das Tierleid durch die Weideschlachtung wesentlich verringert wird», begründet Sabine Hartmann von «Vier Pfoten» das Engagement für das Projekt. Es stehe für einen respektvollen Umgang mit dem Tier bis in den Tod und sei wegweisend.

Kritische Stimmen

Es gibt aber auch kritische Reaktionen. «Ein Weideabschuss kann mit Tierschutzargumenten nur schwer gerechtfertigt werden», sagt Hansueli Huber vom Schweizer Tierschutz (STS) gegenüber dem «Tagesanzeiger». Die Fahrtzeiten von maximal sechs Stunden für Schlachttiertransporte in der Schweiz seien den Tieren zumutbar. Und: Der Weideabschuss berge die Gefahr von Fehlschüssen.

Sollte dies tatsächlich einmal eintreffen, hält sich bei Nils Müller der Metzger mit einem Bolzenschussapparat im Hintergrund bereit. Aber: Mit dem geeigneten Gewehr, einer Schussdistanz aus drei bis vier Metern und regelmässigen Schiesstraining sei das Risiko eines Fehlschusses sehr klein: «Ich bin in der Lage, ein Zweifrankenstück zu treffen», so der Landwirt.

Aber auch Mutterkuh Schweiz und der Schweizer Bauernverband (SBV) stehen dem Projekt kritisch gegenüber, wie der «Tagesanzeiger» berichtet. Die Methode sei für die grosse Masse ungeeignet, kompliziert und teuer, wird Thomas Jäggi, Leiter Viehwirtschaft beim SBV, zitiert.

Nische für Spezialisten

Eric Meili, Projektleiter beim FiBL, sieht das neue Verfahren für als Chance für spezialisierte Rindermäster: «Die Weideschlachtung ist eine Nische für Schlachtung mit grösstmöglichem Tierwohl und Fleischqualität.» Das Fleisch seiner Rinder vermarktet Nils Müller, der auch in der Gastronomie Erfahrung hat, übrigens im Hofladen oder serviert es in der hofeigenen Besenbeiz. Geboren auf dem Hof, gestorben auf dem Hof. Der Kreis schliesst sich.

Jeanne Woodtli

- Mehr zum Thema in der nächsten BauernZeitung vom 12. Juni