Die Bilder von der überschwemmten Autobahn A1 bei Wil im Sommer 2019 dürften manch einem noch im Kopf sein - es war nicht das erste Mal, dass dies passierte. Regelmässig treten der Krebsbach, der Huebbach, der Meienmättelibach und der Alpbach über die Ufer, weil sie bei Starkniederschlägen das Wasser nicht mehr schlucken vermögen. Betroffen sind die Thurgauer Gemeinden Wilen, Rickenbach, Sirnach und die Stadt Wil im Kanton St. Gallen. Der Hochwasserschutz in der Region entspricht nicht mehr den heutigen Bedürfnissen. Daher hat das Amt für Umwelt des Kantons Thurgau ein Massnahmenkonzept ausgearbeitet. Der aktuelle Stand des Hochwasserschutzprojekts Region Wil wurde am Donnerstagabend im Gemeindesaal Wilen der Bevölkerung vorgestellt.

"Mehr Schutz für alle"

Carmen Haag, Regierungsrätin des Kantons Thurgau und zuständig für das Departement Bau und Umwelt, betonte, dass durch die grossflächigen Überbauungen und die Einengung der Gewässer die natürlichen Überflutungsflächen verloren gegangen sind. Dadurch entstehe ein Schutzdefizit. "Bei einem Hochwasser, das statistisch gesehen alle 100 Jahre eintritt, ist mit einem Schadenspotenzial von 20 bis 50 Millionen Franken zu rechnen." Für Haag ist klar, dass das Problem gemeinsam angegangen werden muss. Sie ist überzeugt: "Das vorliegende Projekt bringt für alle einen Mehrwert: für die Bevölkerung, die Landwirtschaft und die Natur."

Dialog mit der Landwirtschaft

Klemens Müller, Projektleiter, berichtete, dass seit der Präsentation des Vorprojekts im Sommer 2018 einiges gegangen ist. Es wurden Begleitgruppen gebildet, wo die verschiedenen Interessensgruppen (Landwirtschaft, Umweltverbände, Landeigentümer) in die Gespräche miteinbezogen wurden. "Daraus ergaben sich Änderungen im Projekt", führte Müller aus.

Unter anderem wird durch den Bau von zwei Stollen weniger Landwirtschaftsland benötigt, als ursprünglich geplant war. Betroffen vom Hochwasserschutzprojekt sind laut Müller 2,5 Hektaren Kulturland. "Davon beträgt der tatsächliche Verlust ca. 0,5 Hektaren. Die restlichen 2 Hektaren sind weiterhin als Landwirtschaftsfläche und als Biodiversitätsförderfläche anrechenbar", erklärte Müller.

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Beim Verband Thurgauer Landwirtschaft (VTL) wird die Zusammenarbeit mit dem Projektteam gelobt. Jürg Fatzer, Geschäftsführer des VTL, sagt: "Man hat das Gespräch mit den Bauern gesucht und in einigen Punkten auch gute Lösungen erarbeitet. Aber wenn man Landwirtschaftsland verliert, schmerzt dies jeden Landwirt." Der VTL fordert als Entschädigung der beanspruchten Flächen Realersatz. "Wenn dies nicht möglich ist, erwarten wir eine Entschädigung, die über dem maximal zulässigen Landwirtschaftspreis liegt, da ein öffentliches Interesse vorhanden ist", so Fatzer.

Vier Bäche stehen im Fokus

Projektingenieur Remo Solèr schilderte die geplanten Schritte bei den vier Bächen. Die wichtigsten Eckpunkte lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Huebbach

  • Vergrösserung der Ablaufkapazität beim Oberlauf
  • Umgestaltung des offen geführten Huebbach zu einem Biotop
  • Offenlegung und Revitalisierung beim Unterlauf
  • Ein Stollen unter dem Hummelberg soll das Wasser südlich von Wil in den Alpbach führen

Meienmättelibach

  • Bau eines Stollen am Siedlungsrand
  • Vereinigung mit dem Huebbach bei dessen Unterlauf

Krebsbach

  • zusätzlicher Druckstollen (Düker) mit Unterquerung der Autobahn
  • Vergrösserung der Abflusskapazität im Norden
  • Verlegung des Krebsbachs an den Bahndamm mit ökologischer Aufwertung
  • neuer Rad- und Gehweg

Alpbach

  • Erstellung einer Leitstruktur im Oberlauf, um bestehenden Landwirtschaftsbetrieb vor Überflutungen zu schützen
  • Vergrösserung des Abflussquerschnitts im Westen
  • Abdichtung der Bachsohle bei der alten Kehrichtdeponie (Sanierung)
  • Verschiebung des Webereiweihers, neuer Weiherdamm und Uferbauer entlang der Bachstrasse
  • Objektschutz und Einzelmassnahmen zur Querschnittvergrösserung beim Unterlauf

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Noch keine Angaben zu den Kosten

Wie teuer das Bauprojekt zu stehen kommt, konnte Klemens Müller am Informationsabend nicht sagen: "Wir sind mit der heutigen Veranstaltung früher dran, so dass noch keine genauen Zahlen zur Verfügung stehen." Bereits bekannt ist, wie die Kosten unter Bund, Kantonen und Gemeinden aufgeteilt werden sollen. Der Kostenteiler präsentiert sich wie folgt (Stand November 2019):

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Die Verantwortlichen hoffen, mit dem Bau ab 2021, spätestens aber ab 2023 beginnen zu können (zeitliche Verzögerungen je nach Einsprachen). Die Dauer der baulichen Umsetzungen soll im optimalen Fall rund zwei bis drei Jahre dauern.

Nach den Informationen durch die involvierten Fachpersonen hatten die Zuhörer die Möglichkeit, mit den Projektleitern über die geplanten Massnahmen zu diskutieren und Fragen zu stellen. Pro Bach gab es einen Stand mit den präsentierten Plänen. Von dieser Möglichkeit wurde dann auch rege Gebrauch gemacht.

 

So sieht der Zeitplan aus

Herbst 2019

  • Auflagedossier zur Vernehmlassung bei Gemeinden, Bund und Kanton

Frühling/Sommer 2020

  • Orientierung über die Resultate der Vernehmlassung
  • Projektvertiefungen mit lokalen Optimierungen
  • Einarbeitung der Erkenntnisse aus der Vernehmlassung

ab Winter 2020/2021

  • Öffentliche Auflage
  • Einspracheverhandlung

ab 2021 bis 2023

  • etappenweise Umsetzung