«Wer sich gegenüber der Umwelt verpflichtet fühlt, kann dieses Freihandelsabkommen nicht unterstützen», sagte Sonia Guajajara, Generalsekretärin der Indigenen-Dachorganisation APIB, am Donnerstag vor den Medien in Bern. Sie befindet sich mit acht weiteren Vertretern der brasilianischen Urbevölkerung auf einer Europatour in ihrem Kampf gegen Freihandelsabkommen.

Denn bei den Verträgen zwischen den Mercosur-Ländern Brasilien, Argentinien, Paraguay und Uruguay und der EU sowie den Efta Staaten Schweiz, Norwegen Island und Liechtenstein gehe es in erster Linie um Profite der Unternehmen und nicht um das Wohlergehen von Mensch und Umwelt.

Konsequenzen von Bolsonaros Politik

Guajajara zeigte sich sehr besorgt über die Politik des brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro. In diesem Jahr habe es nicht nur mehr Abholzungen des Regenwaldes und mehr Brandrodungen gegeben, sondern auch mehr Morde an Indigenen, sagte Guajajara weiter. Jüngstes Beispiel ist die Erschiessung von Paulo Paulino, eines indigenen Aktivisten und «Wächters des Waldes», durch illegale Holzfäller Anfang November im Bundesstat Maranhao.

«Wenn sie Soja, Rindfleisch, Palmöl oder Gold aus geschützten Territorien in Brasilien kaufen, dann kaufen sie indigenes Blut», sagte der indigene Stammesführer Elizeu Guarani Kaoiwà dazu. Für Bolsonaro habe eine Sojapflanze mehr Wert als ein Baum, der Kopf eines Rindes sei wertvoller als der Kopf eine Indigenen. Durch die Ratifikation des Abkommens würde der «Genozid in unserem Land Fakt».

Nach Angaben der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) hat sich die Situation der rund 900'000 Indigenen und die Zerstörung des Regenwaldes im Amazonas seit Bolsonaros Amtsantritt drastisch verschärft. Experten schätzten, dass sich die Abholzung bis im nächsten Jahr vervierfachen könnte, sollte die aktuelle Politik weitergeführt werden.

Gemäss Julia Büsser von der GfbV liegen heute 50 Prozent des intakten Regenwaldes in Schutzgebieten oder Reservaten. Dessen Abholzung oder Rodung habe nicht nur «fatale Folgen» für die Indigenen, sonder auch für das globale Klima.

Griffige Sanktionen verlangt

Unterstützung in ihrem Kampf gegen das Freihandelsabkommen erhalten die Indigenen von der grünen Genfer Nationalrätin Lisa Mazzone. Bereits heute sei es schwierig auszuschliessen, dass die Produktion von Soja, Palmöl, Fleisch und Gold in Brasilien in Zusammenhang mit der Ausbeutung des Lebensraums der Indigenen stehe, sagte Mazzone.

Im vorliegenden Entwurf des Freihandelsabkommens seien die Rechte der Indigenen überhaupt nicht erwähnt und es gebe auch keine Nachhaltigkeitsklausel. Mazzone fordert deshalb klare Richtlinien für den Schutz der Umwelt und des Lebensraums der Indigenen und griffige Kontrollen und Sanktionen, sollten die Normen verletzt werden. Dazu brauche es auch eine Ausstiegsklausel sowie Transparenz und Rückverfolgbarkeit der Produktions- und Lieferketten.

Referendum angedroht

Nach Angaben des Departements für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF) wird das Freihandelsabkommen Efta-Mercosur zur Zeit «juristisch bereinigt». Wie lange der Prozess dauert, ist demnach noch unklar. Voraussichtlich Anfang 2020 soll das Abkommen unterzeichnet werden.

Danach beginnt der Ratifikationsprozess im Parlament. Ziel des WBF ist, dass das Abkommen 2021 in Kraft tritt. Doch bereits nach der Einigung im August beschloss die Grüne Partei Schweiz, das Referendum zu ergreifen, sollte es keinen neuen und verbindlichen Ansatz zum Schutz von Klima, Umwelt und Menschenrechten enthalten.

Die SP kündigte dafür ihre Unterstützung an. Ausserdem verlangten über 65'000 Personen in einer Petition an Bundesrat Guy Parmelin, einen Marschhalt beim Efta-Mercosur-Abkommen einzulegen.