In den letzten Jahren stiegen die Futtermittelimporte an. Das war eine logische Reaktion auf (agrar-) politische Entscheide. Als im Zuge der BSE-Krise die Verfütterung von Tiermehl verboten wurde, schnellten beispielsweise die Sojaimporte umgehend in die Höhe. Der inländische Futtergetreideanbau sank im Gleichschritt mit der Herabsetzung der Zölle für Futtergetreide und die Heuimporte stiegen parallel zur Ausbreitung der extensiven Wiesen, welche von der Agrarpolitik stark gefördert wurden.

Um zu verhindern, dass die Futtergetreideproduktion in der Schweiz noch weiter zurückgeht, forderten die Getreideproduzenten schon mehrmals einen Einzelkulturbeitrag vom Bundesamt für Landwirtschaft (BLW). Vergebens. Auch in der Agrarpolitik 2022 ist ein solcher nicht vorgesehen, wie BLW-Mediensprecher Jürg Jordi auf Anfrage mitteilt. Dafür erwartet er als Folge der Aufhebung des Schoggigesetzes „eine leichte Verschiebung von der Brotgetreide- zur Futtergetreideproduktion.“

Anbau lohnt sich nicht

Pierre-Yves Perrin, der Geschäftsführer des Schweizerischen Getreideproduzenten-Verbandes, kann darüber nur den Kopf schütteln: „Das macht ein bis zwei Franken pro Dezitonne Futtergetreide aus.“ Damit lohne sich der Anbau von Futtergetreide noch lange nicht.  „Laut unseren Berechnungen besteht eine Differenz zwischen Brot- und Futtergetreide von rund 600 bis 800 Franken pro Hektare. Bei einem Durchschnittsertrag von 70 Dezitonnen macht das ein Manko von rund zehn Franken pro Dezitonne aus.“

Allerdings könne die Rechnung je nach Betrieb auch anders aussehen, das sei nur eine grobe Schätzung. „Wir haben jedoch gesehen, dass die Landschaftsqualitätsbeiträge eine leichte Erholung beim Anbau von Futtergerste gebracht haben.“ In vielen Landschaftsqualitäts-Projekten werden vier, fünf oder mehr Fruchtfolgeglieder vorgeschrieben. Das hat offenbar einige Bauern motiviert, auch Futtergetreide anzubauen. Ob von dieser Massnahme nur die Landschaft, oder auch das bäuerliche Portemonnaie profitiert, ist allerdings unklar.  

Die Branche will vorwärtsmachen

Weil von der Politik wenig Support erwartet werden kann, will sich die Branche selbst helfen. Unter der Leitung des Schweizer Bauernverbandes (SBV) wurde eine Branchenstrategie für eine „Nachhaltige Futtermittelversorgung Schweiz“ erarbeitet und betroffenen Kreisen zur Vernehmlassung unterbreitet. Das Ziel scheint auf den ersten Blick nicht besonders ambitiös. So sollen künftig 100 Prozent der importierten Futtermittel auf nachvollziehbare Art und Weise verantwortungsvoll produziert werden, die heutige Nebenproduktverfütterung (Schotte, Müllereinebenprodukte, Rübenschnitzel, etc.) beibehalten und die Verfütterung tierischer Proteine unter klaren Bedingungen sowie diverse Alternativen wie z.B. Insekten als Futtermittel geprüft werden. Beim Selbstversorgungsgrad will man den Status Quo – 85 Prozent der Futtermittel aus einheimischer Produktion – festschreiben, bei den Importen jedoch eine Trendumkehr erreichen. Darüberhinaus soll die Futterweizenfläche von heute knapp 10‘000 ha auf 20‘000 ha vergrössert werden. 

Warum gerade Weizen? Schliesslich ist beim Hafer der Selbstversorgungsgrad noch viel tiefer. Projektleiter Martin Rufer vom SBV erklärt: „Futterweizen haben wir deshalb gewählt, weil in der Geflügelhaltung beim Selbstversorgungsgrad mit Futtergetreide ein grosser Handlungsbedarf besteht.“ Und die Marktstrukturen im Geflügelsektor könnten die Umsetzung erleichtern: Im Geflügelsektor sind Abnahmeverträge die Regel. Die Milchproduzenten wären von dieser Regelung weniger betroffen, da im Milchleistungsfutter nur rund fünf Prozent Weizen enthalten sind und der Weizen in diesen Mischungen durch andere Getreide ersetzt werden könnte. Auch beim Schweinefutter wäre der Preiseffekt sehr klein.

 

Selbstversorgungsgrad für Futter- und Lebensmittel

Mit einer Verdoppelung der Futterweizenflächen könnte der Selbstversorgungsgrad beim Futtergerteide auf 55 Prozent gesteigert werden. Ein noch höherer Selbstversorgungsgrad wäre zwar wünschenswert, geht aber (zu sehr) ins Geld. Rufer: „Wir bringen die Menge nur zusammen, wenn die Getreideproduzenten mehr für den Futterweizen erhalten. Je höher der angestrebte Selbstversorgungsgrad, desto höher sind die Kosten.“ Damit das Ziel bezüglich Ausdehnung der Futterweizenfläche erreicht werden kann, sind drei Massnahmen vorgesehen:

1. Eine Verankerung von Mindestvorgaben an die Herkunft von Futtergetreide und Mühlennebenprodukte in den Futtermitteln in allen relevanten Labels und Garantiemarken. Der Prozentanteil dürfte voraussichtlich in der Grössenordnung 55 Prozent liegen.

2. Eine Erhöhung des Richtpreises für Futterweizen um fünf Franken pro Dezitonne. Das würde bei den Getreideproduzenten zu einem Mehrerlös von ca. 350 Fr./ha führen.

3. Die mit der Preiserhöhung einhergehenden Mehrkosten von ca. 7 Mio. Franken sollen von allen Stufen der Wertschöpfungskette anerkannt und bei künftigen Preisverhandlungen berücksichtigt werden. 

Der letzte Punkt ist der schwierigste. Da die Forderung nach mehr Swissness im Futter in erster Linie von den Konsumenten kommt, geht man in der Branche davon aus, dass gerade auch sie einen Beitrag dazu leisten sollen. Für die Konsumenten geht es um vergleichsweise bescheidene Beträge: Ein Kilo Pouletfleisch müsste gerade mal 5 Rappen, ein Ei 0,6 Rappen teurer werden, damit der Mehrpreis des Futterweizens gedeckt werden kann. Dafür haben die Konsumentinnen und Konsumenten einen echten Mehrwert. Einen Mehrwert, der vom Handel relativ einfach und plausibel kommuniziert werden kann. 

Knacknuss Grossverteiler

Doch um die Mehrkosten bis zu den Konsumenten weitergeben zu können, braucht es die Unterstützung der Grossverteiler. Und die halten sich vorerst noch bedeckt. Coop schreibt auf eine entsprechende Anfrage, dass man grossen Wert auf nachhaltig produzierte Futtermittel legt und sich aus diesem Grund an einem runden Tisch zu diesem Thema beteiligt. „Wir sind offen für eine Lösung, die die Inlandanteile stabilisiert und bei der nicht vermeidbare Mehrkosten von der gesamten Wertschöpfungskette getragen werden.“

Damit bleibt noch offen, wer in der Wertschöpfungskette welchen Anteil der Mehrkosten tragen soll. Wenn, wie so oft, die Produzenten die Hauptlasten tragen, dürfte es schwierig werden. Die Migros will sich zu diesem Thema nicht äussern, bis der SBV das Resultat der Vernehmlassung bekanntgegeben hat. Hinter den Kulissen wird bereits gemunkelt, dass das Projekt schubladisiert werden könnte, weil die Migros nicht mitmacht. Ob das so ist, wird man noch erfahren. Am 30. Oktober lief die Vernehmlassungsfrist ab. Anfang nächstes Jahr will der SBV die Öffentlichkeit dann über die Ergebnisse orientieren.

lid (Eveline Dudda)