«Wenn man von Vorsorge spricht, denken viele nur an Finanzen. Die rechtliche Vorsorge hingegen nimmt man häufig zu wenig ernst. Sie wird oft erst dann zum Thema, wenn es uns selbst oder unser Umfeld trifft.» Mit diesen Worten eröffnete Beat Brunner, Präsident des Bauernverbands Appenzell Ausserrhoden (BVAR), am vergangenen Montag in Teufen die diesjährige Januartagung.

Das Demenzrisiko steigt mit dem Alter

Was also, wenn jemand urteilsunfähig wird? Antworten auf diese Frage und weiteres Wissenswertes zum Erwachsenenschutzrecht lieferte Gastreferent Peter Dörflinger, Präsident der kantonalen Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde Kesb. «Wenn wir älter werden, nimmt die Häufigkeit an Demenzerkrankungen zu», stellte Dörflinger fest. «Besonders im hohen Alter steigt das Risiko dafür immer stärker an. Doch es kann auch bereits 60-Jährige treffen.» Wer an einer Demenz erkrankt, wird früher oder später seine Urteilsfähigkeit verlieren. Doch auch beispielsweise Schlaganfälle oder Schädel-Hirn-Verletzungen als Folge von Unfällen können eine Urteilsunfähigkeit zur Folge haben. Dabei handelt es sich nicht um einen medizinischen, sondern um einen juristischen Begriff. Mit urteilsfähig ist laut Schweizerischem Zivilgesetzbuch ZGB gemeint, dass jemand die Fähigkeit hat, vernunftgemäss zu handeln.

«Wenn jemand einen neuen Traktor für ein paar Franken verkauft, kann es zwar sein, dass er dies bewusst aus bestimmten Gründen tut. Doch es ist etwas anderes, wenn dahinter beispielsweise eine Demenz steckt und der Person gar nicht klar ist, was sie tut», sagte der Jurist. Hinweise zum Grad der Beeinträchtigung der kognitiven Leistungen kann ein ärztliches Gut-achten geben.

Es lohnt sich, die Absichten zu klären

Wenn sich erweist, dass jemand urteilsunfähig geworden ist, wird seine Unterschrift ungültig. Damit ist er im juristischen Sinn handlungsunfähig. Somit ist es ihm nicht mehr möglich, selbst einen Vertrag abzuschliessen, ein Testament zu verfassen, eine Einwilligung in eine Operation zu geben oder einen Rekurs einzureichen. Dazu braucht er fortan eine Vertretung durch eine handlungsfähige Person. «Wer selbst eine andere Person dafür einsetzen will, kann eine Vollmacht oder einen Vorsorgeauftrag erteilen», erklärte Peter Dörflinger. «Allerdings ist auch dies ein Rechtsgeschäft und muss daher vorgenommen werden, solange man noch urteilsfähig ist.»

Patientenverfügung: Es gibt zum einen die Möglichkeit einer Patientenverfügung, womit man bestimmte medizinische Massnahmen akzeptieren oder ablehnen kann, zum Beispiel in ­Notfallsituationen oder bei geplanten Operationen. Eine Patientenverfügung sollte schriftlich verfasst sein und richtet sich an die behandelnden Ärzte. «Es empfiehlt sich, zuerst darüber zu reden, was man sich dabei vorstellt, um spätere Missverständnisse zu vermeiden», sagte Dörflinger.

Vorsorgeauftrag: Damit lässt sich bestimmen, wen man als Vertreter in welchen Bereichen einsetzen will. Das betrifft die Personenvorsorge (inkl. medizinische Massnahmen), Vermögensverwaltung sowie rechtliche Vertretung (inkl. Grundstückgeschäfte). Ein Vorsorgeauftrag muss entweder vollständig von Hand geschrieben sein oder öffentlich beurkundet werden. Je nach Aufwand, welche eine mögliche Vertretung mit sich bringt, sollte auch eine Entschädigung berücksichtigt werden. «Wichtig ist, eine vertrauenswürdige Person zu wählen, die dazu auch in der Lage ist», betonte der Kesb-Präsident. Man solle niemanden in Betracht ziehen, der vermutlich früher stirbt, also älter ist.

Trifft die Urteilsunfähigkeit dereinst tatsächlich ein, wird der vorher abgeschlossene Vorsorgeauftrag erst wirksam, wenn er von der Kesb validiert worden ist. Diese prüft beispielsweise, ob die beauftragte Person zum jetzigen Zeitpunkt für diese Auf­gabe geeignet ist und ob alle Bereiche entsprechend abgedeckt sind.

Ehepartner als rechtlicher Vertreter

Liegt kein Vorsorgeauftrag oder keine Vollmacht vor, kommen nach ZGB geregelte Vertretungsrechte zur Anwendung. So fallen allgemeine Vertretungsrechte wie das Bestreiten des Unterhalts, Verwaltung von Einkommen und Vermögen sowie dem Erledigen der Post auf den Ehegatten oder den eingetragenen Partner. Für die aussergewöhnliche Vermögensverwaltung, wie beispielsweise dem Einkauf eines Hauses, braucht es zusätzlich die Zustimmung der Kesb.

Gibt es keine gesetzlich geregelte Vertretung wie etwa einen Ehepartner, ernennt die Kesb eine Beistandsperson. Diese erhält die Kompetenzen, jemanden in bestimmten oder sämtlichen Bereichen zu vertreten. Als Beistandsperson wird in der Regel eine nahestehende Person eingesetzt, die das will und dafür geeignet ist. Dabei dürfen jedoch keine Interessenkonflikte bestehen, was beispielsweise bei Mitgliedern einer Erbgemeinschaft der Fall ist. Auch setzt die Kesb eine Entschädigung für den Vertretungsbeistand fest, die jedoch in der Regel nicht kostendeckend ist. Ein zentraler Punkt ist gemäss Peter Dörflinger, dass die Interessen der vertretenen Person gewahrt werden müssen. Der Vorsorgeauftrag hat diesbezüglich den Vorteil, dass darin differenzierte Anweisungen gegeben werden können. ­Allerdings wird deren Einhaltung nicht zwingend beaufsichtigt, allfällige Vermögensschäden gehen zudem zu Lasten der zu vertretenden Person. Bei der Vertretungsbeistandschaft hingegen müssen die Beistände der Kesb gegenüber Rechenschaft ablegen. Kommt es zu Vermögensschäden, haftet der Kanton.

Es lohnt sich also, sich frühzeitig zu den rechtlichen Folgen einer Urteilsunfähigkeit Gedanken zu machen und Möglichkeiten zur Selbstbestimmung zu kennen.