Am Anfang stand ein unangenehmer Duft: Kunden einer Kosmetikstudio-Betreiberin beschwerten sich über den Geruch der frisch ausgebrachten Rinder-Gülle. Weil Landwirt Michael Bittner keinen Streit wollte, versprach er der Kosmetikstudio-Betreiberin, sie jeweils vorab zu informieren, wenn er Gülle ausbringt. Das machte schnell die Runde, andere Nachbarn wollten ebenso benachrichtigt werden.

Güllegruppe auf WhatsApp

Es war die Geburtsstunde der ersten "WhatsApp-Güllegruppe" Deutschlands. "Diese Art der Kommunikation wurde gut angenommen, und heute informiere ich nicht nur über Gülleausbringung, sondern auch über andere Arbeiten auf den Feldern", sagt Michael Bittner.

Milchbauer Bittner gehört zu den Social-Media-Vorreitern in der Landwirtschaft. Er ist einer von vielen Bauern, welche Jutta Zeisset und Thomas Fabry in ihrem kürzlich erschienenen Buch "Social Media für Landwirte – Facebook, Snapchat & Co." porträtieren. Darin beschreiben die Autoren, wie Landwirte die sozialen Medien für die Öffentlichkeitsarbeit nutzen können – praxisnah, anschaulich und mit vielen Tipps für den Umgang mit den einzelnen Plattformen.

Lid: Welche Chancen bieten die sozialen Medien der Landwirtschaft?

Jutta Zeisset: In den sozialen Medien können Bauern ihre Sicht der Dinge selber darstellen – und zwar ungefiltert. In den Medien hingegen dominiert die Sicht von Journalisten, welche die Informationen oftmals von Verbandsvertretern beziehen.

Thomas Fabry: Bauern können die Leute an ihrem Alltag teilhaben lassen, direkt live aus dem Stall oder vom Feld berichten und sagen, was gerade so läuft. Dadurch schaffen Landwirte Transparenz und Vertrauen.

In Ihrem Buch heisst es, dass die sozialen Medien den Landwirten ermöglichen, die Deutungshoheit über die Landwirtschaft zu behalten. Das müssen Sie uns erklären.

Fabry: Wenn sich die Leute im Internet über Landwirtschaft informieren, suchen sie mit Schlagworten. Deshalb ist es wichtig, dass die Landwirtschaft unter diesen Schlüsselbegriffen auch präsent ist und dadurch eine gewisse Deutungshoheit behält.

Was raten Sie den Schweizer Bäuerinnen und Bauern, die bislang gezögert haben, in den sozialen Medien aktiv zu sein?

Zeisset: Landwirtinnen und Landwirte müssen jetzt Gas geben. Sie dürfen nicht länger warten mit Öffentlichkeitsarbeit. Sie müssen jetzt ihre Geschichten erzählen. Und am allerbesten ist, wenn sie diese selber erzählen und nicht nur dem Bauernverband überlassen. Dieser hat schlussendlich auch nur begrenzte Möglichkeiten, Öffentlichkeitsarbeit zu betreiben. Bauern sind Botschafter. Sie machen eine gute Arbeit, verstecken sich aber oft.

Welche Plattformen machen für Neueinsteiger Sinn?

Zeisset: Auf allen Plattformen mal drauf los zu kommunizieren, ist nicht zu empfehlen. Man sollte auf derjenigen Plattform beginnen, die einem am meisten Spass macht. Instagram ist beispielsweise einfach zu bedienen, auch weil Fotos im Mittelpunkt stehen.

Was macht ein guter Beitrag auf Facebook & Co. aus?

Fabry: Der Beitrag muss nicht perfekt sein, es braucht keine aufpolierten Photoshop-Bilder. Wichtig ist vielmehr, dass die Inhalte authentisch sind. Es geht darum, einen Moment bildlich festzuhalten und das mit den Leuten zu teilen, ohne das Foto vorgängig durch irgendwelche Filter laufen zu lassen. Wichtig ist es auch, heikle Themen offen anzusprechen.

Stichwort Themenfindung: Auf einem Bauernhof ist zwar immer etwas los, doch welche Themen eignen sich für die sozialen Medien?

Fabry: Das Schöne an der Landwirtschaft ist: Es gibt unendlich viele Themen. Wichtig ist, dass man immer nur in kleinen Häppchen erzählt, nie zu viel auf einmal. Es muss auch nicht immer alles reibungslos laufen. Oft werden Geschichten erst spannend, wenn mal etwas schiefläuft.