Die Diskussion um die Agrarpolitik 2022+ ist in vollem Gang. Der Bundesrat hat seine Vorschläge bereits letzten November präsentiert – und heftige Kritik des Bauernverbands einstecken müssen ("Seine Gesamtschau kann der Bundesrat schreddern"). Nun haben sich die kantonalen Landwirtschaftsdirektoren in die Debatte eingeschaltet. Am 8. März haben sie einen knapp 50 Seiten starken Bericht präsentiert. Dieser listet Stärken und Schwächen der Schweizer Landwirtschaft auf, benennt Herausforderungen und skizziert aus Kantonssicht die Agrarpolitik der Zukunft.

Es sei das erste Mal, dass man sich im Vorfeld einer Reformetappe zu Wort melde, sagte Roger Bisig, Sekretär der Konferenz der kantonalen Landwirtschaftsdirektoren (LDK), an der Präsentation. Der Bericht sei keine Reaktion auf die Gesamtschau des Bundesrates. Die Vorarbeiten hätten weit früher angefangen.

Höhere Wertschöpfung auf Betrieben

Zentrales Anliegen der LDK ist: Das Bauern muss sich wieder rentieren. Vom Konsumentenfranken komme immer weniger bei den Landwirten an, während die Margen von Handel und Verarbeitung zunähmen. Viele Betriebe hätten ein Problem bezüglich Wirtschaftlichkeit, betonte Bisig. Als Leiter des Landwirtschaftsamts im Kanton Zug habe er Kenntnis vieler Buchhaltungen. "Der Anteil an Betrieben, die Freude bereiten, ist klein." Die Agrarpolitik ab 2022 müsse deshalb darauf abzielen, die Wirtschaftlichkeit der Bauernbetriebe zu verbessern.

Ganze Wertschöpfungskette

Handlungsbedarf ortet die LDK nicht nur bei den Betrieben, sondern auch auf den Agrarmärkten. Es herrsche zu wenig Transparenz, es fehle an Konkurrenz, lautet die Kritik. Eine Chance sehen die Kantone in der Erschliessung neuer Exportmärkte. Es sei Zeit für eine Vorwärtsstrategie, sagte Bisig. Allerdings dürften nicht einfach nur "Überschüsse über die Grenzen gekippt werden", wie das etwa mit Butter gemacht werde.

Potenzial sehen die Kantone in der Digitalisierung. Die verstärkte Vernetzung und Verknüpfung von bereits vorhandenen Daten könne einen Mehrwert bieten – etwa bei der administrativen Entlastung. Warum gebe es noch keine App für die Tierverkehrsdatenbank, fragt sich Bisig.

Grenzschutz ist wichtig

Während der Bundesrat einen Abbau der Agrarzölle als sinnvoll erachtet, sprechen sich die Kantone für einen wirksamen Grenzschutz aus. Dieser dürfe nicht ohne Not reduziert werden, heisst es im Bericht. Die Landwirtschaftsdirektoren befürchten, dass durch einen Abbau der Zölle die hiesige Landwirtschaft schrumpfe und damit nicht mehr alle Flächen bewirtschaftet würden.

Direktzahlungssystem vereinfachen

Die LDK hält das heutige Direktzahlungssystem für zu kompliziert. Es gebe über 2'400 Kontrollpunkte auf einem Bauernhof, betonte Bisig. Das heutige Kontrollsystem sei nahe am Kollaps, heisst es im Bericht. Es brauche deshalb einfachere Regeln, die Eigenverantwortung der Bauern müsse gestärkt werden. Zudem fordern die Kantone, dass Leistungen und nicht Zustände mit Bundesgeldern abgegolten werden.

Für sich selber verlangen die Kantone mehr Kompetenzen, um etwa situationsspezifisch reagieren zu können und Ziele auf regionaler Ebene festlegen zu können.

Michael Wahl