Es ist ein unwirklicher Ort. Die Autobahnraststätte Grauholz, unweit der Stadt Bern. Rüedu Schüpbach und Stefan Moser betreten den unpersönlich wirkenden Raum. Beide in blaue Jacken gekleidet. «Zufall», sagen sie. Hier treffen sie sich immer mal wieder. «Gäbig», sei es. Nicht mehr. Die beiden sind oft unterwegs. Manchmal in ähnlicher und nicht selten auch in gemeinsamer Mission. Sie bilden zusammen das Aufbruchteam. Auch eher zufällig seien sie beide Biobauern, erklären sie. Seit 15 Jahren sind sie nun schon zusammen unterwegs. «Betriebsentwicklung in der Landwirtschaft» stehe im Zentrum ihrer Arbeit, erklären die beiden. Und: «Von Praktikern für Praktiker.» Das sei am Ganzen entscheidend. Denn Beratung müsse immer unabhängig geschehen, es könne nicht sein, dass die eigenen Interessen des Beraters in seiner Tätigkeit sichtbar würden. Zudem müsse eine gewisse Betroffenheit erkennbar sein. «Es hilft ganz eindeutig, zu wissen, wovon man spricht», sagt Rüedu Schüpbach. «Viele dieser Themen, welche die Bauern begleiten und sie dazu animieren, mit uns in Kontakt zu treten, sind Themen, die auch uns im Alltag beschäftigen.» Das Wissen, wovon der andere spricht, die eigene Erfahrung damit, könnten helfen. So sei es auch eine gewisse Lebenserfahrung, die es brauche, um in dieser Form unterwegs zu sein. «Das Leben schult», so Schüpbach.

Ein Landwirt sucht das Problem im fachlichen Bereich

Damit sich Bauern, Bäuerinnen oder ganze Familien beim Aufbruchteam melden, braucht es einen gewissen Leidensdruck, erzählen die beiden Berater auf die Frage, wer denn mit welchen Anliegen an das Aufbruchteam gelange. Und dieser Leidensdruck sei sehr individuell. «Als Landwirt ist man dazu geneigt, das Problem meist im fachlichen Bereich zu suchen», weiss Stefan Moser. «Es geht aber im Grunde nicht darum, will ich nun Schweine mästen oder Hühner, sondern vielmehr um die Frage, was bereitet mir Freude?», ergänzt er. Um auf solche Fragen Antworten zu finden, könne eine Beratung hilfreich sein. Aber auch das Aufbruchteam weiss, dass es der bäuerlichen Bevölkerung eher schwerfällt, Beratung oder Hilfe in Anspruch zu nehmen. Warum ist das so? «Bauern sind Einzelkämpfer», sagt Stefan Moser. «Sie sind gewohnt, Probleme selber zu lösen. Das wiederum stärkt auch ihre Hartnäckigkeit und ihre Ausdauer. Es macht sie zäh.» Eine hohe Ausdauer steigere die Fähigkeit etwas auszuhalten. Und genau im Bereich des Aushaltens seien Bauern Weltmeister. «Das ist ja beispielsweise im Bereich der Krankenkassen sichtbar. Bauern gehen erst sehr spät zum Arzt. So ist es auch bei der Beratung. Hilfe wird erst dann in Anspruch genommen, wenn es wirklich nicht mehr geht», ergänzt Moser.

 

Serie mit dem Aufbruchteam

Überlastung, Generationenprobleme, fehlende Zukunftsperspektiven, ständig ändernde Rahmenbedingungen oder auch Einkommensrückgang sind Themen, mit denen die Landwirtschaft konfrontiert ist. Es sind Themen, die auch sehr belastend auf die Psyche und die Gesundheit von Betroffenen wirken können. Die BauernZeitung plant eine lose Serie mit dem Aufbruchteam, in der solche Themen Platz finden und Wege aufgezeigt werden, um mit ihnen umzugehen.

 

Die Einheit auf einem Bauernhof

Und die Themen, die derzeit beschäftigen, sind vielfältig. Meist sind es betriebliche Anliegen, aufgrund derer das Aufbruchteam Richtung Bauernhof aufbricht. «Aber dahinter ist meist etwas Menschliches verborgen», sagt Stefan Moser. Aber das sei auf einem Bauernhof eben ganz oft auch eine Einheit. «Und das wollen wir nicht trennen», so Moser. Denn die Themen gäben nicht sie als Berater vor, sondern ganz alleine die Bauernfamilien. Und wenn im Wort Beratung auch der Begriff Rat erscheint, es sei vielmehr ein Zuhören, ein Begleiten, ein Fragen, denn ein Ratschläge erteilen. «Der Mensch steht im Zentrum. Wenn er ein Thema hat, das ihm Energie raubt, dann hilft es, sich darüber Klarheit zu verschaffen, wie er mit diesem Thema umgehen will», erklärt Rüedu Schüpbach. Denn Energie sei die Lebensgrundlage, fehle sie oder werde sie durch ein schwerwiegendes Thema oder Problem immer wieder verbraucht, blockiere das den Menschen. Und davon seien viele Menschen im Leben betroffen. Manchmal auch mehrmals. Bevor es dann einfach nicht mehr geht und aussichtslos wirke, könne es helfen, Hilfe in Anspruch zu nehmen. «Wir wollen diese Hilfe bieten. Als Bauern, Berufskollegen und Männer mit Lebenserfahrung», so Schüpbach.

Nur ein Teil des Ganzen ist sichtbar

Stefan Moser und Rüedu Schüpbach brechen auf. Vorher werfen sie von der Raststätte aus noch einen Blick auf die Strasse hinunter. So unpersönlich der Ort auch wirken mag, der Grauholz ist mit einem der ältesten Autobahnabschnitte der Schweiz ein Knotenpunkt im Strassennetz. 1798 unterlagen hier zudem die bernischen Truppen den Franzosen in der Schlacht am Grauholz, woran heute ein Denkmal erinnert. Sichtbar sei nur immer ein Teil, sagen die beiden, was dahinter liege, sei weit mehr.