Noch ist es ruhig auf dem Betrieb von Barbara Schwab Züger im bernischen Walperswil. Das wird sich bald ändern. Bis in ein paar Wochen wird die Anzahl Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von gegenwärtig 12 auf rund 100 anwachsen. Mitte Mai werden voraussichtlich die ersten Erdbeeren gepflückt, im Oktober die letzten. Barbara Schwab Züger kann somit während rund sechs Monaten Erdbeeren anbieten. Das entspricht einem Bedürfnis der Konsumenten, denn Erdbeeren werden längst nicht mehr nur im Sommer gegessen. „Der Erdbeeren-Konsum hat sich von der eigentlichen Saison entkoppelt“, sagt Barbara Schwab Züger. Ein Blick in die Statistik bestätigt das: Ab Februar nimmt der Appetit auf Erdbeeren jeweils zu, im März und April erreicht der Konsum bereits Höchstwerte – zu einer Zeit, wenn Schweizer Erdbeeren noch nicht erhältlich sind.

Vlies sorgt für Wärme

Um von der grossen Nachfrage im Frühjahr profitieren zu können, versuchen Schweizer Obstproduzenten deshalb, möglichst früh Erdbeeren anbieten zu können. Möglich machen das einerseits Sorten, die früh reif sind, andererseits spezielle Techniken. So bedeckt Barbara Schwab Züger ihre Freilandkulturen während des Winters mit einem Vlies, der erst bei Blühbeginn entfernt wird. Das Vlies schützt die empfindlichen Erdbeeren vor Frost und sorgt für mehr Wärme im Boden, womit die roten Früchte früher geerntet werden können. Im Vergleich zu einer nicht mit Vlies abgedeckten Kultur beträgt der Vorsprung rund 14 Tage. Noch grösser ist der Verfrühungs-Effekt, wenn die Erdbeeren-Kulturen unter einem so genannten Folientunnel wachsen. Dabei handelt es sich um eine Konstruktion aus Stahlrohren, die mit Plastikfolien bespannt ist.

Auf dem Betrieb von Barbara Schwab Züger stehen die Tunnels dicht nebeneinander. 85 Meter lang und 9 Meter breit sind einige davon. Darin befinden sich jeweils sieben Bahnen mit Erdbeer-Stauden, derzeit umschwärmt von fleissigen Hummeln, welche die Bestäubung sicherstellen und dafür sorgen, dass bald schon die ersten Erdbeeren gepflückt werden können.

Fungizide einsparen

Mit Folientunneln und Vlies lässt sich nicht nur die inländische Erdbeeren-Saison verlängern, sie haben auch noch weitere Vorteile für Beerenproduzenten. So schützen die Tunnels etwa die empfindlichen Erdbeeren vor Starkregen und Hagel und minimieren so das Risiko, dass ein Unwetter die Ernte zerstört – und die Produzenten mit leeren Händen da stehen. „Die Tunnels verbessern die Planbarkeit. Gerade wenn man Grossverteiler beliefert, muss man als Produzent eine kontinuierliche Belieferung gewährleisten können“, erklärt Betriebsleiterin Schwab Züger. Und weiter: „Ich kann meine Mitarbeitenden nicht einfach nach Hause schicken, wenn ein Hagelzug die Ernte vernichtet hat.“ Zudem können dank den Tunneln auch bei Regen problemlos Erdbeeren geerntet werden – anders als im Freiland. Ein weiterer Vorteil: Wurzelkrankheiten treten weniger oft auf, es braucht weniger Fungizide, zudem können Schädlinge mit Nützlingen bekämpft werden.

Mehr Effizienz dank Substrat

Zwei Drittel der Erdbeeren, welche Schwab Züger mit ihrem Team anbaut, gedeiht im Freiland, der Rest wächst auf Substrat. Die Pflanzen wachsen also nicht im Boden, sondern in einer Metallrinne, die Torf und Kokosfasern enthält. Nährstoffe und Wasser werden den Pflanzen über einen Schlauch zugeführt. Was sie davon nicht aufnehmen können, wird über eine Drainage-Leitung abgeführt, gesammelt und dann von neuem in den Kreislauf eingespeist. Die Substrat-Produktion erfordert hohe Investitionen, zudem ist der Einsatz von Maschinen eingeschränkt, was mehr Handarbeit nötig macht. Das wiederum erhöht die Produktionskosten. Barbara Schwab Züger muss deshalb die Substrat-Erdbeeren ausserhalb der Hauptsaison vermarkten. Denn während der Beeren-Hochsaison sind die Preise tiefer, weil grosse Mengen aus dem Freiland auf den Markt gelangen.

Die Substrat-Technik hat einen entscheidenden Vorteil: „Ich kann die Erdbeeren immer am gleichen Ort anbauen“, erklärt die Berner Beerenproduzentin. Im Freiland geht das nicht. Dort müssen abwechselnd verschiedene Kulturen angebaut werden, um die Bodenfruchtbarkeit zu erhalten und um den Unkraut- und Schädlingsdruck zu senken. „Der Substrat-Anbau ermöglicht es, auf der gleichen Fläche mehr Erdbeeren zu produzieren“, so Schwab Züger.

Konsumenten zeigen Verständnis

Folientunnel und die mit Vlies abgedeckten Felder prägen das Landschaftsbild. Das kommt nicht bei allen Leuten gut an. „Wenn die Personen auf unseren Betrieb kommen und man ihnen erklärt, warum wir das so machen, reagieren sie mit Verständnis“, erklärt die promovierte Agronomin. Die meisten ihrer Kundinnen und Kunden würden sich jeweils auf die ersten Schweizer Erdbeeren freuen. „Die Schweizer Herkunft ist für viele Personen wichtig“, erklärt Schwab Züger.

Michael Wahl, lid