2016 ist voll und ganz sein Jahr. Die Rede ist vom Solothurner Schwinger Roger Erb. Vor rund einem Monat durfte er seinen bislang grössten Erfolg feiern; den ersten Kranzfestsieg am Basellandschaftlichen Kantonalschwingfest in Lausen.

Diesen Erfolg will der bald 24-Jährige am Saisonhöhepunkt der Schwingerszene, dem Eidgenössischen Schwing- und Älplerfest in Estavayer-le-Lac, toppen. Doch das alles ist noch nicht genug Trubel. Auch privat startet der Vollblutschwinger durch. Roger Erb heiratet nach dem Saisonende seine Herzdame Carolle Hufschmid. Und zu guter Letzt steht auch noch der Baubeginn des eigenen Hauses auf dem Programm. Es sei schon ein verrücktes Jahr, lacht Erb. Doch offensichtlich braucht der aktive junge Mann den Trubel.

Fussball passte nicht

Roger Erb ist mit den Eltern Brigitte und Christian sowie den jüngeren Geschwistern Marina und Silvan im kleinen Dorf Metzerlen aufgewachsen. Der Bauernbub begann zunächst mit dem Fussballspielen. Doch das war nicht sein Ding.

Spasseshalber habe Mutter Brigitte gesagt, er könne ja Schwingen gehen. Da war Erb zwölf. Im nächstgelegenen Schwingkeller, demjenigen des Schwingklubs Oberwil, absolvierte er ein Schnuppertraining. Bereits nach zwei Monaten bestritt er sein erstes Schwingfest. Rasch stellten sich Erfolge ein.

Als Sechzehnjähriger wechselte Erb von den Jungschwingern zu den Aktiven. Und auch da muss er sich keinesfalls verstecken. Er sei bei den zehn besten Nordwestschweizern, so der Landwirt. Und es klingt alles andere als abgehoben oder gar arrogant. Nein, es ist vielmehr eine blosse Feststellung und zeugt von einer Portion gesundem Selbstvertrauen.

«Es ist nicht nur ein Hobby», erklärt Erb seine Leidenschaft. «Ich lebe den Sport. Das braucht es, wenn man vorne mitmischen will.» Und Roger Erb will vorne mitmischen.

Eine Tür zu, eine auf

Nach der Schulzeit lernte der junge Roger Erb Landmaschinenmechaniker und absolvierte die Sportler-Rekrutenschule in Magglingen. Anschliessend machte er die Ausbildung zum Landwirt auf dem elterlichen Hof, wo er seitdem zu 100 Prozent angestellt ist.

Roger Erb schätzt es sehr, dass er beim Vater viele Freiheiten geniesse. Zudem werde er auch in Entscheidungen eingebunden und ist für die Maschinen hauptverantwortlich. Ausserdem kann der Schwinger seine Arbeitszeit meist selber einteilen. Denn mit dem Erfolg mehren sich auch die Medienanfragen, die er gar nicht so ungern absolviert, wie er zugibt. Trotzdem habe er lernen müssen, auch mal Nein zu sagen.

Dem Erfolg liegt jedoch harte Arbeit und viel Verzicht zugrunde. Roger Erb trainiert fünf- bis sechsmal die Woche. Er schätzt das Umfeld in seinem Schwingklub, und das Trainingsteam sei super. Um dennoch wechselnde Trainingspartner zu haben, ist er nebst seinem Stammklub auch in anderen Kellern anzutreffen. So etwa beim Schwingerkönig Matthias Sempach in Kirchberg. Unter der Woche esse er abends eigentlich nie zuhause, stellt Erb fest. Ausgang liegt während der Saison nicht drin. Auch wenn er die Trainings nicht immer lustig findet, vermisst er dennoch nichts. «

Das Wichtigste ist, dass ich gesund bleibe, auch das musste ich lernen», erklärt Erb. Bereits früh hatte der junge Schwinger mehrere Verletzungen, wie etwa einen Kreuzbandriss auszukurieren. Rückblickend sei das trotzdem eine gute Zeit gewesen, habe er doch seinen Trainer, Felix Zimmermann, kennengelernt. Der 23-Jährige ist ein äusserst optimistischer Mensch, der aus allem Schlechten etwas Positives ziehen kann. Eine Tür gehe immer zu und dafür eine andere auf, weiss er.

Harte Schale, weicher Kern

Nach der Saison gönnt sich der junge Mann zwei Monate Pause ohne jegliches Training. Dann wird gelebt, Ferien liegen drin und auch Ausgehen. Ansonsten ordnet Roger Erb sein ganzes Leben dem Schwingsport unter. Das braucht eine mehr als verständnisvolle Partnerin. Und genau die hat der sympathische junge Mann mit Carolle seit sieben Jahren an seiner Seite. Sie seien ein gut eingespieltes Team, schwärmt Roger Erb über seine Liebste.

Carolle und auch die
Eltern und Geschwister begleiten ihn an fast jedes Schwingfest und fiebern mit. Dieser Rückhalt ist für den Familienmenschen sehr wichtig. «Ich habe eine harte Schale und einen weichen Kern», schmunzelt er, auch wenn einige sagen würden, er müsse böser sein. Doch Erb ist überzeugt: «Ich muss nicht böser sein – sondern einfach nur gut.»

Das Pensum aus Arbeit und Spitzensport, das der 190 cm grosse und 120 kg schwere Hüne betreibt, ist enorm. Kraft tankt er Zuhause bei Carolle. «Sie gibt mir viel Kraft und Energie», verrät er und zeigt abermals seinen weichen Kern. Mitte Oktober, natürlich nach der Saison, läuten für das verliebte Paar die Hochzeitsglocken. Die Vorbereitungen sind nahezu abgeschlossen. Und auch die Freude auf den anstehenden Hausbau ist bei beiden gross.

Wird nicht einfach

Doch vorher steht das Eidgenössische auf dem Programm. Roger Erbs Vorbereitung auf das alle drei Jahre stattfindende grosse Fest laufen seit einiger Zeit auf Hochtouren. Er geht nach Magglingen ins Techniktraining und arbeitet noch mehr an seiner Form. Konditionstrainer Felix Zimmermann, der auch Skirennfahrer Marc Gisin coacht, könne zudem viel rausholen und Verletzungen vorbeugen, ist Erb überzeugt. Er höre auf seinen Körper und mache einfach das, was ihn gut dünke. Er lässt sich ausserdem psychisch durch einen Mentaltrainer in Topform bringen.

So heisst denn sein Motto auch: «Der Wille ist der Weg zum Ziel.» Und das Ziel heisst ganz klar Eidgenössischer Kranz. Der Vollblutschwinger erklärt: «Es ist nicht unmöglich, aber es wird nicht einfach.» Es müsse alles zusammenpassen, die Gesundheit, die Gegner. Sollte es nicht klappen, werde der Frust gross sein, ist er überzeugt. Doch auch das wird sich voraussichtlich schnell legen. Wenn sich Erb mal aufregt, dann nicht für lange. Etwas laut werden und fluchen, und der Puls sei bei ihm wieder unten. «Man soll sich ja nicht immer aufregen, denn es bringt ja eh nichts», stellt er fest.

Angriffiger Stil

Seinen Schwingstil beschreibt der Nordwestschweizer als angriffig. Er sucht den Sieg. Roger Erb ist eher ein Standschwinger, am Boden lediglich Durchschnitt, erklärt er der Redaktorin. Was Erb jedoch nicht macht, ist seine Gegner im Vorfeld zu studieren. Früher habe er zu viel an den Gegner gedacht. Aber: «Ich will nicht den Gegner stark denken.» So hat er auch keinen Lieblingsgegner. «Mit denen, die du hast, das Beste draus machen», sagt er sich. Und weiter: «Schwingen ist eine Lebensphilosophie und Lebensschule. Du lernst gewinnen, verlieren und mit dem Gegner respektvoll umzugehen.»

Riesige Freude ausgelöst

20 Kränze hat der ehrgeizige Schwinger bislang errungen. Der Wertvollste ist derjenige seines ersten Kranzfestsieges letzten Monat. Dieser Sieg hat riesige Freude und ein unglaubliches Gefühl ausgelöst, erzählt er lachend. «Ich habe die Emotionen eines solchen Sieges unterschätzt.» Im Kasten «Entweder oder…?»  hat sich Erb für die Antwort Muni statt Geld entschieden. Doch seinen ersten Siegermuni hat er verkauft. Nicht nur des Geldes wegen. Dieser passte nicht in die Herde im heimischen Stall. Zudem steht dort schon einer. Ehrlich gibt der junge Mann zu, dass er in dem Moment nur noch feiern und nicht den Muni heimführen wollte.

Gut, wie es ist

In den gut zehn Jahren, in denen  Roger Erb zur grossen Schwingerfamilie gehört, hat sich vor allem das Publikum verändert, stellt er fest. War dies früher eher einseitig, sei es heute breit gefächert. Von Jung bis Alt sei alles dabei. Das Urchige, die Folklore, gewinne immer mehr an Bedeutung, das Bodenständige werde wieder vermehrt gesucht. «Nichts, mir passt alles», erklärt Erb auf die Frage, was sich künftig in seinem Sport verändern sollte. Der junge Schwinger hat auch kein Problem damit, dass in anderen Sportarten Unmengen an Geldsummen fliessen. «Es ist gut so wie es ist», erklärt er.

Zwar freut er sich über Reaktionen von Publikum, im Dorf und Bekannten und geniesst das. Dennoch könne er sich im Gegensatz zu einem Roger Federer überall frei bewegen. Zudem arbeite er gerne als Ausgleich. Die Arbeit in der Natur, mit den Tieren und Maschinen sei abwechslungsreich. Am Montag nach einem Fest verrichte er meist einfachere Arbeiten, um das Fest Revue passieren zu lassen.

Parallelen zieht Roger Erb zwischen der Landwirtschaft und dem Schwingen bewusst keine. Er mag klare Grenzen und die Trennung von Arbeit, Sport und Privatleben. Sowieso ist Roger Erb Geld nicht so wichtig. Zwar schätzt er das Engagement seines Sponsors Schenker-Storen und die Eigenständigkeit, die er mit ihm hat, sehr. Das zur Verfügung gestellte Auto sei zudem Gold wert für die vielen Fahrten an Trainings und Wettkämpfe. Doch Ruhm und Ehre sind für Roger Erb wichtiger. Zufrieden bezeichnet er sich, wenn alles rund läuft und nichts Belastendes im Kopf schwirre. Und: «Die Kränze sind der Lohn für meine Arbeit, alles andere ist Zugabe», erklärt er seine Motivation.     

Andrea Wyss