«Bibeli brauchen fürs Heranwachsen eigentlich keine Mutter. Trotzdem glauben wir, dass die Kleinen sehr viel von der Glucke lernen können und robuster sind», sagt Cäsar Bürgi. Die Immunisierung entstehe ganz natürlich, Bibeli impfen ist auf dem Hof Silberdistel in Holderbank SO kein Thema.

Hühner, die zum Hof passen

Lena und Cäsar stiegen vor fünf Jahren in die bäuerliche Hühnerhaltung ein. Von Anfang an war klar: «Wir wollten keine Hybriden, sondern Rassenhühner.» Bürgis starteten mit Hühnern den Rassen: Schweizer, Austral­orp und Rhode Island, die sie von Kurt Brunner (Initiant des Projekts Bruder Hahn) bezogen. Unterdessen hat es auch noch Anteile von Bresse und Marans in der Herde. Ihr Ziel ist nicht, schöne reinrassige Hühner zu züchten, sondern ein robustes Zweinutzungshuhn, das auf ihren Hof passt.

Diese Hühner produzieren nicht täglich ein Ei, sondern vielleicht nur jeden zweiten. Ein Ei kostet bei Bürgis denn auch einen Franken pro Stück, was jedoch noch nicht dem Zielpreis entspricht. «Ein sinnvoller Eierpreis für diese Art von Hühnerhaltung wären fünf Franken, so würden die Konsumenten wieder bewusster Eier konsumieren und wir bräuchten keine 20'000er-Ställe», ist Cäsar Bürgi überzeugt.

 

Eier selber ausbrüten

Voraussetzung: Hühner, die gluckig sind und befruchtete Eier.

Idealer Brutzeitpunkt: Hühner mögen es warm. Ab 15°C wären ideal, also ab zirka Mitte April bis Ende Mai, damit es keine Wärmelampe mehr braucht. Die Bibeli können sich so währenddes Sommers zu Hühnern entwickeln.

Alter der Eier: Die Eierkönnen beim Unterlegenfünf bis 14 Tage alt sein.

Gleichzeitiger Schlupfzeitpunkt: Wichtig ist, dass alle Eier dieselbe Temperatur haben, also nicht hennen-warme und solche aus dem Lagerraum mischen.

Anzahl Eier: Pro brütende Henne sind zehn Eier ideal.

Das Brüten: Das Ausbrüten dauert 21 Tage. Die Henne verlässt mindestens einmal am Tag das Nest, um zu koten und zu fressen. Die Eier können dabei abkühlen, solange man nicht eingreift, passiert nichts.

Remontierung: Für 30 bis40 Hühner müssen zirka90 Eier unterlegt werden, da nicht 100 Prozent der Bibeli schlüpfen und mit 50 Prozent Hähnen gerechnet werden muss.

Unterstützung durch Brutautomat: Um die Remontierung sicherer zu machen, können zusätzliche Eier im Brutautomten ausgebrütet werden. Wichtig ist, dass Automat und Hennen gleichzeitig mit Brüten beginnen. Nur so können die «Automaten-Bibeli» zeitnahden Hennen «untergejubelt» werden. 

Mutterhaltung: Zehn bis zwölf Wochen werden die Mütter zusammen mit den Kleinen separat gehalten, danach können sie in die normale Herde integriert werden.

Legepause: 16 Wochen nach dem Hocken beginnen die Hennen wieder zu legen.

Bruder-Hähne: Einige der Junghähne nachnehmen, die anderen werden nach 16 bis20 Wochen geschlachtet. 

 

Auf dem Hof haben die Hühner keinen fixen Auslauf mit Haus. Viel mehr ist das Federvieh in einem mobilen Hühnermobil untergebracht. Der Weidestandort wird wöchentlich gewechselt. «Es gibt Leute, die sagen, unsere Eier schmecken noch besser als herkömmliche Bio-Eier», meint der Bauer.

Lena und Cäsar Bürgi möchten in Zukunft keine Hühner mehr zukaufen müssen; vielleicht ab und zu einen Hahn zwecks Blutauffrischung. «Uns ist es wichtig, dass wir die Remontierung mit den Elementen, wie wir sie auf dem Hof haben – also Henne, Hahn, Erde, Luft und Wasser –, hinbekommen.» Die Herausforderung sei zurzeit noch das Futter, das Bürgis zukaufen müssen. Doch vielleicht werden sie auch das Getreide bis in ein paar Jahren auf dem eigenen Betrieb produzieren. «Wir möchten möglichst keine Fränkli einsetzen, sondern unsere Produkte ‹erschaffen›.»

Versuch mit Seidenhühnern

Bei Hobby-Hühnerhalter(innen) und auf Bauernhöfen sei die Naturbrut kaum verbreitet. Bürgis können deshalb nicht einfach nachlesen, wie diese Art von Hühnerhaltung funktioniert. Im ersten Jahr liessen sie die Eier von sechs Seidenhühnern ausbrüten. «Die Rasse hat einen ausgeprägten Bruttrieb», erklärt Lena Bürgi. Bis die Herde komplett war, waren die Hühner fast Dreiviertel des Jahres am Brüten.

[IMG 4]

Bürgis starteten erste Naturbrutversuche mit Seidenhühnern, die haben einen ausgeprägten Bruttrieb. (Bild Lena und Cäsar Bürgi)

Im zweiten Jahr klappte das Ammensystem mit den Seidenhühnern nicht mehr. Wieso das so war, wissen die Hühnerhalter nicht. Zwei der Seidenhühner leben noch immer in der Herde. «Da sie kleiner sind als die anderen, können sie sich nicht so gut in die Herde integrieren und bleiben den ganzen Tag im Hühnerhaus.» 

Bürgis überlegten sich einen neuen gangbaren Weg für die Remontierung (siehe Box). «Nun schaffen wir das in zwei Brutdurchgängen und mit Unterstützung eines Brutautomaten, den wir zumieten.» Die Herausforderung sei nun die Selektion, also von welchen Hühnern sie die Eier zur Nachzucht nehmen und welche Hennen sie brüten lassen.

Alles hat seinen Wert

Für die Befruchtung der Eier braucht es etwa einen Hahn auf zehn Hühner. Da bei der eigenen Remontierung die Chance besteht, dass 50 Prozent der Bibeli männlich sind, ergibt das einen Überschuss an Hähnen. Anders als in der konventionellen Hühnerzucht, sind die Junggüggel bei Bürgis kein Abfallprodukt, das geschreddert wird. «Einige ziehen wir nach für die Zucht und die anderen mästen wir aus.»

[IMG 5]

Bei der Naturbrut besteht die Chance auf 50 Prozent Hähne. Bügis mästen diese aus.

Auch die alten Legehennen finden eine zweite Verwertung als Suppenhuhn. «Bei uns haben alle Teile des Huhns ihren Wert.» Lena und Cäsar verkaufen Hühnerfüsse, Hühnerherzen und putzen Hühnermägen. «Güggelhoden sind eine richtige Delikatesse», meint der Landwirt. Von den Leuten darauf angesprochen, ob sich der Aufwand lohne, antwortet das Ehepaar Bürgi mit einem überzeugten Ja. Denn wenn man schon ein Tier schlachte, sollte man auch alle Teile davon essen und es auf diese Art wertschätzen.

 

Betriebsspiegel Hof Silberdistel

Familie: Lena und Cäsar Bürgi mit Kindern Beryll, Serafin und Anatol.

LN: 44 ha, davon 0,25 ha Gemüse, viel ökologische Ausgleichsflächen, der Rest ist Dauergrünland.

Tierbestand: 70 köpfige Red-Angus-Mutterkuh-Herde,19 Burenziegen, 60 Zweinutzungshühner, 6 Hähne, 20 bunte Distelschweine (eigene Hofzüchtung aus Turopolje und anderenLandrassen), 2 Ur-Freiberger und 1 Pony.

Besonderes: Produktion nach den Demeter-Richtlinien, mobile Schweinehaltung mit dem Sau-Karavan, mobiler Hühnerstall, mobiles Gewächshaus, Hofschlachtung.

Weitere Informationen:www.silberdistel-kost.ch

[IMG 6]

Der Hof Silberdistel von einer Anhöhe aus.